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Es ist kennzeichnend, dass das Jahr 2006 mit einer
kolonialen Hinrichtung endete, die nahezu vollständig (bis auf die letzten Momente) vom staatlichen
Fernsehen des besetzten Irak gezeigt wurde. Die Manipulation des Prozesses war so offensichtlich, dass
sogar Human Rights Watch die größte Organisation der amerikanischen
Menschenrechtsindustrie ihn als eine vollständige Farce verurteilen musste. Auf Anordnung
Washingtons wurden Richter ersetzt, Anwälte der Verteidigung ermordet, und das gesamte Verfahren
erinnerte an eine gut inszenierte Lynchjustiz.
Waren die Nürnberger Prozesse eine
würdigere Anwendung der Siegerjustiz, so war der Prozess gegen Sadam das bislang krasseste Beispiel.
Die Tatsache, dass der Präsident und Meisterdenker ihn als "Meilenstein auf dem Weg zur
Demokratie im Irak" bezeichnete, zeigt klar, dass hier Washington den Finger am Abzug hatte. Die
erbärmlichen Führer der Europäischen Union theoretisch Gegner der Todesstrafe
schwiegen wie gewöhnlich.
Während in Bagdad einige schiitische
Fraktionen feierten, enthüllte ein relativ unabhängiges Institut, das Iraq Centre for Research
and Strategic Studies (das nach eigener Angabe "das erforderliche Bewusstsein für die
Verwirklichung der demokratischen Freiheiten verbreiten, die demokratischen Werte und die Grundlagen der
Zivilgesellschaft festigen will"), mit seinen veröffentlichten Zahlen, dass fast 90% der Iraker
denken, dass die Situation im Land vor der Besetzung besser gewesen sei.
Die Untersuchung des ICRSC beruht auf
detaillierten Haus-zu-Haus-Interviews während der dritten Woche im letzten November. Nur 5% der
Befragten meinten, dem Irak gehe es heute besser als im Jahr 2003. 89% sagten, dass sich die politische
Lage verschlechtert habe; 79% sehen einen Niedergang der Wirtschaft; 9% behaupten, dass sich nichts
geändert hätte. Es überrascht nicht, dass 95% meinen, dass sich die Sicherheitslage
verschlechtert habe. Interessant ist, dass sich ungefähr 50% der Befragten als "Muslime"
definierten, 34% als "Schiiten" und 14% als "Sunniten".
Dazu kommen noch die vom UNHCR gelieferten
Zahlen: Seit März 2003 sind 1,7 Millionen Iraker (7% der Bevölkerung) ins Ausland
geflüchtet, und jeden Monat verlassen 100000 das Land: Christen, Ärzte, Ingenieure, Frauen usw.
Diese Flüchtlinge rufen nicht die Sympathie der westlichen öffentlichen Meinung hervor, denn die
Ursache des Phänomens ist die Besatzung der USA (mit Unterstützung der EU). In diesem Fall wird
kein Vergleich mit den Gräueltaten des Dritten Reichs angestellt (wie es beim Kosovo jedoch der Fall
war). Vielleicht sind es diese Statistiken (und die Schätzungen von einer Million Toter Iraker), die
die Hinrichtung Sassam Husseins verlangten?
Dass Saddam ein Tyrann war, steht
außer Zweifel, aber dabei wird gerne vergessen, dass er den größten Teil seiner Verbrechen
begangen hatte, als er ein treuer Verbündeter derjenigen war, die heute den Irak besetzt halten. Wie
er während des Prozesses zugegeben hat, war es die Zustimmung Washingtons, die ihm während des
Iran-Irak-Krieges die Rückendeckung verschaffte, über Halabja Giftgas versprühen zu
können. Er verdiente einen Prozess und eine angemessene Bestrafung in einem unabhängigen Irak.
Aber nicht dies.
Über die Doppelmoral des Westens ist
man immer wieder verblüfft. Der indonesische Diktator Suharto, der auf einem Berg von Leichen regierte
(mindestens eine Million, wenn wir die niedrigsten Schätzungen akzeptieren), ist von Washington
geschützt worden. Er hat ihnen auch nicht so viel Ärger bereitet wie Saddam.
Und was ist mit denen, die das heutige
Chaos im Irak angerichtet haben? Die Folterknechte von Abu Ghraib, die erbarmungslosen Schlächter von
Fallujah, die Urheber der ethnischen Säuberung in Bagdad, der kurdische Gefängnisdirektor, der
sich rühmt, dass Guantánamo sein Vorbild ist? Wird Bush und Blair jemals wegen der
Kriegsverbrechen der Prozess gemacht werden? Daran ist zu zweifeln. Und Aznar, der jetzt als Dozent an der
Georgetown University in Washington D.C. engagiert wurde, wo die Unterrichtssprache Englisch ist, wovon er
kein Wort spricht? Seine Belohnung ist eine Strafe für die Studierenden.
Der Lynchmord an Saddam könnte einen
Schauer über das kollektive, wenngleich künstliche Rückgrat der regierenden arabischen
Eliten rieseln lassen. Wenn Saddam aufgehängt werden kann, so kann dies auch Mubarak, dem
haschemitischen Joker in Amman und dem saudischen Königshaus passieren, solange diejenigen, die sie
stürzen, glücklich sind, mit Washington zusammenzuarbeiten.
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