SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2007, Seite 12

"Demokratien" gegen "Islamofaschisten"

Vom Kampfbegriff zur Kriegsallianz

Atomschlag gegen den Iran? Die britische Sunday Times überraschte am 7.Januar 2007 die Welt erneut mit der Horrormeldung, Israels Militär plane, iranische Atomanlagen in Natanz, Isfahan und Arak mit Kernsprengköpfen von der 15fachen Wirkung der Hiroshima-Bombe zu zerstören. Trotz offizieller Dementis aus Jerusalem darf die Meldung nicht als dramatisierendes Geplänkel abgetan werden. Im Gegenteil, wir erleben wie die psychologische Einstimmung auf einen Militärschlag auf Hochtouren läuft und dank des UN-Sanktionsbeschlusses am 26.Dezember 2006 gegen den Iran erstmals ein UN-gestützter Eskalationsfahrplan möglich ist.
Es ist unverkennbar: Die Bush-Regierung hat — trotz des Irak-Desasters und trotz des Debakels der Republikaner bei den jüngsten Kongresswahlen — nie ihr Ziel aufgegeben, einen Krieg gegen den Iran heraufzubeschwören. Sie halten die Islamische Republik für das größte Hindernis, um einen Zugriff der USA auf den Nahen und Mittleren Osten sowie dessen Energiereserven vollständig durchzusetzen und den Status Israels, des Hauptverbündeten der USA, als Hegemonialmacht in der Region zu festigen.
Also ein neuer Krieg im Mittleren und Nahen Osten? Und wenn, dann mit Kernwaffen? Viele — vor allem in Europa — wollen der demokratisch gewählten Regierung der westlichen Führungsmacht so viel Dummheit und Unvernunft nicht zutrauen. Ein neuer Krieg, der das schon jetzt angerichtete Chaos im Mittleren und Nahen Osten um ein Vielfaches potenzieren würde, widerspräche in der Tat jedweder menschlichen Logik und wäre illegal und illegitim.
Was aber, wenn trotz aller Logik die allein entscheidenden Hegemonialinteressen des mächtigsten Staates die Oberhand gewinnen? Gerade, weil sich die Vernunftlogik mit der Machtlogik nicht deckt, muss ein möglicher Irankrieg in einen ideologischen Kontext gestellt werden, in dem Ressentiments, Emotionen und tief verwurzelte niedere Beweggründe die menschliche Vernunft beiseite schieben und die Legitimationslücke schließen.
Gesucht wurde daher nach einem aggressiv- hegemonialen Kampfbegriff — gefunden wurde die Formel vom "Krieg der Demokratie gegen den Islamo- Faschismus", den Think Tanks in Washington und Tel Aviv seit einigen Jahren medial in Szene setzen.
Dabei werden in den Medien Amerikas Kriege in Afghanistan und im Irak, Israels Kriege im Libanon und in Palästina und neuerdings auch der Krieg des ostafrikanischen US-Alliierten Äthiopien in Somalia gerechtfertigt. Und man widmet sich mit Hingabe einer Intervention gegen den Iran.

Dämonisierung...

