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Manchmal gibt es Phasen, in denen der einzige Kraftquell darin besteht, aus der Schwäche des Gegners Kapital zu
schlagen. Man kann machen was man will und wie man will, es wird immer falsch sein. Und kaum glaubt man, eine Krise erfolgreich bewältigt zu haben,
schlittert man schon in die nächste, an die noch kurz zuvor überhaupt nicht zu denken war. Krisenmanagement und ein kühler Kopf sind in
solchen Situationen gefragt, wenn man nicht in einem Chaos versinken will. Manchmal aber sitzt man allerdings so tief im Dreck, dass nur der berühmte
Münchhausen-Trick helfen könnte, sich an den Haaren selbst aus dem Sumpf zu ziehen. In einer solch fatalen Situation befindet sich die NPD zum
Jahreswechsel. Sie pendelt im schnellen Takt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
Ein ausgesprochen billiger Trost, der der NPD zur Verfügung steht, ist stets der
Zustand der Konkurrenz im eigenen Lager, v.a. der der REPublikaner. Man kann sich damit beruhigen, dass die eigene Partei inzwischen stärker ist als die
Partei Rolf Schlierers. Zu Zeiten Franz Schönhubers, vor gut zehn Jahren, war das noch völlig anders. Rund 20000 Mitgliedern der REPs stand
damals ein Häuflein von gerade noch gut 3000 Getreuen der NPD gegenüber. Damals hatte die NPD Schwierigkeiten, die notwendigen
Unterschriften für geplante Wahlantritte zu erhalten. Und konnte sie doch einmal kandidieren, scheiterte sie mit schöner
Regelmäßigkeit an dem Quorum für die Wahlkampfkostenerstattung.
Inzwischen haben die REPs einen Schrumpfungsprozess hinter sich. Und niemand kann ernstlich behaupten, es handele sich um ein Gesundschrumpfen.
Zuviel abnehmen ist ungesund, weiß jeder Arzt. Und wenn von 20000 Mitgliedern nur noch 6500 geblieben sind, dann kann dies einfach nicht gesund
sein. Betrachtet die Parteiführung die eigene Lage realistisch, dann muss sie eingestehen, dass sie auf das Maß einer süddeutschen
Regionalpartei gestutzt worden ist. Doch auch dort ist die Bedeutung nur relativ.
Zur letzten Bundestagswahl konnten die REPs nur noch in neun Bundesländern
antreten, mit 0,6% der Zweitstimmen kam man gerade noch in den Genuss von Staatsmitteln. Trotzdem musste aus Kostengründen die Parteizeitung
eingestellt werden. Keine, so der Titel, "Zeit für Protest" mehr. Außerhalb der Mitgliedschaft war das langweilige und handwerklich
schlecht gemachte Blatt ohnehin nicht wahrgenommen worden. Zwar hat der seit 1994 amtierende Parteivorsitzende Rolf Schlierer, dem das Charisma eines
magenkranken Finanzbuchhalters nachgesagt wird, beim Bundesparteitag am 9./10.Dezember in Höchstadt noch einmal den Kampf um die Führung
für sich entscheiden können, doch noch nicht einmal seine eigenen Anhänger zweifeln daran, dass dies den Exodus und die
Rückzugstendenzen ins Private noch beschleunigen wird. Der Kampf um den Vorsitz war keine Personal- sondern ein Richtungsentscheidung. Schlierer
steht für die weichgespülte Variante der extremen Rechten, sein unterlegener Widersacher Björn Clemens dagegen für eine vorsichtige
Öffnung gegenüber der NPD.
Die Stärke der NPD ist zumindest zum Teil die Schwäche ihrer
Gegner. Sichtbar wurde dies nicht zuletzt beim Bundesparteitag am 11./12.November in der "Reichshauptstadt" Berlin. Mühelos gelang es der
NPD im Vorfeld wieder einmal, die Medien zu beherrschen. Der Streit um den Tagungsort füllte die Zeitungsspalten und sicherte der Partei die erhoffte
Aufmerksamkeit. Er führte jedoch nicht zur erwünschten Mobilisierung der Gegenkräfte. Ganze 400 Gegendemonstranten verloren sich vor
der Halle, obwohl alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zum Protest aufgerufen hatten. Die Parteien riefen und fast niemand kam.
