SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 03

Es darf ein bisschen mehr sein...

Anmerkungen zum Internationalen Frauentag

Der Blumenhandel bemüht sich seit Jahren, den 8.März als Blumenverschenktag zu etablieren. Autohändler richten sich gezielt an Käuferinnen und bieten um den 8.März spezielle Verkaufstage mit Sonderberatung und Rabatten für Frauen an. Professionelle Tanzveranstalter bieten Frauendiscos an.
Die fortschreitende Entpolitisierung des Internationalen Frauentags zeigt sich jedoch nicht nur an der zunehmenden Kommerzialisierung, sondern auch an der Art und Weise und an den Inhalten, mit denen Frauenbeauftragte, politische Gruppierungen und Gewerkschaften den 8.März gestalten. Bei Frauenbeauftragten sind die sogenannten "Frauenempfänge" für "Funktionsträgerinnen" beliebt, bei denen sich die eingeladenen Stadträtinnen aller Parteien mit Sekt zuprosten und sich zu ihrer geleisteten Arbeit "für die Frauen" gratulieren. In Gewerkschaftskreisen erfreuen sich die sog. Frauenfrühstücke mit musikalischer Begleitung und einem Redebeitrag zum Oberthema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" großer Beliebtheit. Organisationen wie die MLPD, die mit 30 Jahren Verspätung die Frauenfrage für sich entdeckt hat und die autonome Frauenbewegung immer noch uneingeschränkt als kleinbürgerlich diffamiert, erhebt "Frausein allein" wieder zum Programm und überholt im frauenpolitischen Rückwärtsgang selbst die Sozialdemokratie. Mit der eigentlichen politischen und organisatorischen Zielsetzung des Internationalen Frauentags hat all dies wenig zu tun.

Weder Traditionstag noch Feiertag

Es wird sich von selbst nichts ändern! In diesem Bewusstsein, verbunden mit einer klaren Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen, riefen die Teilnehmerinnen der II.Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen den Internationalen Frauentag ins Leben. In den Jahren zuvor hatten Tausende Tabak- und Textilarbeiterinnen in den USA monatelang für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten gestreikt. Viele wurden verhaftet und kamen ins Gefängnis. Während dieser Frauenstreiks entstand die Idee eines gemeinsamen jährlichen Kampftags gegen die besondere Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und zur Durchsetzung von Frauenforderungen. Dies wurde in einem engen Zusammenhang mit den Kämpfen um gesamtgesellschaftliche Veränderung und für eine sozialistische Perspektive gesehen.
Am 8.März 1911 organisierten Frauen in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den USA den ersten Internationalen Frauentag. An den Versammlungen und Demonstrationen beteiligten sich Millionen von Frauen. Allein in der Umgebung von Berlin fanden damals 42 Veranstaltungen mit rund 45000 Teilnehmerinnen statt.
Der Internationale Frauentag steht politisch in der Tradition einer Verbindung der Kämpfe für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg mit der Frauenfrage. Die Befreiung der Frau — nicht Gleichheit in der Ungleichheit — war für die Gründerinnen des Internationalen Frauentags das Ziel.
In der DDR entwickelte sich der 8.März von einem Kampftag zu einem Ehrentag für Frauen, mit roten Nelken und Ansprachen, in denen die Leistungen der Frauen für die Entwicklung der DDR hervorgehoben wurden. Die auch in der DDR bestehende Doppelbelastung der Frauen und die fehlende Teilung der Reproduktionsarbeit zwischen den Geschlechtern wurde kaum thematisiert.
In der BRD entdeckte die Frauenbewegung in den 70er Jahren den Internationalen Frauentag neu und machte ihn zu einem Bezugspunkt ihrer Aktivitäten. Insbesondere die Mobilisierungen gegen den §218 und die öffentliche Thematisierung von alltäglicher Gewalt gegen Frauen brachten viele Frauen auf die Straße und vermittelten den Frauen das Gefühl, dass es sich lohnt, sich zu organisieren und für die eigenen Interessen zu kämpfen. Auch damals konnte man nicht wirklich vom Internationalen Frauentag als einem Kampftag in der BRD sprechen, aber von einem bundesweit wahrnehmbaren Aktionstag, der zunehmend auch die gewerkschaftlich organisierten Frauen einschloss und die Forderungen auf den Bereich der Frauenerwerbsarbeit ausweitete.
Die Wiedervereinigung Deutschlands markierte nicht nur eine ideologische Wende im Hinblick auf die Durchsetzung nationalistischer und neoliberaler Vorstellungen in großen Teilen der Gesellschaft, sondern auch hinsichtlich familienpolitischer Ansätze. Die politische und ökonomische Entwicklung in der Folgezeit, der systematische neoliberale Umbauprozess in allen gesellschaftlichen Bereichen, wurde zu einer offenen Kampfansage an die Frauen — nicht nur in Deutschland.
Wenn die Triebfeder politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen die Profitmaximierung und nicht das Wohl der Menschen ist, gehören Frauen zu den ersten Opfern dieser Politik. Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme und immer neue Formen, den Preis der Ware Arbeitskraft weltweit zu senken und die Arbeitszeit zu erhöhen, nimmt insbesondere Frauen die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben und treibt sie in neue Abhängigkeiten.
Zu den brutalsten Formen der Ausbeutung von Frauen gehören Prostitution und Menschenhandel. Der Frauenhandel hat sich zu einem lukrativen und risikoarmen Wirtschaftszweig rund um den Globus entwickelt. Die BRD ist seit Jahren eine der bedeutendsten Drehscheiben des Frauenhandels. Weltweit sind darüber hinaus in Kriegs- und Konfliktgebieten vor allem Frauen in Gefahr, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Unter dem Vorwand, man verteidige Fraueninteressen, werden Kriege wie in Afghanistan gerechtfertigt. Gleichzeitig wird Frauen, die von dort geflohen sind, die Anerkennung als Flüchtling verweigert mit der Begründung, hätten sie sich an die "landesüblichen Sitten" angepasst, wären sie nicht verfolgt worden.
Fundamentalisten aller Couleur bedrohen heute erkämpfte Frauenrechte. Ob in den USA, Polen, Italien oder der BRD, überall versuchen christliche Konservative die erkämpften Rechte der Frauen (z. B. das Recht, über die Austragung einer Schwangerschaft selbst zu entscheiden) einzuschränken bzw. ganz auszuhebeln. Radikale Islamisten versuchen, Frauen unter den Schleier zu zwingen und sie aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.
Frauenrechte verkommen zunehmend zur Verhandlungsmasse, werden nach Belieben instrumentalisiert, ihre Berechtigung in Frage gestellt. Deutschland hat in Sachen Gleichberechtigung und Frauenemanzipation längst wieder der Rückwärtsgang eingelegt. Auf Frauen wird Druck ausgeübt, dass sie endlich ihrer patriotischen Pflicht genügen und mehr Kinder bekommen; berufstätige kinderlose Frauen werden in der Pflegeversicherung diskriminiert; das Ehrenamt gilt als Alternative zu einer die Existenz sichernden Berufstätigkeit. Wahrlich tolle Aussichten!
Eines wird dabei deutlich: Der Kampf um die Sicherung und den Ausbau von Frauenrechten ist vom Kampf für soziale und politische Rechte, für Frieden und Gerechtigkeit nicht zu trennen. Die zweite Schlussfolgerung: Der Kampf muss tatsächlich international und in einem internationalistischen Sinne geführt werden. Der Internationale Frauentag erhält dadurch eine besondere aktuelle Bedeutung.

