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In einem
Artikel der Süddeutschen Zeitung zu den aktuell von der Großen Koalition vereinbarten Reformen im
Gesundheitswesen heißt es: "Erstmals in der Geschichte Deutschlands gibt es eine Pflicht für
alle, sich gegen Krankheit zu versichern." Es ist zunächst das Zusammenfallen von
Krankenversicherung und Pflicht, was irritiert. Gewöhnlich veranlagte Menschen müssen zur
Möglichkeit, im Krankheitsfall ärztlich versorgt zu werden, ja nicht gezwungen werden. Sie werden
das doch eher als ein Recht begreifen, um dessen Nutzung sie sich aus freien Stücken bemühen. Die
Betonung der Pflicht in Bezug auf das Gesetzesvorhaben erklärt sich wohl vor allem daraus, dass es
insbesondere den privaten Versicherungen das Privileg beschneidet, sich aus der Finanzierung des
allgemeinen Gesundheitswesens herauszustehlen und sich elegant der Mitglieder zu entledigen, an denen sie
zu wenig verdienen können.
Ein Recht auf Krankenversicherung für
alle Menschen, die im Lande darauf angewiesen sind, ist dadurch jedoch noch nicht entstanden, auch wenn die
SPD-Bundestagsfraktion die Medienpräsentation ihrer Website zu den jetzt vereinbarten Reformen mit den
starken Worten beginnt: "Alle Bürgerinnen und Bürger haben künftig die
Möglichkeit, sich für den Krankheitsfall abzusichern."
Im Mittelpunkt der
"Versicherungspflicht" steht die Gruppe der Selbstständigen, die irgendwann den
Versicherungsschutz verloren haben, weil sie die Beiträge nicht mehr bezahlen konnten. Ihre Zahl wird
auf 200000300000 Menschen geschätzt. So Versicherte haben bisher monatlich Beiträge zahlen
müssen, die weit über 500 Euro betrugen. Dieser Betrag wurde jetzt auf den sog. Basistarif von
500 Euro begrenzt. Wer der Krankenkasse nachweisen kann, dass er als Selbstständiger diesen Basistarif
nicht bezahlen kann, kann den Beitrag auf 250 Euro halbieren. Bei Nachweis von Sozialbedürftigkeit ist
es möglich, diesen Betrag nochmals um die Hälfte zu reduzierten. Die 125 Euro werden dann vom
Sozialamt übernommen. Dies ist sicher ein Fortschritt gegenüber der Gesetzeslage vor der Reform.
Doch sind auch durch diese
Zutrittserleichterungen nicht alle sicher im Boot. So schreibt der Berliner Tagesspiegel zurecht:
"Vollkommen ungeklärt ist allerdings noch, was passiert, wenn derart pflichtversicherte
Privatpatienten ihre Beiträge nicht zahlen, allerdings auch eine Sozialhilfebedürftigkeit nicht
nachweisen können."
Das betrifft in erster Linie die in den
Großstädten bedeutende Gruppe von Migranten, die keinen Anspruch auf Transferleistungen nach ALG
I oder ALG II haben und sich notgedrungen als Selbstständige über Wasser halten müssen. Ihr
Lebensstandard liegt nicht selten unterhalb des Hartz-IV-Niveaus. Nicht berücksichtigt sind auch die
etwa 800000 in der Illegalität lebenden Flüchtlinge und sowie die geduldeten Asylbewerber, die
nur ein eingeschränktes Recht auf gesundheitliche Versorgung haben.
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