Ähnlich dramatische Auseinandersetzungen wie bei der Konkurrenz von den REPs waren in Berlin auch nicht zu erwarten gewesen. Der Vorsitzende
Udo Voigt wurde mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt. Seit Beginn seiner Ägide 1996 hat sich die NPD langsam und
kontinuierlich zur stärksten Kraft innerhalb der extremen Rechten gemausert. Und stolz konnte die Partei verkünden, dass man nicht eher ruhen
werde, bevor Voigt nicht nur in einer Berliner Bezirksverordnetenversammlung, sondern auch im Reichstag sitze. Fast ebenso unumstritten als Stellvertreter an
der Spitze der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel und der als Fraktionsgeschäftsführer nach Schwerin gewechselte Peter Marx.
Neu in diesem Amt ist Sascha Rossmüller, beruflich abgesichert als Berater der
Landtagsfraktion in Dresden und stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern. Er war der Wunschkandidat der Parteiführung und wurde auch von der
Jugendorganisation JN unterstützt. Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, verzichtete ausdrücklich zu
seinen Gunsten auf die ihm angetragene Kandidatur.
Somit setzte sich Rossmüller letztlich sicher gegen den Hamburger "Neonazi in
der Anwaltsrobe" (Die Zeit) Jürgen Rieger durch, der erst wenige Wochen zuvor in die Partei eingetreten war. Ihn hatte eine Strömung
nominiert, die eng mit den radikalen Freien Kameradschaften kooperiert. Kopf dieser Fraktion ist der stellvertretende niedersächsische Landesvorsitzende
Adolf Dammann, dem es vor allem darum ging, den bisherigen stellvertretenden Parteivorsitzenden und Landesvorsitzenden in Niedersachsen, Ulrich Eigenfeld,
zu demontieren, der eher als Vertreter des traditionellen Flügels der NPD gilt. Künftig, so der Wille der Parteispitze, die ihn weiterhin einbinden
will, soll er für die Parteistruktur und -verwaltung zuständig sein. "Er ist es", so eine Pressemitteilung der NPD, "der bei dem
stetig größer werdenden Druck von außen die Partei zusammenhält".
Inzwischen hat Eigenfeld mehr als genug damit zu tun, dem innerparteilichen Druck
standzuhalten. Sein eigener Landesverband droht ihm aus der Hand zu gleiten. 67 niedersächsische Parteimitglieder fordern die Einberufung eines
Sonderlandesparteitages, bei dem die regionale Parteiführung neu gewählt werden soll. Der Streit zwischen jenen Kräften, die eine enge
Zusammenarbeit mit den Kameradschaften befürworten und jene, die diese ablehnen, eskaliert also.
Nach der Euphorie über die Vervielfachung der Mandate bei den Kommunalwahlen
immerhin hatte es einen Anstieg von mageren 3 Sitzen auf nunmehr 18 (plus 6 im Bündnis) gegeben folgte also prompt die Resignation.
Denn wie soll das Ziel eines respektablen Abschneidens bei den nächsten Landtagswahlen erreicht werden, wenn die Partei heillos zerstritten und mehr
mit sich selbst als mit Politikentwicklung beschäftigt ist?
Mehr als glücklos agiert inzwischen auch das bisherige Flaggschiff der NPD, die sächsische Landtagsfraktion. Was nützt es, wenn man
richtig analysiert, dass die eigenen personellen und intellektuellen Ressourcen nicht ausreichen, um eine Landtagsarbeit zu leisten, die einen als Neuling nicht
umgehend zur Lachnummer macht, und dass man folgerichtig einige der besten Köpfe der extremen Rechten als Berater der Fraktion einbindet, wenn die
Abgeordneten selbst das Übel sind? Nach dem Tod des charismatischen parlamentarischen Geschäftsführers und Fahrlehrers Uwe
Leichsenring, der ungebremst in einen Lkw gerast war, reihte sich Panne an Panne, Misserfolg an Misserfolg.
Den Abgang der drei Hinterbänkler Mirko Schmidt, Klaus Baier und Jürgen
Schön hatte die Partei noch nahezu problemlos verkraften können. Für den Leistungsträger Leichsenring dagegen konnte es keinen
adäquaten Ersatz geben. Sein Nachfolger ist der Dresdner René Despang, der zwar auf seiner Habenseite verbuchen kann, in den letzten Jahren bei
kaum einer Neonaziaktivität gefehlt zu haben, für den jedoch negativ zu Buche schlägt, dass er sogar im Kameradenkreis als intellektuelle
Luftpumpe gilt. Immerhin aber gilt er wenigstens als zuverlässiger Parteisoldat.