Dreifache Bedeutung

Der Internationale Frauentag hat seit seiner Entstehung weltweit Bedeutung erhalten. Frauen auf der ganzen Welt tragen an diesem Tag ihre Forderungen auf die Straße.
Gleichzeitig ist dieser Tag auch ein Tag der Solidarität mit den Frauenkämpfen weltweit. Sich für die Rechte der Frauen einzusetzen, sich nicht dem Diktat von Fundamentalisten aller Art zu beugen, menschliche Arbeitsbedingungen und existenzsichernden Lohn einzufordern, Rassismus und Ausbeutung in allen seinen Varianten zu bekämpfen, ist für Frauen in vielen Ländern zu einer lebensbedrohlichen Einstellung geworden. Unsere Solidarität gehört am Internationalen Frauentag all den vielen mutigen Frauen, die sich trotz Repression und oft auch Todesdrohungen nicht einschüchtern lassen.
Frauenrechte sind unteilbar. Sie dürfen nicht mit dem Hinweis auf "kulturelle Eigenheiten" oder vermeintlich vorrangige gesellschaftliche Ziele zurückgestellt werden. Auch darf es für Frauenrechte kein Zwei-Klassen- Recht geben — zwischen Arm und Reich, zwischen reichen Industrienationen und dem Rest der Welt. Weder Bescheidenheit noch Zuordnung als Nebenwiderspruch sind angesagt. Gleiche Rechte für alle Frauen weltweit, bei offenen Grenzen hinsichtlich staatlicher Barrieren wie hinsichtlich unserer Lebensgestaltung, ist die Minimalgrundlage einer frauenpolitischen Orientierung, die für sich ein internationalistisches Verständnis in Anspruch nimmt.
Um frauenpolitisch wieder offensiv zu werden, ist es erforderlich zu einer neuen Organisierung von Frauen auf antikapitalistischer und internationalistischer Grundlage zu kommen. Gegen Patriarchat und Kapital — beides gehört zusammen. Dies war immer ein Selbstverständnis linker feministischer Politik, welches wir uns heute erneut kollektiv zu eigen machen sollten. In diesem Sinne: Lasst uns den Internationalen Frauentag wieder zum Kampftag machen!

Brigitte Kiechle

Dieser Beitrag ist Ergebnis der Diskussion im "Frauenbündnis zum 8.März Karlsruhe".





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