SoZ - Sozialistische Zeitung |
Das schweizer Zeitschriftenprojekt Widerspruch gibt seit 1981 jährlich zwei Themenhefte mit Beiträgen aus dem
kritischen Wissenschafts- und Kulturbereich, aus Linksparteien und Gewerkschaften, aus Ökologie-, Friedens- und Frauenbewegungen heraus. Die neue
Ausgabe, das Jubiläumsheft zu 25 Jahren Widerspruch*, versteht sich als Antwort auf die Leitparole neoliberaler Politik "There is no
alternative" (Margret Thatcher).
Nach den von Elmar Altvater skizzierten Umrissen einer solidarischen Ökonomie
entwickelt Luise Gubitzer ("Wirtschaft ist mehr!") ein Sektorenmodell der Gesamtwirtschaft als theoretische Grundlage für eine Politik der
Geschlechtergerechtigkeit. Diane Elson und Jasmine Gideon nehmen das Konzept der Frauenrechte als Menschenrechte unter die Lupe und stellen fest, dass die
weltweite Diskriminierung von Frauen durch die unbezahlte Care-Ökonomie zunimmt. Daran ändern offensichtlich neue Erfindungen, was die
Bezeichnung der Gratis-Sorgearbeiten angeht, nichts. Sie verweisen darauf, dass die meisten Menschenrechtsprinzipien Frauen benachteiligen, weil sie vor allem
in der öffentlichen Sphäre wirksam sind und den Privatbereich ausklammern, in dem viele Verletzungen von Frauenrechten geschehen. Ihre
Hoffnung setzen sie auf die politische Mobilisierung von Frauen auf der lokalen Ebene und verweisen auf Ansätze und Kampagnen in verschiedenen
Ländern der Welt.
Und nachdem Walter Schöni, Paul Oehlke und Alex Demirovic einen nun schon
historischen Diskurs, nämlich die bundesrepublikanische und schweizer Debatte der 70er und 80er Jahre um die "Humanisierung der Arbeit"
und die Fragen der Wirtschaftsdemokratie wieder aufgenommen haben, stellt Frigga Haug in ihrem Artikel "Links und feministisch" fest, dass sich in
fast 40 Jahren linker feministischer Politik kaum etwas verändert habe.
Sie schlägt deshalb vor, was sie schon früher vorgeschlagen hat und was
letztlich auch Helke Sander in ihrer berühmt gewordenen "Tomatenrede" auf der SDS-Konferenz im September 1968 artikulierte: auch in der
Linken den Geschlechtervertrag einzubringen, damit der zwischen "Ernährermann und Hausfrau" endlich verschwinde. Ein ebenso altes
Thema nimmt Claudia von Werlhof von Seiten der "feministischen" Frauen auf: "Die Linke" strebt, solange sie die Patriarchatskritik
vernachlässigt, nicht wirklich eine Alternative zum herrschenden System an. Sie geht dabei so weit, zu behaupten, dass das "kapitalistische
Patriarchat" die Utopie "der Linken" sei und dass es deshalb keinen Weg in eine Alternative gäbe. Mit dem Verweis auf die
"mütterliche Ordnung," die im historischen "Matriarchat" sichtbar werde und noch sichtbar ist, verabschiedet sie sich von der
Hoffnung, mit "der Linken auf dem Weg in die Zukunft noch irgendetwas anfangen zu können".
Nach derartig vernichtendem Urteil erscheint der Diskussionsteil über die
Neuformierung der Linken in der Schweiz und in Deutschland eigentlich überflüssig. Tatsächlich lassen die "Grundlinien der
Alternative" von Willi Eberle und Hans Schäppi keinerlei Begehren nach einer Aufhebung der geschlechterspezifischen Ungleichheiten erkennen.
Nützlicher erscheint Uli Brands Idee eines sozialen Europa. Er plädiert für eine radikale Veränderung gesellschaftlicher
Verhältnisse, die die Veränderung patriarchaler Geschlechterverhältnisse einschließt und setzt auf "rebellisch-
globalisierungskritische Orientierungen".
"So viel ist heute sicher, dass es keinen Feminismus ohne Sozialismus geben kann und
keinen Sozialismus ohne Feminismus", das betonte die Gruppe "Brot und Rosen" bereits 1972 in ihrem Frauenhandbuch I. Der linke
Frauenaufbruch, den Christiane Reymann in ihrem Artikel darstellt, formuliert die These neu: "Die neue Linke wird feministisch oder sie wird nicht
links." Davon ist die neue Linke allerdings weit entfernt. Das wird aus der Entstehungsgeschichte und der Darstellung der Programmdebatte, die Joachim
Bischoff und Christoph Lieber vornehmen, deutlich.
Insgesamt ein lesenswertes Themenheft, auch wenn die Darstellung praktisch gelebter
Beispiele aus dem Bereich der alternativen Ökonomie, Genossenschaften und kommunitären Arbeits- und Lebensgemeinschaften, als Fenster zu
einer wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Gesellschaft (noch) unterbleibt.
Gisela Notz
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