Es folgten die Dauereskapaden des Fraktionsseniors Klaus-Jürgen Menzel, der der
NPD ständige Negativschlagzeilen bescherte. Angeblich wollte man von seinem Vorstrafenregister nichts gewusst haben. Unbekannt gewesen sein soll
auch sein gelinde gesagt unseriöses Finanzgebaren. Private Schulden in beträchtlicher Höhe, auch bei einer
Fraktionsmitarbeiterin, zahlte er trotz gegenteiliger Versprechungen nicht zurück, den Abgeordnetenbeitrag in Höhe von 500 Euro monatlich blieb
er der Partei dauerhaft schuldig, und seine stattlichen Diäten von 4000 Euro betrachtete er einfach brutto als netto. Mehr als 15000 Euro Steuerschulden
sind die Konsequenz. Und konsequent wollte in diesem Fall die Fraktion sein. Sie setzte ihn einfach vor die Tür. Wenn sie allerdings geglaubt hatte, das
Problem Menzel habe sich damit für sie erledigt, sollte sie sich schnell enttäuscht sehen. Spätestens als Menzel einen Bodyguard damit
beauftragte, eine Pistole in den Landtag zu schmuggeln, musste sie erkennen, dass seine Sünden noch immer seiner inzwischen ehemaligen Partei
angelastet werden.
Die Affäre Menzel war noch nicht richtig bewältigt, da folgte die Affäre
Paul. Matthias Paul, bislang eine der Nachwuchshoffnungen der sächsischen NPD und Leistungsträger der Fraktion, sah sich urplötzlich nach
langjähriger Tätigkeit in der extremen Rechten als persona non grata auch im eigenen Lager, quasi über Nacht. Der Tag begann und mit ihm
Haussuchungen in seiner Wohnung, seinem Bürgerbüro und in seinem Landtagsbüro. Die Beschuldigung: Besitz und Verbreitung von
Kinderpornografie. Für eine Partei, zu deren Slogans "Todesstrafe für Kinderschänder" zählt, ist dies wahrlich eine
peinliche Lage. Schnelle Schadensbegrenzung war angesetzt. Paul legte umgehend sein Mandat und seine Parteifunktionen nieder.
Die Diskussionen um den Vorfall sind damit allerdings keineswegs beendet.
Verschärfend kommt hinzu, dass statt des Leistungsträgers Matthias Paul jetzt der letztmögliche Nachrücker auf der Landtagsliste, der
Keramwerker Peter Klose aus Zwickau, im Landtagsplenum Platz nehmen wird. Dies bedeutet eine weitere Schwächung, denn Klose, der sich als
"Reichsbürger" versteht, gilt gemeinhin als Dumpfbacke.
Angesichts des sächsischen Sumpfs muss man kein Prophet sein, um die Voraussage zu wagen, dass die NPD in ihrer Öffentlichkeitsarbeit eher
die neue Fraktion im Schweriner Landtag in den Mittelpunkt stellen wird. Ob diese aber wirklich Anlass zur Euphorie bieten wird, darf bezweifelt werden. Die
Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Stefan Köster ist bereits beantragt. Und gegen den Abgeordneten Birger Lüssow liegt eine
Anzeige vor. Weitere Skandale werden wohl nur einer Frage der Zeit sein. Und auch die Finanzkrise, in der die Partei momentan steckt, ist für die NPD
weder neu noch in der Existenz bedrohlich. Zwar wurde die Mehrzahl der Angestellten in der Parteizentrale entlassen, doch ist die Partei in der komfortablen
Situation, hinreichend Hauptamtliche in den beiden Landtagsfraktionen und beim Verlag "Deutsche Stimme" zu haben. Eine Spendenaktion
läuft bereits.
Kein Grund zur Entwarnung also, denn erstens mangelt es der NPD an Konkurrenz im
eigenen Lager. Zweitens ist der Aufbau einer faschistischen Gegen- und Alltagskultur in weiten Bereichen des Ostens dauerhaft. Drittens ist der Parteiapparat
sowohl erfahren als auch stabil. Und viertens sprechen alle durch die demokratischen Parteien geschaffenen und erhaltenen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen
und politischen Rahmenbedingungen dafür, dass die Ideologie der extremen Rechten in der Bevölkerung plausibler wird. Es ist dann nur noch ein
Schritt, dass sich die Meinung als Kreuz auf dem Wahlzettel manifestiert. Die Prognose für die NPD im Jahr 2007? Sie hat keinen Anlass zur Euphorie.
Allerdings auch keinen zur Resignation.
Jean Cremet
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