SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 02

Münchner Sicherheitskonferenz

Die Spannungen wachsen

Ungewohnt offen und öffentlich wurde auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz die aggressive Politik der USA kritisiert.
Seit langem ist die Münchner "Sicherheitskonferenz" das weltweit wichtigste internationale Treffen von Politikern und Militärs zu Themen der "internationalen Sicherheit". Darunter sind vor allem Diskussionen zwischen Europäern und US-Amerikanern über die Strategie der NATO zu verstehen; außerdem ist München ein Tummelplatz von Lobbyisten der Rüstungsindustrie, die die neuesten "Sicherheitslücken" mit dem Verkauf ausgebufftester waffentechnischer Entwicklungen stopfen möchten. Man könnte München das Davos der Militärpolitik nennen.
Seit ein paar Jahren stehen auch die Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie die Themen "Energiesicherheit" und "Kampf gegen den Terrorismus" auf der Tagesordnung. Der informelle Charakter der Konferenz ermöglicht dabei eine offenere Diskussion ohne "leere diplomatische Worthülsen", wie Putin sich ausdrückte.
300 Gäste waren heuer angereist — handverlesen von Tagungsleiter Horst Teltschik, dem früheren Kohl-Berater und Abwickler der DDR. Für die deutsche Seite sprachen Angela Merkel ("Gemeinsame Verantwortung gegenüber globalen Herausforderungen"), Frank-Walter Steinmeier und Franz Josef Jung für die Bundesregierung, Javier Solana sprach für die EU, Jaap de Hoop Scheffer für die NATO. Auf US-amerikanischer Seite kamen der neue Verteidigungsminister Robert Gates sowie die beiden Senatoren John McCain (Republikaner) und Joseph Lieberman (früher Demokrat) zu Wort.
Den größten Rummel gab es jedoch um den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser formulierte eine deutliche Kritik an der Politik der USA und der NATO und warnte vor einer Politik des Unilateralismus. Kritik musste Teltschik wegen der Einladung des Sekretärs des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran, Ali Larijani, einstecken; er hielt einen Vortrag über "Sicherheit im Mittleren Osten". Auf der Konferenz zeigten sich zunehmende Spannungen zwischen den USA und Russland sowie die Versuche der Europäer, eine gewisse Eigenständigkeit ihrer Politik zu behaupten.
Der US-Senator und aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat McCain geißelte in seiner Rede Russland, "das seine Rohstoffe für politische Zwecke instrumentalisiert und die Länder in seiner Nachbarschaft destabilisiert". Man müsse der russischen Führung klar machen, dass sie nicht auf eine Partnerschaft mit dem Westen bauen kann, "solange ihr Handeln im In- und Ausland so grundsätzlich den Kernwerten der euroatlantischen Demokratien widerspricht". Die EU dürfe bei Öl und Gas nicht von Russland abhängig sein.
Er zitierte den EU-Präsidenten José Manuel Barroso, der eine "gemeinsame Energiesicherheitspolitik in Europa" gefordert habe. "Es ist erstaunlich, dass Präsident Barroso daran erinnern musste, dass es diese einheitliche EU-Politik in Energiefragen noch nicht gibt — ebenso wenig wie eine Koordination mit den USA und Kanada."
Sodann lobte er die Erfolge in den "jungen Demokratien" Ukraine und Georgien, die aber durch die andauernden Konflikte in der Schwarzmeerregion gefährdet würden. Und wer trägt die Schuld daran? "Russland hat diese Konflikte mit seinem provokanten und zynischen Verhalten am Leben erhalten."

Putins Worte

Man muss diese Rede und ähnliche Wendungen von Robert Gates im Hinterkopf haben, will man die Putin‘sche Kritik an einer von den USA angestrebten "monopolaren Welt" richtig beurteilen. Putin zitierte US-Präsident Roosevelt: jede Bedrohung des Friedens habe globale Auswirkungen. Der Kalte Krieg habe manchen "Blindgänger" hinterlassen, vor allem "Schablonen des Blockdenkens". Und das Ende der Blockkonfrontation habe nicht zu weniger, sondern zu mehr kriegerischen Konflikten geführt. In den internationalen Beziehungen sei ein zunehmender Einsatz militärischer Gewalt zu beobachten, ohne dass dadurch einer der Konflikte gelöst würde. Die einzige Grundlage für den Einsatz von Gewalt könne die Charta der UNO sein, sie dürfe nicht durch einseitige Entscheidungen der NATO oder der EU ersetzt werden.
Putin kritisierte auch die Ostausdehnung der NATO und insbesondere eine mögliche Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine als eine das gegenseitige Vertrauen schmälernde "ernsthafte Provokation". Besonders wandte er sich gegen die Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen in Polen und Tschechien im Rahmen des Aufbaus eines Raketenabwehrsystems, das zu einem neuen Rüstungswettlauf führen könne.
Putins Rede enthüllte einerseits das gewachsene wirtschaftliche Gewicht Russlands als wichtiger Energielieferant Europas, andererseits aber die zunehmende Besorgnis Russlands über die unverhohlene Einkreisungspolitik der NATO.

Demokratie ist was Tragisches

Obwohl eigentlich eine private Konferenz, sorgen jedes Jahr fast 4000 Polizisten plus 310 Soldaten für die Sicherheit der Veranstaltung im Hotel Bayerischer Hof. Das Verteidigungsministerium gibt 323000 Euro dazu, die Sachleistungen kosten die Steuerzahler nochmals über eine halbe Million.
Als Organisationen der Friedensbewegung im Vorfeld des Irakkriegs 2002 erstmals zu einer Großdemonstration aufriefen, erließ man wegen angeblich zu erwartender Gewalttätigkeiten (der Irakkrieg ist ja ein Friedensmarsch!) ein Verbot, das von den Gerichten jedoch nicht akzeptiert wurde. Wes Geistes Kind der Organisator Teltschik ist, zeigte sich in seinem Kommentar, es sei "die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf ... In Diktaturen würde so etwas nicht passieren."
Offensichtlich fühlten sich die Herren von den etwa 7000 Demonstrierenden (fast doppelt so viele wie im letzten Jahr) aus der Friedensbewegung, den Gewerkschaften und der Linken gestört. Obwohl die Demonstration friedlich verlief, kam es verschiedentlich zu Übergriffen der Polizei, die Seitentransparente wegriss oder Teilnehmende wegen angeblicher Flaschenwürfe oder Beleidigungen verhaftete. Offenbar brauchte man dringend eine Rechtfertigung für die massive Polizeipräsenz.
Paul Kleiser
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