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Von Afrika wird in den Massenmedien das Bild eines Kontinents gezeichnet, der von der
Globalisierung "abgehängt" wurde und deswegen nicht auf die Füße kommt. Hunger, Korruption und der
anhaltende Massenexodus in die kapitalistischen Zentren wären die Folge eines selbstmörderischen Reflexes, der die
Eliten dazu antreiben würde, anders als Asien die Chancen, die die Globalisierung bietet, verstreichen zu lassen.
Die Lotterwirtschaft der herrschenden afrikanischen Eliten ist leider eine Tatsache. Die Demokratisierung der 90er Jahre
hat den Virus der Oligarchie leider nicht ausgerottet. Im Gegenteil, da sie auf neoliberalem Humus gewachsen ist, hat sie
eher die Bereicherung, auch die unzulässige, befördert.
In der Ära nach Mobutu oder nach Hufuet-Boigny wurden in
der Subsahararegion Vermögen angehäuft. Regierungschefs wie Dos Santos (Angola), Sassou Nguesso (Kongo), Biya
(Kamerun) oder Bongo (Gabun) haben durch die Veruntreuung öffentlicher Gelder und die Verschleuderung strategischer
Märkte an Private Werte in der Größenordnung von Konzernen angehäuft. Sie haben aber auch investiert,
sowohl im eigenen Land wie außerhalb in Banken, Immobilien, Bergwerke, Erdöl... Sie sind damit zu richtigen
Kapitalisten geworden, die sich vom Bilderbuchunternehmer nur dadurch unterscheiden, dass die Quelle ihrer
ursprünglichen Akkumulation eine öffentliche ist.
Nicht einmal Mobutu hat Reichtümer nur angehäuft.
Sein Vermögen lag nicht nur auf Nummernkonten von Banken in sog. demokratischen Ländern, es wurde auch in
Immobilien und in Aktien außerhalb von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) investiert. So hat sich in Afrika eine
lokale Klasse von Geschäftsleuten etabliert.
Vor kurzem hat z.B. der frühere Premierminister des
Senegal, Abdulaye Wade, in einem Strafverfahren gestanden, dass er sich aus der senegalesischen Staatskasse bedient hat und
dadurch zum Immobilienunternehmer geworden ist, der seine Geschäfte u.a. in Paris abwickelt. In Südafrika hat der
ANC nach seinem Regierungsantritt führenden Partei- und Gewerkschaftsfunktionären (der COSATU) die Gelegenheit
verschafft, Vorstandsvorsitzende oder gar Eigentümer von Privatunternehmen zu werden im Namen des black
empowerment (Ermächtigung der Schwarzen), einer positiven Diskriminierung, die darauf abzielt die südafrikanische
Bourgeoisie um ein paar Farbtupfer zu bereichern.
Als Unternehmer hängen die herrschenden Eliten Afrikas
an der neoliberalen Ordnung der Weltwirtschaft, deshalb lassen sie die Folgen der Globalisierung für die Völker
kalt. Bestenfalls tolerieren sie deren "Kampf gegen die Armut", solange er sich noch mit ihren individuellen und
Klasseninteressen verträgt.
Das Ausmaß der Korruption und ihre schädlichen Folgen für die afrikanischen Gesellschaften kann man nicht
leugnen: Erwachsene und Kinder sterben, weil sie nicht die Mittel haben, in den Gesundheitszentren die Korruptionsmaschine zu
schmieren. Dennoch zeugen manche Kritiken an der Korruption eher von einem Moralismus, der nicht frei von einer rassistischen
Überheblichkeit über die "Unreife" der Afrikaner ist, als von politischen Erwägungen.
In Wirklichkeit werden häufiger mindere Formen der
Korruption aufs Korn genommen als solche, die wirklich die großen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen
Orientierungen eines Landes, also die Politik, beeinflussen sie sind im Übrigen auch nicht exklusiv auf dem
afrikanischen Kontinent anzutreffen. Dieser ist vielmehr Opfer einer Korruptionskultur, die dem System inhärent war, das
ihm aufoktroyiert wurde bevor die einheimischen Eliten, die in diesem System ausgebildet wurden, es sich zu eigen gemacht
haben. Die Orientierung des US-Kongresses an privatkapitalistischen Interessen ist eher die Norm als die Ausnahme, die
politischen Entscheidungsträger können zugleich Wirtschaftsunternehmer sein, die viel eher daran interessiert sind,
wie sie Gesetze und öffentliche Vorhaben zu ihren Gunsten wenden können, als wie sie die Verwendung
öffentlicher Gelder kontrollieren.
