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Die Ankündigung der Konzernzentrale von VW, den Golf nur noch in Deutschland herzustellen und damit im Brüsseler Werk Forest 4000 Beschäftigte zu entlassen,
hat in Belgien einen Sturm der Entrüstung entfacht. Wir veröffentlichen einen Beitrag der belgischen marxistischen Monatszeitschrift La Gauche.
Die Entscheidung ist gefallen: Die Arbeitsplätze von 3500 Arbeitern und 500 Angestellten bei VW-Forest sollen abgebaut werden; nur 1500 Beschäftigte sollen im Werk
noch übrig bleiben. In der Zulieferindustrie sind 800012000 Arbeitsplätze akut bedroht. Diese "Restrukturierung" ist Teil eines umfassenderen Plans zur
Erhöhung der Konzernprofite: die Konzernleitung und an ihrer Spitze die Familie Porsche will bis zum Jahr 2008 7 Milliarden Euro einsparen auf dem Rücken der
Beschäftigten natürlich. Europaweit sollen dafür 35000 Arbeitsplätze geopfert werden, davon 20000 in Deutschland.
Die belgischen Unternehmer und die Regierung Guy Verhofstadt reden uns ein, an dieser Entscheidung sei der
"Nationalismus" und der "Verrat" der deutschen Gewerkschaften schuld dabei ist es einfach nur Kapitalismus.
Der Umfang der bevorstehenden Entlassungen ist ein beißendes Dementi all jener Politikerphrasen, die
gebetsmühlenhaft wiederholen, die Gewinne von heute seien die Arbeitsplätze von übermorgen; Steuergeschenke an die Reichen würden
"Arbeitsplätze sichern". Obwohl die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung um über 5 Milliarden Euro gesenkt wurden (und ein entsprechendes Loch
in die Sozialkassen gerissen haben), folgt eine Entlassungswelle der anderen.
Die Unternehmer wollen gar nichts garantieren außer ihren Profiten. Jeder Politiker, der jetzt noch sagt, ihnen
müssten noch mehr Geschenke gemacht werden, ist nur ein nützlicher Idiot. Die Krokodilstränen für die armen Arbeiter fließen reichlich, aber es ist die
reine Heuchelei, niemand fordert die VW-Leitung zur Rechenschaft, wenn sie die Arbeitsplätze nicht sichert. Wenn ein Arbeiter seine Verpflichtungen nicht einhält, wird er
sofort bestraft.
Aber die Bosse sind anscheinend über jede Sanktion erhaben, obwohl sie der öffentlichen Hand
gegenüber Verpflichtungen eingegangen ist. Dieselben Politiker aber, die so lautstark Tränen über das Los der Arbeiter vergießen, haben sofort die Polizei
mobilisiert, 500 Mann, mit Wasserwerfern und dressierten Hunden, als wären die Arbeiter Terroristen. Dabei hätte die Geschäftsleitung von VW wegen Störung
der öffentlichen Ordnung sofort hinter Schloss und Riegel gehört!
Die Reaktionen der Gewerkschaften sind äußerst schüchtern und unterhalb dessen, was sie
können. Am 23.November gab es eine Vollversammlung aber keine Kampfperspektive, keinen Aktionsplan, nur die Ankündigung einer landesweiten Demonstration
am 2.Dezember.
Verständlicherweise sind die Arbeiter nach diesem Coup niedergeschlagen und demoralisiert diese
Maßnahme zerstört ihr persönliches Leben ebenso wie ihr Kollektiv am Arbeitsplatz. Das ist ein Grund mehr, schnellstens eine offensive und entschlossene
Kampfperspektive zu entwickeln, die sie aktiv einbezieht. Eine erste Gelegenheit wurde an diesem 23.November verpasst: Man hätte gleich das Werk besetzen sollen, statt die
Arbeiter wieder nach Hause zu schicken; nur eine Handvoll ist geblieben und hat Streikposten gestanden.
Die landesweiten Gewerkschaftsvorstände erklären zwar ihre Solidarität, aber sie zeigen keine Spur
einer betriebsübergreifenden Mobilisierung in Solidarität mit den VW-Arbeitern. Letzteren begegnet man mit entwaffnendem Fatalismus, während die einzig
realistische Antwort die Forderung nach Erhalt der Arbeitsplätze und Zurückweisung aller Entlassungen ist.
Da VW sagt, 1500 Arbeitsplätze sollen erhalten werden, das ist eine Schicht, wäre es ein Leichtes, alle
5000 Beschäftigten würden in Rotation eine Woche von fünf arbeiten und sich den Rest der Zeit auf Teilzeitarbeitslosigkeit setzen unter Einbehaltung des
vollen Lohns und der Prämien. Ein solches System könnte ein oder zwei Jahre lang funktionieren so lange wie man braucht, um einen Rekonversionsplan zu
erarbeiten, der allen den Arbeitsplatz und dem Werk eine langfristige Zukunft garantiert.
In Frankreich führt die LCR eine Kampagne für ein Verbot von Entlassungen in Unternehmen, die Profite
machen. Die belgische und europäische Sozialgeschichte ist voll von Beispielen, wie multinationale Konzerne die Produktion verlagern und die Belegschaften zusammenstreichen,
um ihren Aktionären höhere Profite zu verschaffen. Ein europäisches Gesetz, das derlei Praktiken untersagt, könnte eine konkrete Perspektive sein. Sie kann aber
nur Realität werden, wenn ein entsprechendes sozialen und politisches Kräfteverhältnis aufgebaut wird. Das Drama bei VW erhellt einmal mehr, wie zutiefst
schädlich der Kapitalismus ist. Die Liste der Opfer ist lang: VW, Splintex, DHL, Sabena, Clabecq, Renault-Vilvoorde...
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