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Der Vertrag von Nizza erlaubt bislang keinen eigenständigen EU-Haushalt. Damit sich
das ändert, will Merkel die EU-Verfassung durchpeitschen.
"Der Kampf um immer knapper werdende Rohstoffe und
Ressourcen birgt erhebliches Konfliktpotenzial", erklärte Bundesaußenminister Steinmeier seinen
sozialdemokratischen Parteifreunden, die im November 2006 aus ganz Europa zu einer Konferenz nach Berlin gereist waren,
um die Aufgaben der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu besprechen. "Die globale Konkurrenz ... bedroht
europäische Sozialstandards", fuhr Steinmeier fort und betonte die wichtige Rolle der EU-Außenpolitik.
"Ich bin fest davon überzeugt, Europa kann und wird nur dann eine Friedensmacht sein und bleiben, wenn wir auch
die entsprechende politische, wirtschaftliche und in Grenzen auch militärische Stärke auf die Waagschale
bringen."
Militärische Rüstung Europas ist auch im EU-
Verfassungsvertrag vorgesehen. Rückhalt für diese Großmachtgelüste, aus denen auch im deutschen
Weißbuch zur Verteidigungspolitik kein Hehl gemacht wird, findet Steinmeier auch im Europaparlament. In Brüssel
hat eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten wenige Tage nach der sozialdemokratischen Europakonferenz in
Berlin bei 117 Gegenstimmen für einen Antrag gestimmt, der auch den "weltweiten Wettbewerb um Wasser- und
Energiequellen" als Bestandteil europäischer Sicherheitspolitik berücksichtigt wissen will. Etwas
hemdsärmeliger als Steinmeier und das Europäische Parlament sagt es Joachim Würmeling, CSU-
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Der behauptet, die EU müsse "im globalen Kampf um Energiequellen
härtere Bandagen anlegen". Die Sicherung der Energieversorgung sei deshalb ein zentrales Anliegen der deutschen
Präsidentschaft, damit "die Bürger nicht im nächsten Winter mangels Gas- oder Öllieferungen ohne
Heizung dastehen".
Um langfristig im Wettlauf um die endlichen Ressourcen
der fossilen Energie ernstgenommen zu werden und mithalten zu können, will die EU nicht nur eine gemeinsame
Außenpolitik, sondern auch die dazugehörigen militärischen Kapazitäten, auf die sie notfalls
zurückgreifen kann. Das liegt in der Logik der Standortkonkurrenz, die dem globalen Kapitalismus zugrundeliegt. Das
Gerede von humanitären Interventionen und Terrorismusbekämpfung ist dabei ein willkommener Deckmantel, um die
imperialen Absichten hinter der Militarisierung Europas zu verstecken.
Das deutete sich schon beim Einsatz im rohstoffreichen Kongo an. Erstmals unter Leitung des deutschen
Einsatzführungskommandos in Potsdam kam eine Vorläuferin der künftigen EU-Kampftruppen zum Einsatz. Dass
es dabei um mehr als einen humanitären Einsatz ging, daraus machte auch Bundesverteidigungsminister Jung keinen
Hehl. Er sprach davon, dass die rohstoffreiche Region Kongo auch der deutschen Wirtschaft nutze. Andreas Schockenhoff,
ein Fraktionskollege von Jung und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wurde noch deutlicher
und schrieb im Zusammenhang mit dem Militäreinsatz, der Kongo sei "eines der ressourcenreichsten Länder
der Welt" und verfüge vor allem über strategische Rohstoffe, "die für Europa wichtig sind:
Wolfram, Mangan- und Chromerze, Kobalt, Uran, Erdöl, Coltan, Beryllium. Europa und Deutschland haben ein Interesse
daran, dass der Abbau dieser Ressourcen legal und nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt."
Joseph Kabila, der Präsident der Demokratischen
Republik Kongo, gilt als Garant für den Zugang europäischer Unternehmen zu diesen Rohstoffen. Nicht nur im
Kongo wurden Mitte 2006 Stimmen laut, die den EU-Truppen eine einseitige Parteinahme vorwarfen. Vom Schutz demokratischer
Wahlen zu sprechen war ohnehin vermessen. Die größte und im Gegensatz zu Kabilas und Bembas Parteien rein
zivile Oppositionspartei UDPS hatte ihre Kandidatur zurückgezogen, weil sie Unregelmäßigkeiten bei der
Registrierung der Kandidaten kritisierte.
Seit dem 1.Januar, zeitgleich mit der deutschen EU-
Ratspräsidentschaft, sind auch die insgesamt 13 EU-Kampftruppen mit jeweils 1500 Soldaten voll einsatzbereit. Ihre
möglichen Einsätze werden unter anderem im European Defence Paper, der Vorlage für ein Weißbuch zur
EU-Militärpolitik, definiert. "Künftige Regionalkriege", heißt es dort, "könnten
europäische Interessen tangieren ... indem europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden, bspw.
durch die Unterbrechung der Ölversorgung ... einer massiven Erhöhung der Energiekosten, der Störung der
Handels- und Warenströme."
Der bislang noch geltende Vertrag von Nizza verbietet einen eigenständigen EU-Militärhaushalt. Mit der
angestrebten EU-Verfassung könnten die immensen Kosten einer europäisch koordinierten Militärpolitik
leichter geschultert werden. In diese Richtung zielt auch im Teil I der Verfassung Artikel 41 mit dem schon vielfach
zitierten Satz: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu
verbessern."
Dieser Artikel schreibt die militärische
Aufrüstung der EU vor. Verbal hat der Wettlauf um die höchsten Verteidigungsausgaben der einzelnen
Mitgliedstaaten innerhalb der EU auch ohne die in Kraft getretene Verfassung längst begonnen. Angela Merkel
bedauerte in einem Interview mit der Zeit im September 2006, Deutschland liege mit seinen Militärausgaben weit
hinter anderen EU-Mitgliedstaaten. Deshalb könne man nicht sagen, dass die Verteidigungsausgaben in den
nächsten Jahren "sakrosankt sind".
Merkel betonte, Deutschland investiere bisher nur 1,4%
des BIP in die Streitkräfte, im Gegensatz zu Frankreich oder Großbritannien, die 2,5 bzw. 2,3% ihres BIP
aufwenden, damit ihre "Streitkräfte zukunftstüchtig" sind. Man müsse dafür sorgen, dass
"Deutschland nicht abseits steht".
Gerhard Klas
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