Über Korruptionsfälle, in die die politische
Klasse, manchmal sogar die Spitzen des Staates in den Gesellschaften des kapitalistischen Zentrums involviert sind,
hüllt sich einvernehmlich des Mantel des Stillschweigens oder sie fallen dem kollektiven Vergessen anheim wie die Kette
von "Affären" in Frankreich. Manchmal wird dem noch ein bisschen nachgeholfen, wie im Fall der
"Affäre Elf" ungeachtet dessen, dass sie im Kongo Tausende Menschenleben gekostet hat.
Gerade dieser Fall bringt noch einmal in Erinnerung, dass
für die afrikanischen Gesellschaften die schädlichste Korruption diejenige ist, die die herrschenden Eliten des
Kontinents an die wirtschaftlichen und politischen Mächte des kapitalistischen Zentrums bindet.
Das scheint nun auch Transparency International zu entdecken,
eine NGO, die seit langem das Hauptaugenmerk auf die Korrumpierten statt auf die Korrumpierenden legt. "Die großen
Exporteure gefährden durch zweifelhafte Praktiken im Ausland die Entwicklung ... In den wirtschaftlich schwächsten
Ländern Afrikas haben die Befragten häufig französischen und italienischen Konzerne als Urheber solcher
Praktiken benannt." (Zusammenfassung des Berichts über den Korruptionsindex exportierender Länder, 2006.) Kein
westliches Land erhält von dieser NGO das Prädikat 10/10. In manchen Ländern wird diese Auslandskorruption
sogar gesetzlich ermutigt und steuerlich begünstigt, weil sie dem Wettbewerb dient. Der Untersuchungsbericht der
britischen Africa All Parliamentary Group, der britische Konzerne anprangert, ist deshalb eine große Ausnahme und bisher
auch ohne Wirkung geblieben. Der Kreuzzug der Weltbank gegen die Korruption lenkt deshalb von den strukturellen Ursachen der
sozialen Ungerechtigkeit eher ab. Seine einzige Absicht ist, Regeln für die Konkurrenz zwischen imperialistischen
Mächten aufzustellen.
Die USA fühlen sich in ihrem Expansionsdrang auf dem
afrikanischen Markt nämlich manchmal gestört durch Seilschaften, die geschichtlich zwischen afrikanischen Eliten
und europäischen Multis entstanden sind und die Folgen für die Aufteilung der Märkte haben. Ihr Kreuzzug gegen
die Korruption hat deshalb etwas Willkürliches. Kein Wunder, dass sich französische und britische Minister für
Entwicklungshilfe manchmal darüber beschwert haben, dass unfolgsame Schüler wegen Korruption bestraft werden
sollten. Diese Rivalität wird durch den Auftritt Chinas auf dem afrikanischen Markt noch verschärft. Der
französische Außenminister hat ganz treffend bemerkt: "Zu Beginn dieses Jahrhunderts ist Afrika ein
erstrangiger Spielball strategischer Interessen geworden."
Ökonomen können mit Zahlen an der Hand beweisen, dass Afrika aus der Weltwirtschaft herausgefallen ist und in
diese noch integriert werden muss. Das Bruttoinlandsprodukt Afrikas beträgt weniger als 1% vom Weltsozialprodukt, sein
Anteil am Welthandel 2% (8% waren es in den 90er Jahren), sein Anteil an den Auslandsdirektinvestitionen 1%. Diese Zahlen
gehen jedoch von der falschen Annahme aus, dass es zwischen den Handelspartnern einen gerechten Tausch gebe (gleiche
Beträge also gleiches Gewicht haben). Das ist bei weitem nicht der Fall.