Das Ziel des Kampfbegriffs "Islamo-Faschismus" liegt auf der Hand: Er suggeriert, der Islam sei nicht demokratie-, sondern faschismuskompatibel, ergo müssten alle westlichen in "christlich- jüdischer" Tradition stehenden Demokratien endlich die Gefahr eines neuen weltumspannenden, eben islamischen Faschismus erkennen, ergo dürften die USA und Israel, die an vorderster Front gegen diese Gefahr ihren präventiven Krieg führen, nicht allein bleiben, sondern verdienten Unterstützung, selbst wenn sie auf Atomwaffen zurückgreifen. Nichts sei daher für die westlichen Staaten wichtiger als einen amerikanisch-israelischen Krieg gegen den Iran — die Speerspitze des "islamischen Faschismus" — endlich gutzuheißen.
In seinem Bestseller Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust am Einknicken warnt Henryk Broder eindringlich vor der "Selbstaufgabe Europas vor moslemischer Expansion" und plädiert mit der Suggestivfrage "Was wären die Folgeschäden eines iranischen Atomschlags?" indirekt für einen präventiven Atomkrieg gegen den Iran. Der israelische Historiker Benny Morris haut in der Welt vom 6.Januar 2007 in die gleiche Kerbe, indem er wortreich einen "zweiten Holocaust" beschwört, den nun islamische Führung des Iran mit Kernwaffen vom Zaun brechen wolle, die diese noch gar nicht besitzt.
In einer internationalen Kampagne wird stets die gleiche Folie bedient. Mit Überschriften in englischsprachigen Medien wie "How Europe Died", "While Europe Slept", "Europe‘s Suicide?", "Eurabia is no Fairytale", "Goodbye Europe", wird die westliche Welt aufgehetzt, den neuen globalen Kreuzzug nicht länger hinauszuschieben. Sie zielen nach dem aus den 30er Jahren bekannten Muster darauf ab, wie seinerzeit das Judentum nun den Islam insgesamt und den Iran im besonderen zu dämonisieren und einen Krieg gegen den "islamischen Feind" auszulösen.
Allerdings sind an dieser psychologischen Kriegsvorbereitung Populisten vom Schlage Mahmud Ahmadinejads nicht ohne Schuld. Irans Präsident liefert mit seinen antiisraelischen Verbalattacken reichlich Munition. Derartige Drohungen sind nichts als Bluff. Der Iran ist nicht in der Lage, Israel zu vernichten. Wer derartige Absichten hegt, entscheidet sich angesichts der nuklearen Erstschlagskapazitäten Israels für die eigene Vernichtung gleich mit. Das weiß die Führung in Teheran, das weiß auch jeder, der das Einmaleins der nuklearen Abschreckungslogik kennt. Ginge es allein nach den Vorstellungen der Hardliner unter den US-Neocons und jener Kreise in Israel um den Halbfaschisten Avigdor Lieberman, den für strategische Fragen inklusive Iran zuständigen Minister im Kabinett Olmert, dann müssten wir uns auf einen schrecklichen Krieg und globalen Kreuzzug, zumindest auf ein neues blutiges Chaos weit über die nahöstliche Region hinaus einstellen.

...und Provokation

Beobachtet man aufmerksam die jüngsten Ereignisse, wird Washingtons Doppelstrategie erkennbar: Zum einen die Dämonisierung, zum anderen die gezielte Provokation des Iran. Mit dem Libanonkrieg im Sommer 2006 setzten Hardliner in Washington und Tel Aviv auf eine Überreaktion des Iran. Die Regierung in Teheran tappte jedoch dank moderater Realisten wie dem ehemaligen Präsidenten Rafsanjani, die in Sicherheitsfragen immer noch viel zu sagen haben, nicht in die gestellte Falle und ließ die Provokation ins Leere laufen.
Ungeachtet dessen halten Bush und Cheney an ihrer Absicht fest, den Iran in eine Eskalationsdynamik ungewissen Ausgangs hineinzuziehen. Die US- Regierung wollte unbedingt ein einstimmiges Votum des Sicherheitsrats, um den Iran permanent unter Druck zu setzen und zu Kurzschlussreaktionen zu provozieren.
Den gewünschten Beschluss hat das Weiße Haus Ende Dezember 2006 bekommen, nicht zuletzt dank europäischer und ganz besonders deutscher Hilfe. Umso mehr warnen Rafsanjani, aber auch der reformorientierte Ex-Präsident Khatami den außenpolitisch unerfahrenen Ahmadinejad eindringlich davor, die Gefahren zu übersehen oder zu unterschätzen, die dazu führen können, dass der Iran mit einem Krieg überzogen wird. Niemand weiß, was die Strategen in Washington und Tel Aviv im Schilde führen, um dennoch an ihr Ziel zu gelangen. Zu hoffen bleibt, dass die Führung des Iran auch in Zukunft auf jegliche noch so schwerwiegende Provokation nicht hereinfällt und darauf nicht mit Gewalt reagiert. Ansonsten dürften die Folgen für den Iran wie für die Region verheerend sein.
Und was ist mit der Verantwortung Europas und Deutschlands? Angela Merkel und Außenminister Steinmeier haben mit der von den EU-3 unterstützten Initiative zu einem UN-Sanktionsbeschluss genau die Rolle gespielt, die Washington der Bundesregierung seit Januar 2005 zugedacht hat — den USA für die moralische Legitimation einer stufenweisen Eskalation die Steine aus dem Weg zu räumen. Deutschland hat diesen Part bisher mit Bravour gespielt. Augenscheinlich haben weder Merkel noch Steinmeier begriffen, dass sie mit ihrer Rolle im Iran-Konflikt nicht gegen den "bösen Ahmadinejad", sondern gegen ureigene europäische und deutsche Interessen operieren.

Mohssen Massarrat

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück. Der Artikel erschien ungekürzt zuerst in der Wochenzeitung Freitag vom 12.1.07.



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