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Am 7.Januar 2005 verbrannte der aus Sierra Leone geflüchtete Afrikaner
Oury Jalloh in einer Zelle eines Dessauer Polizeireviers. Der wirkliche Tathergang ist bis heute nicht
aufgeklärt.
Die erste offizielle Version lautete: Der
Asylbewerber habe zuerst eine Frau sexuell belästigt und sich nach seiner Verhaftung im
Polizeigewahrsam das Leben genommen.
Eine sexuelle Belästigung hat es
jedoch nicht gegeben und der angebliche Selbstmord lässt sich durch die vorliegenden Beweismittel
wenig erhärten. Es dauerte fünf Wochen, bis die Staatsanwaltschaft eine Erklärung abgeben
konnte. Die offizielle Version des Tathergangs war wie die Journalistin Constanze von Bullion von
der Süddeutschen Zeitung zu Recht anmerkte eine Geschichte, "die haarsträubender kaum
sein könnte". Oury Jalloh, der laut Gutachten über 2 Promille im Blut und auch andere
Rauschmittel konsumiert hatte, soll sich danach mit einem Feuerzeug selbst in Brand gesteckt haben.
Dank der Recherchen der Beratungsstelle
für rechtsextreme Gewalt in Dessau, der Initiative eines PDS-Abgeordneten und der mutigen Aussage
einer Polizistin gegen den verantwortlichen Dienstgruppenleiter kamen dann nach und nach jedoch andere
Fakten auf den Tisch. Der inhaftierte Oury Jalloh war in der Zelle an Händen und Füßen
gefesselt. Das legt die Frage nahe, wie ein so "fixierter" Gefangener sich selbst und die schwer
entflammbare Matratze anzünden kann und wie das Feuerzeug trotz Leibesvisitation überhaupt in die
Zelle kam.
Dieser offene Widerspruch führte zur
Aufnahme von Ermittlungen gegen den Beamten, der das übersehen haben musste. Ermittelt wurde auch
gegen den Dienststellenleiter, nachdem bekannt wurde, dass dieser die Gegensprechanlage, mit der Jalloh
abgehört werden konnte, mehrfach abgestellt hatte. "Diese störenden Geräusche, dieses
Grölen und Machen, das hat eigentlich gar nicht aufgehört", erklärte der
Reviervorgesetzte. Er habe Ruhe beim Telefonieren gebraucht. In die Zelle ging er erst, als der Alarm im
Lüftungsschacht laut aufheulte und ihn die belastende Polizistin dazu gedrängt hatte. Zu diesem
Zeitpunkt war der Raum nur im Kriechen betretbar und Oury Jalloh völlig verbrannt.
Das Ermittlungsinteresse der
Staatsanwaltschaft ist nur beschämend zu nennen. Sie hat vier Monate für eine Anklage gebraucht.
Dann lagen die Akten fünf Monate beim Gericht. Ein Brandsachverständiger durfte acht Monate
nachermitteln. Dieses Gutachten ruhte drei Monate, dann wurde ein weiteres beantragt. Beide sind belastend
und nicht entlastend. Die Anwälte der Familie konnte auch bei der zweiten erstrittenen Obduktion
nachweisen, dass dem Inhaftierten das Nasenbein gebrochen wurde und dass er Verletzungen am Mittelohr
hatte.
Nach 20 Monaten ist immer noch kein
Hauptverfahren eröffnet. 17 Monate dauerte es, bis die Anwälte erreichen konnten, dass die Mutter
als Nebenklägerin zugelassen wurde. Auch die politisch Verantwortlichen der Stadt unterstreichen den
Eindruck fehlenden Interesse und mangelnder Verantwortungsbereitschaft. Der Dessauer Oberbürgermeister
Otto erklärte auf Nachfragen der Medien, was er in der Sache unternehmen wolle: "Mir ist nicht
danach", "Ich weiß da so wenig", und: "Soll ich mich mit der Polizei auch noch
anlegen?" Die Behörden sind nicht so ratlos. Alle, die vor Ort die offizielle Selbstmordthese
bezweifeln, müssen mit Anklagen wegen Verleumdung der Polizei rechnen. Einem Freund Oury Jallohs und
Mitbegründer der Dessauer Flüchtlingsinitiative wurde die Gewerbelizenz entzogen und der Laden
geschlossen. Auch die Ausländerbehörde hat versucht, durch Einschüchterungen
Flüchtlinge vor der Teilnahme an Protestaktionen abzuhalten.
In der Zwischenzeit waren
Flüchtlingsinitiativen und ihre Unterstützer nicht untätig. Ein Filmteam der ARD drehte den
Film "Tod in der Zelle Warum starb Oury Jalloh?" und erhielt dafür den Deutschen
Menschenrechtsfilmpreis. Sowohl in Dessau als auch in Berlin fanden zum 2.Jahrestag des Todes von Oury
Jalloh eine Pressekonferenz und eine Demonstration statt. Im Mittelpunkt der Demonstrationen, an der sich
in Berlin etwa 500 Menschen beteiligte, standen die Forderungen nach vollständiger Aufklärung der
Todesumstände, Verurteilung der Verantwortlichen und Entschädigung für die Opfer
rassistischer Staatsgewalt.
Jochen Gester
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