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Ungewohnt offen und öffentlich wurde auf der diesjährigen
Münchener Sicherheitskonferenz die aggressive Politik der USA kritisiert.
Seit langem ist die Münchner
"Sicherheitskonferenz" das weltweit wichtigste internationale Treffen von Politikern und
Militärs zu Themen der "internationalen Sicherheit". Darunter sind vor allem Diskussionen
zwischen Europäern und US-Amerikanern über die Strategie der NATO zu verstehen; außerdem ist
München ein Tummelplatz von Lobbyisten der Rüstungsindustrie, die die neuesten
"Sicherheitslücken" mit dem Verkauf ausgebufftester waffentechnischer Entwicklungen stopfen
möchten. Man könnte München das Davos der Militärpolitik nennen.
Seit ein paar Jahren stehen auch die
Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie die Themen "Energiesicherheit" und
"Kampf gegen den Terrorismus" auf der Tagesordnung. Der informelle Charakter der Konferenz
ermöglicht dabei eine offenere Diskussion ohne "leere diplomatische Worthülsen", wie
Putin sich ausdrückte.
300 Gäste waren heuer angereist
handverlesen von Tagungsleiter Horst Teltschik, dem früheren Kohl-Berater und Abwickler der DDR.
Für die deutsche Seite sprachen Angela Merkel ("Gemeinsame Verantwortung gegenüber globalen
Herausforderungen"), Frank-Walter Steinmeier und Franz Josef Jung für die Bundesregierung, Javier
Solana sprach für die EU, Jaap de Hoop Scheffer für die NATO. Auf US-amerikanischer Seite kamen
der neue Verteidigungsminister Robert Gates sowie die beiden Senatoren John McCain (Republikaner) und
Joseph Lieberman (früher Demokrat) zu Wort.
Den größten Rummel gab es jedoch
um den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser formulierte eine deutliche Kritik an der Politik
der USA und der NATO und warnte vor einer Politik des Unilateralismus. Kritik musste Teltschik wegen der
Einladung des Sekretärs des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran, Ali Larijani, einstecken; er
hielt einen Vortrag über "Sicherheit im Mittleren Osten". Auf der Konferenz zeigten sich
zunehmende Spannungen zwischen den USA und Russland sowie die Versuche der Europäer, eine gewisse
Eigenständigkeit ihrer Politik zu behaupten.
Der US-Senator und aussichtsreiche
Präsidentschaftskandidat McCain geißelte in seiner Rede Russland, "das seine Rohstoffe
für politische Zwecke instrumentalisiert und die Länder in seiner Nachbarschaft
destabilisiert". Man müsse der russischen Führung klar machen, dass sie nicht auf eine
Partnerschaft mit dem Westen bauen kann, "solange ihr Handeln im In- und Ausland so grundsätzlich
den Kernwerten der euroatlantischen Demokratien widerspricht". Die EU dürfe bei Öl und Gas
nicht von Russland abhängig sein.
Er zitierte den EU-Präsidenten
José Manuel Barroso, der eine "gemeinsame Energiesicherheitspolitik in Europa" gefordert
habe. "Es ist erstaunlich, dass Präsident Barroso daran erinnern musste, dass es diese
einheitliche EU-Politik in Energiefragen noch nicht gibt ebenso wenig wie eine Koordination mit den
USA und Kanada."
Sodann lobte er die Erfolge in den
"jungen Demokratien" Ukraine und Georgien, die aber durch die andauernden Konflikte in der
Schwarzmeerregion gefährdet würden. Und wer trägt die Schuld daran? "Russland hat diese
Konflikte mit seinem provokanten und zynischen Verhalten am Leben erhalten."
Man muss diese Rede und ähnliche Wendungen von Robert Gates im Hinterkopf haben, will man die
Putinsche Kritik an einer von den USA angestrebten "monopolaren Welt" richtig beurteilen.
Putin zitierte US-Präsident Roosevelt: jede Bedrohung des Friedens habe globale Auswirkungen. Der
Kalte Krieg habe manchen "Blindgänger" hinterlassen, vor allem "Schablonen des
Blockdenkens". Und das Ende der Blockkonfrontation habe nicht zu weniger, sondern zu mehr
kriegerischen Konflikten geführt. In den internationalen Beziehungen sei ein zunehmender Einsatz
militärischer Gewalt zu beobachten, ohne dass dadurch einer der Konflikte gelöst würde. Die
einzige Grundlage für den Einsatz von Gewalt könne die Charta der UNO sein, sie dürfe nicht
durch einseitige Entscheidungen der NATO oder der EU ersetzt werden.
Putin kritisierte auch die Ostausdehnung
der NATO und insbesondere eine mögliche Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine als eine das
gegenseitige Vertrauen schmälernde "ernsthafte Provokation". Besonders wandte er sich gegen
die Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen in Polen und Tschechien im Rahmen des Aufbaus eines
Raketenabwehrsystems, das zu einem neuen Rüstungswettlauf führen könne.
Putins Rede enthüllte einerseits das
gewachsene wirtschaftliche Gewicht Russlands als wichtiger Energielieferant Europas, andererseits aber die
zunehmende Besorgnis Russlands über die unverhohlene Einkreisungspolitik der NATO.
Obwohl eigentlich eine private Konferenz, sorgen jedes Jahr fast 4000 Polizisten plus 310 Soldaten
für die Sicherheit der Veranstaltung im Hotel Bayerischer Hof. Das Verteidigungsministerium gibt
323000 Euro dazu, die Sachleistungen kosten die Steuerzahler nochmals über eine halbe Million.
Als Organisationen der Friedensbewegung im
Vorfeld des Irakkriegs 2002 erstmals zu einer Großdemonstration aufriefen, erließ man wegen
angeblich zu erwartender Gewalttätigkeiten (der Irakkrieg ist ja ein Friedensmarsch!) ein Verbot, das
von den Gerichten jedoch nicht akzeptiert wurde. Wes Geistes Kind der Organisator Teltschik ist, zeigte
sich in seinem Kommentar, es sei "die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung
öffentlich vertreten darf ... In Diktaturen würde so etwas nicht passieren."
Offensichtlich fühlten sich die Herren
von den etwa 7000 Demonstrierenden (fast doppelt so viele wie im letzten Jahr) aus der Friedensbewegung,
den Gewerkschaften und der Linken gestört. Obwohl die Demonstration friedlich verlief, kam es
verschiedentlich zu Übergriffen der Polizei, die Seitentransparente wegriss oder Teilnehmende wegen
angeblicher Flaschenwürfe oder Beleidigungen verhaftete. Offenbar brauchte man dringend eine
Rechtfertigung für die massive Polizeipräsenz.
Paul Kleiser
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