Ein Beispiel dafür ist das jüngste Kupferabkommen
mit der Demokratischen Republik Kongo: "Der US-Konzern Phelps Dodge, einer der größten Kupferproduzenten der
Welt, hält Anteile am größten Bergbauprojekt in Katanga. In Tenge Fungurume lagern die größten noch
nicht ausgebeuteten Kupfervorkommen der Welt ... etwa 18 Millionen Tonnen Kupfer und 1,5 Millionen Tonnen Kobalt sie
sind nach Preisen der letzten Jahre etwa 100 Milliarden Dollar wert. Tenke Mining gehört der Gruppe Lundin mit Sitz in
Genf. Während Phelps Dodge 57,75% Anteile besitzt, gehören Gécamines nur 17,5%. Gécamines hat dafür
von Phelps 15 Millionen Dollar bekommen. Wie kommt es, dass eine Mine, deren Vorkommen 100 Milliarden Dollar wert sind, zu
einem so lächerlichen Preis verkauft wird?" (Kurt Pelda, "Wie Kongo-Kinshasa seine Bodenschätze
verschleudert. Undurchsichtige Verfahren bei der Erteilung von Bergbaukonzessionen", Neue Zürcher Zeitung,
19./20.August 2006.)
Wie zur Zeit der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert ist Afrika
seit den 90er Jahren erneut Spielball der strategischen Interessen der imperialistischen Weltmächte. In ihrem Bericht
2006 schreibt die Weltbank: "Die Einkommenssteigerung in Afrika pro Kopf der Bevölkerung entspricht derzeit
derjenigen der anderen Länder auf dem Weg der Entwicklung." Das ist jedoch nur ein statistischer Durchschnitt,
hinter dem sich große Ungleichheiten bei den Realeinkommen und eine sehr ungleiche Verteilung des Reichtums zwischen den
Gesellschaftsklassen verbergen. Andererseits schreibt die Weltbank: "Die Produktivität der besten afrikanischen
Unternehmen ist vergleichbar mit der ihrer asiatischen Konkurrenten (in Indien und Vietnam)."
Die ausländischen Direktinvestitionen haben zugenommen,
die neoliberalen Reformen werden beschleunigt umgesetzt. Die International Finance Corporation, eine Agentur der
Weltbankgruppe, lobt die erreichten Fortschritte in höchsten Tönen: "Im Großen und Ganzen war die
populärste Reform in den Jahren 20052006 diejenige, die Unternehmensgründungen erleichtert hat. 43
Länder haben die entsprechenden Bestimmungen vereinfacht, Kosten und Fristen herabgesetzt. Die zweithäufigste
Reform, die von 31 Ländern durchgeführt wurde, betraf die Senkung der Steuern und die Vereinfachung der
Steuerzahlungsmodalitäten." Auf diese Weise konnten die ausländischen Konzerne im neoliberal gewendeten Afrika
im Jahr 2005 Geschäfte in Höhe von 200 Milliarden Dollar machen.
Großbritannien war einer der Gewinner bei diesem
Geschäft. Nach Angaben der britischen NGO Christian Aid sind im Zeitraum von Juli 2005 bis Juli 2006 17 Milliarden Pfund
Sterling von Großbritannien ins südliche Afrika geflossen davon waren 1,35 Milliarden Pfund Spenden, 6,8
Milliarden Direktinvestitionen, 7 Milliarden Warenimporte. Im Gegenzug jedoch sind aus dem südlichen Afrika nach
Großbritannien sage und schreibe 27 Milliarden Pfund Sterling geflossen darunter 1 Milliarde Schuldenzahlung aus
Nigeria, 4 Milliarden Gewinne britischer Unternehmen, 4,5 Milliarden Warenimporte und 17 Milliarden Kapitalflucht!
Aus dieser Perspektive gewinnt eine Äußerung des
französischen Außenministers eine ganz andere Bedeutung: "Das ist ein Kontinent, dessen mittleres Wachstum
inzwischen dauerhaft über dem Wachstum der Weltwirtschaft liegt und dreimal so hoch wie das europäische Wachstum
ist. In 2006 wird nach Angaben des IWF das Wachstum des südlichen Afrika das neunte Jahr in Folge die 5%-Marke
überschritten haben. Die Investoren haben sich nicht geirrt, die internationalen Geld- und Finanzströme in den
afrikanischen Kontinent haben sich in den letzten drei Jahren verdoppelt ... Frankreich hat nicht vor, sich aus einem
Kontinent, dem es nahe ist und mit dem es seit langer Zeit privilegierte Beziehungen unterhält,
zurückzuziehen."
Jean Nanga
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