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Auf seinem Weg, sich einem größeren Publikum bekannt und beliebt zu machen, als der Besucherschar des
Wiesbadener Sternschnuppenmarkts, stolpert der SPD-Oberhamster Kurt Beck durch die politische Landschaft wie einst der letzte rheinland-pfälzische
Bartträger mit Kanzlerambitionen, Rudi Bin Baden Scharping. Der musste sich seinerzeit sogar waschen und rasieren, um sich für
den Job als Regierungschef zu bewerben. Genützt hat es bekanntlich nichts. Doch hätte es nützen können?
Im Grunde ist die ganze Geschichte vom Bartschneiden und damit verbundenen
Extragewinnen schon vor hundertfünf Jahren im berühmten philosophischen Russell-Paradox schlussendlich abgehandelt worden: Ein Fürst
verspricht dem Barbier einer Gemeinde eine hohe Belohnung, wenn er ein Jahr lang nur genau den Männern den Bart schere, die sich nicht selbst rasieren
würden. In einer realen Welt der sprießenden Bartstoppeln hat der Barbier keine Chance, den Preis zu bekommen. Rasiert er sich selbst, verletzt er
ebenso die Regel, wie wenn er sich einen Bart wachsen lässt.
Was dem Oberbarbier Beck von wem versprochen wurde, braucht hier nicht erörtert zu
werden, wir vermuten mal, dass es nicht viel mehr als ein milder als sonst ausgeführter Fußtritt sein wird, sein Versuch, einem erwerbslosen Auch-
nicht-selbst-Rasierer einen Teil der Prämie zu versprechen, muss aber schon aus Gründen der Logik scheitern. Sollte der Kurt bis zum Wahljahr
2009 dem Rudi folgen, und sich die Gesichtsbehaarung entfernen, dann wird auch dies für ihn nicht zum Sieg reichen.
Nach der plötzlichen Übernahme des Amtes vom ebenso glücklosen
Genossen Platzeck, versuchte sich Beck zunächst als Schröder-Imitator und skandierte die alte Parole, dass Wahlen nur in der Mitte zu gewinnen
wären. Seine Sorge galt dem angeblich gebeutelten Mittelstand, dessen Leistung nicht genügend gelohnt würde. Doch kaum einer wollte diese
Leier noch hören, wo alle Welt auf die Parasiten der Sozialhilfebezieher und Erwerbslosen eindrosch, wo Tag für Tag buchstäblich jede Sau
von neuen Vorschlägen zur Umverteilung von Unten nach Oben durch die Dörfer getrieben werden konnte.
Nach der Sommerpause durfte Beck dann die "Unterschichtsdebatte" lostreten
und seine Sorge über das neue Prekariat auf allen Kanälen ausbreiten. Doch schon damals klammerte er sich an die gleichen Bilder, die ihn
jüngst auch auf dem Sternschnuppenmarkt die Sicht trübten, als er einem Schmuddelkind der Post-Hartz-IV-Gesellschaft riet, wenn er sich
wüsche und frisiere, hätte er in drei Wochen einen Arbeitsplatz. Dass Millionen Menschen durch die moderne kapitalistische Politik in die
industrielle Reservearmee rekrutiert werden und dort vor allem die schmutzigsten Bataillone der, wie Marx es nannte, stagnierenden relativen
Überbevölkerung ausmachen, ist für den SPD-Chef Beck alles nur eine Frage der individuellen Einstellung. Die Menschen würden sich
gehen und hängen lassen, wären mutlos und ohne Antrieb.
Seine Parteiideologen haben für dieses Erklärungsmuster schon geraume Zeit
die Munitionskammern gefüllt und die Losung des "vorsorgenden Sozialstaats" ausgerufen. Nicht die alte sozialdemokratische Linie des
nachsorgenden Sozialstaats, der kollektiven Versorgung der Bedürftigen, der Umverteilung nach Unten ist heute gültig, sondern die individuelle
Schuldzuweisung und das Angebot, sich selbst helfen zu können. Jeder ist seines Glückes Schmied diese alte Kleinbürgerparole
ersetzte alle bisherigen SPD-Programme.
Da ist es schon passend, wenn ein SPD-Ministerpräsident, einem Erwerbslosen
rät, er solle sich mal waschen und rasieren, dann würde es mit dem Job schon klappen. So etwas ist dann vorsorgender Sozialstaat. Besser
wäre es noch, Herr Beck hätte dem Kollegen einen Bart- und Haarschneider geschenkt, wie er gerade von Tschibo und Aldi verkauft wird, dann
wäre ja sogar noch eine kleine Ich-AG drin, auch wenn die Friseurinnung protestiert.
Es wird mit Kurt Beck kein gutes Ende nehmen. So viel ist klar. Wenn er so weiter macht, ist
noch nicht einmal die Juniorkanzlerschaft in einer großen Koalition in Reichweite. Und die glückliche Erlösung seines
Bartträgerkanzlerkandidatenvorgängers Rudi wird ihm auch nicht gegeben werden. Der wurde durch den Parteitagsputsch von Oskar Lafontaine
schon von einem kleinen Sturm alter sozialdemokratischer Ideale davon gepustet. Doch von denen ist heute weit und breit keine Spur.
PS. Die Feministinnen haben das Bartschneide-Paradox immerhin durch die Einführung einer Friseurin ohne eigenen Bartwuchs in die Geschichte
aufheben können. Aber auch das werden Kurtchen und Andrea wohl vermasseln.
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