SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2007, Seite 17

Es geht ein Frühstück auf Reisen...

Die alltägliche Klimaerwärmung vor dem Essen

Früher gab es zum Frühstück Suppe oder Getreidebrei — das war im Mittelalter. Heute duftet der Kaffee, dazu gibt es Schinken, ein weiches Ei, Orangensaft und Müsli. Das schmeckt! Das muss sich ändern.

Bevor das Frühstück auf dem Tisch landet, hat es Tausende Straßenkilometer hinter sich — trug zu Lärmbelästigung, Abgasausstoß und Klimaerwärmung bei. Guten Morgen, liebe Frühstückskonsumentin, lieber Konsument, herzlichen Glückwunsch zur Feinstaubförderung!
Heute schauen Konsumentin und Konsument zwar auf Ablaufdatum, Kalorienangaben und Genfreiheit, der Transportaufwand aber ist den meisten scheißegal. Pro Kopf der Bevölkerung werden in Deutschland jährlich 50 Tonnen Fracht befördert. Die Grundversorgung, festgelegt von launigen Statistikern fordert 3—5 Tonnen Fracht. Trotz etwa gleich bleibendem Verbrauch — der Lebensmittelverbrauch hat in den letzten 30 Jahren kaum zugenommen — ist das Transportvolumen in diesem Zeitraum um 125% gestiegen. Der Grund ist "just in time" — man spart Lagerkosten, und Lkw-Fahrten sind immer noch billiger als große Lagerhallen samt Inhalt.
An einem durchschnittlichen Wochentag rasen etwa 600000 Lkw mit einem Ladegewicht über 3,5 Tonnen durch unser Land. Ein nicht in der Nähe des Verbrauchers gebackenes Brot verursacht deshalb die 43fache Belastung mit Kohlendioxid.
Da die Österreicher in mancher Beziehung schon immer weiter waren, hat der österreichische Automobilklub ausgerechnet, wie viel Kilometer ein durchschnittliches Sonntagsfrühstück in einem Wiener Haushalt zurücklegt. Dazu hat man die Transportkette vom Supermarkt bis zum Hersteller zurückverfolgt. Das Ergebnis: Stammt das Gesamtfrühstück aus rein österreichischer Produktion, sind es 5100 Kilometer, kommt das Günstigfrühstück aus dem EU-Raum, sind es 7230 Kilometer. Wer dazu noch ein Supermarktbilligmüsli reinschaufelt, kommt glatt auf 10000 Kilometer. In deutschen Landen, wo frisch auf den Tisch wer weiß woher kommt, dürften die Zahlen viel schlimmer ausfallen.
Kaffee legt nach seiner Schiffsreise aus Kolumbien meist noch etwa 1000 Kilometer in Deutschland zurück. Müllermilch, das wissen wir, reist oft 700—800 Kilometer. Der feine spanische Redondoschinken braucht, bis er bei Herrn Stoibers Mauschelfrühstück mit Frau Merkel landet, so um 1500 Kilometer, der Emmentaler hat auch fast 800 Kilometer hinter sich, und die Eier unglücklicher Hühner, die alle Vogelgrippekaserniert waren, sind oder sein werden, reisen ebenfalls Hunderte von Kilometern. Wer dann sein Ei mit Meersalz aus Portugal würzt, der verantwortet zusätzlich 1000 Kilometer. Orangensaftkonzentrat reist 11000 Kilometer mit dem Schiff, dann noch erhebliche Kilometer per Lkw, wobei man auch die Reise der Pappkartons berücksichtigen muss, in die der Saft gefüllt wird. Joghurt im Becher freut sich ebenfalls über manchmal fast 1000 Kilometer Reise, bevor es im Kühlschrank landet.
Die Konsumenten wissen oft nicht, wieviel Kilometer manches Produkt zurücklegt, bevor es im Supermarktregal landet. Honig aus Kanada, das ist nicht nur ein Weltreisehonig, nein das ist eine Klimaerwärmungsköstlichkeit!
Pommes, die man sich zur Currywurst reinzieht — die kommen vom Bauern nebenan? Nein! Die Kartoffeln werden nach Italien gekarrt, dort geschält und gewaschen. In Holland werden sie geschnitten und vorbehandelt, um dann als Pommes Frites den Leibesumfang zu vergrößern.
Die kapitalistische Profitmaximierungsgesellschaft entwickelt unglaubliche Perversionen. Parmaschinken? Bitte, Ferkel aus Belgien werden nach Italien gekarrt. Dort werden sie mit Magermilchpulver aus Hamburg gemästet, das zuvor in Österreich mit Rindertalg angereichert wurde. Geschlachtet, gewürzt und fachgerecht getrocknet wird der Schinken von Parma aus dann in die ganze Welt transportiert. Krabben fängt man in der Nordsee, transportiert sie zum Schälen nach Marokko und verteilt sie von dort auf Europas Fischmärkte.
Ach ja... Argentinische oder südafrikanische Trauben, die sind doch soooo lecker. Kiwis? Na gut, zum Schluss — der Transport von einem Kilogramm Kiwi aus Neuseeland verbraucht 136 Kilowattstunden Energie, damit könnte man 500 Kilo italienische Kiwis transportieren oder sechs Tonnen regionales Obst.
Auf jeder Packung kann man lesen, was für seltsame Zusätze einem Lebensmittel beigemengt wurden — Geschmacksverstärker mag ich besonders gerne —, aber wie weit dieses Produkt bis zum Endverbraucher transportiert wurde, wie viel unnötige Energie vergeudet wurde, das steht nicht auf der Packung. Mit Dosenpfand allein rettet man die Umwelt nicht! Es geht nicht nur um die Frage, ob wir Erdbeeren aus Südafrika brauchen oder Weintrauben aus Chile, es geht auch nicht nur darum, dass wir mehr denn je gesunde Lebensmittel und Produkte fordern, es geht auch darum, dass sie möglichst kurze Transportwege hinter sich haben. Das entlastet die Umwelt und schont den Autobahnbelag.

Dieter Braeg

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang