SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2006, Seite 18

Den Kapitalismus beseitigen, ohne sich mit ihm anzulegen

Eine Klarstellung zur Debatte

Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (bGE) wird von sehr unterschiedlichen Personenkreisen erhoben: Ursprünglich kommt die Forderung aus Kreisen der Liberalen (negative Einkommensteuer), in den 80er Jahren konnte sie sich unter Erwerbslosen ein gewisses Gehör verschaffen (Existenzgeld), dann wurde sie von der sozialliberalen Intelligenz aufgegriffen (Opielka, Liebermann u.a.). Heute erfreut sie sich bei wachsendem Arbeitszwang und Zerfall des Sozialstaats einer größeren Beliebtheit bei gut qualifizierten ALG-II-Beziehenden und prekären kleinen Selbstständigen.
Dass ich in die bGE-Debatte mit einem Streit mit einem Exponenten der Unternehmerseite eingestiegen bin, hat seinen Grund darin, dass alle Verfechter des bGE bestimmte liberale Grundannahmen teilen — wie die, dass der Industriegesellschaft "die Arbeit" ausgeht, wobei "die Arbeit" ineinsgesetzt wird mit der Waren herstellenden Arbeit — und es nicht für nötig halten, sich von den Liberalen abzusetzen. Sie reagieren immer sehr ungehalten, wenn man sie auf ihre merkwürdigen Bündnispartner hinweist. Deshalb war es wichtig einmal aufzufächern, dass es selbst einem Menschenfreund wie Götz Werner nicht in erster Linie um das Menschenrecht auf Einkommen geht, sondern um die Entlastung der Unternehmer von den Lohnnebenkosten, und zwar radikal.
Eine Kritik der linken Befürwortung des bGE muss natürlich andere Aspekte aufspießen als die der rechten. Die Hauptkritik ist die, dass man meint, mit dem bGE eine Wünschelrute gefunden zu haben, die das eherne Gesetz des Kapitalismus — die maximale Ausbeutung des Menschen um des privaten Profits willen — außer Kraft setzt, ohne die Grundlagen, nämlich die private Verfügungsgewalt über Menschen und Maschinen in Frage zu stellen.
Das bGE stellt das System der Lohnarbeit nicht in Frage; es existiert parallel neben ihm und seine Verteidiger hoffen, dass es hoch genug ausfallen wird, damit diejenigen, die keine Lust haben, sich ausbeuten zu lassen, sich diesem Zwang entziehen können. Das aber hieße, den Klassengegner für dumm zu verkaufen. Als würde er nicht merken, dass er seine diktatorische Stellung mit einem bGE unterminiert und auf die Sirenentöne von Kaufkraft, sozialem Zusammenhalt und Kreativität hereinfällt.
Götz Werner ist kein Gegenbeispiel: Er stellt die Höhe des auszahlbaren Grundeinkommens unter den Vorbehalt, dass die Belastungen für Unternehmer und Staat drastisch sinken, nicht dass sie steigen. Wenn es so niedrig ist, dass es zum Leben nicht reicht, dann gibt unser Wohlstand halt nicht mehr her; wenn wir uns mehr leisten können, umso besser. Wer aber entscheidet darüber was wir uns leisten können?
Es ist ein linker Irrglaube zu meinen, "bedingungslos" hieße in dem Zusammenhang, dass der Arbeitszwang aufgehoben wäre, nur weil das Grundeinkommen an alle ausgezahlt wird. Auch mit einem Grundeinkommen von 300 Euro im Monat herrscht noch Arbeitszwang, weil man davon nicht leben kann. Ein bedingungsloses Grundeinkommen bezeichnet deshalb in der Optik derer, die den Kapitalismus überwinden wollen, kein Menschenrecht auf Einkommen, sondern eine sozial ungerechte (weil nicht an der Bedürftigkeit orientierte) niedrigschwellige Grundalimentierung, die den Sozialstaat abschafft, ohne die Bedürftigkeit zu überwinden.
Damit besteht der Arbeitszwang weiter und der eigentlichen Frage, wie denn die Arbeit so verteilt werden kann, dass alle daran teilhaben und alle davon leben können, sind wir keinen Schritt näher gekommen. Nur jene, die den Kapitalismus abschaffen wollen, versteifen sich darauf, eine bestimmte Höhe einzufordern — das sind die mit dem Existenzgeld von 1200 Euro, aber die gelten auch im Netzwerk Grundeinkommen als randständig.
Leider ist es so, dass der Kapitalismus den vielen "Überflüssigen" weder Arbeit noch Geld geben will, sondern gerade soviel zum Leben, dass sie nicht verhungern. Ganz deutlich wird das an Figuren wie dem thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus, der das bGE propagiert und zugleich den Arbeitszwang verschärfen will.
Es hilft nichts: Wollen wir den Arbeitszwang abschaffen, müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeit auf alle umverteilt wird (die Arbeitslosigkeit abgeschafft wird) und die abhängig Beschäftigten in die Lage versetzt werden, die Arbeitsbedingungen auf allen Ebenen tatsächlich zu beeinflussen. Es sind die Arbeitsbeziehungen, die sich ändern müssen, soll sich an der Gesellschaft etwas ändern.

Angela Klein

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang