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Nun kann es wirklich jeder wissen: Der Klimawandel hat begonnen und er ist
ohne jeden ernstzunehmenden Zweifel auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen.
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für
Fragen des Klimawandels (IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change) hat am 2.Februar einen
Bericht über Beobachtungen, Modellierung und Projektion des Klimawandels vorgelegt, der an
Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt: Die Treibhausgase, allen voran das durch die
Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Erdgas) und durch Entwaldung freigesetzte
Kohlendioxid (CO2), werden in den nächsten Jahrzehnten das Klima in für die menschliche
Zivilisation äußerst gefährlicher Weise verändern.
Einzelheiten über die erwarteten Folgen werden Anfang Mai in einem weiteren Bericht
veröffentlicht. Aber schon jetzt ist klar, dass die globalen Veränderungen nur dann im Rahmen
gehalten werden können, wenn innerhalb der nächsten 15 Jahre massiv umgesteuert wird. Die Formel
heißt: Energiesparen wo möglich, Effizienz der Geräte und Maschinen drastisch steigern sowie
massiver Ausbau der erneuerbaren Energiequellen Wind, Fotovoltaik, Solarthermie, Geothermie und mit
großer Vorsicht zu genießen! einige Formen nachwachsender Rohstoffe.
Ein großer Teil der Medienlandschaft
vermittelte in den letzten Wochen der Öffentlichkeit einen Eindruck von der Dringlichkeit des
Problems, das man seit fast zwei Jahrzehnten kennt und dennoch weitgehend verschlafen hat. Nur die
herrschenden Eliten aus Politik und Wirtschaft demonstrieren einmal mehr, dass sie weder in der Lage noch
willens sind, essenzielle Zukunftsfragen zu lösen.
Während die großen Parteien
versuchen, das Publikum mit allerlei Theater auf Nebenkriegsschauplätzen wie der Kfz-Steuer bei Laune
zu halten, tun Autoindustrie, Energiekonzerne und der Bund deutscher Industrieller (BDI) einfach so, als
sei nichts gewesen. Natürlich will man auch weiter Spritschleudern verkaufen und verwahrt sich gegen
niedrigere Abgasnormen, natürlich will man auch weiter Kohlekraftwerke mit einem maximalen
Wirkungsgrad von 50% bauen und selbst der gilt nur bei modernsten Anlagen, die meisten nutzen den
Brennstoff noch schlechter aus. Und natürlich ist der Gewinn deutscher Konzerne allemal ein
höheres Gut als das Leben und Glück von Milliarden Menschen. Nach uns die Sintflut.
Nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland werden die nächsten ein bis maximal zwei Dekaden
entscheidend sein. Hierzulande müssen die Treibhausgasemissionen um 8090% reduziert werden, bis
sie ein Niveau erreichen, auf dem ihre Konzentration in der Atmosphäre stabilisiert werden kann.
Ein Sektor, auf dem wesentlich Einschnitte
nötig sind, ist daher die Stromproduktion. Im Augenblick leistet sich dieses Land noch den
unglaublichen Luxus, auf vielen Quadratkilometern im Rheinland und in der Lausitz die Landschaft
umzupflügen, um einen Energieträger zu gewinnen, der nicht viel mehr Brennwert als Stroh besitzt:
die Braunkohle. Von allen fossilen Brennstoffen ist sie derjenige mit dem höchsten spezifischen CO2-
Ausstoß. Trotzdem hat RWE erst im August letzten Jahres mit dem Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks
in Neurath (NRW) begonnen. 2,2 Milliarden Euro sollen dort investiert werden. Zum Spatenstich reiste die
Bundeskanzlerin an.
Das Beispiel Neurath ist symptomatisch. In
den nächsten Jahren stehen in Deutschland (wie auch in vielen anderen Industriestaaten) Investitionen
in Höhe vieler Dutzend Milliarden Euro in der Strombranche an. Viele der alten Kraftwerke sind in die
Jahre gekommen und müssen ersetzt werden. Allein RWE hat ein Investitionsprogramm von bis zu 25
Milliarden Euro angekündigt. Bisher sind die Stromkonzerne wild entschlossen, einfach neue Braun- und
Steinkohlekraftwerke letztere befeuert mit Importkohle zu bauen. Die würden weitere 30
bis 40 Jahre CO2 in die Luft pumpen und Kapital binden, das wesentlich besser in Energiesparmaßnahmen
und Strom aus erneuerbaren Energien eingesetzt wäre.
Zwar geht inzwischen das Schlagwort von der
"sauberen Kohle" um, aber die Technologie, mit der Kohlendioxid aus Kraftwerkabgasen im
großem Maßstab abgetrennt und in der Erde dauerhaft gespeichert werden kann, wird nicht vor 2020
ausgereift sein wenn sie denn überhaupt funktioniert. Dieses Datum heißt natürlich
nicht, dass die Technik dann auch sofort flächendeckend eingesetzt werden kann. Die heute gebauten
Kraftwerke werden auf jeden Fall kaum viel früher als 2030 nachgerüstet werden, wenn
überhaupt.
Die Zukunft der Stromversorgung, die
Verhinderung möglichst vieler neuer Kohlekraftwerke und der zügige Umbau der Verteilernetze,
damit sie den Erfordernissen der dezentralen Energieversorgung mit Windanlagen, Fotovoltaik und
Blockheizkraftwerken gerecht werden, wird daher in den nächsten Jahren hierzulande ein wesentliches
Feld im Kampf um eine Klimapolitik sein, die Schlimmeres verhindert. Die Verteidigung der noch bestehenden
öffentlichen Stadtwerke und eine Rekommunalisierung der bereits privatisierten Stadtwerke wäre
eine wichtige Voraussetzung, um die zerstörerische Macht der Stromkonzerne einzudämmen.
Die Interessen der Klimaschützer
treffen sich also an einem wichtigen Punkt mit denen der Beschäftigten, die Land auf, Land ab in den
privatisierten oder von Privatisierung bedrohten Betrieben um ihre Arbeitsplätze bangen. Deshalb
sollte man meinen, dass die Gewerkschaften sich nicht gegen Klimaschutz sperren. (Mal davon abgesehen, dass
sich Wind und Sonne in den letzten Jahren zu einem enormen Export- und Jobmotor entwickelt haben.)
Von der IG BCE, dieser gelben
Pseudogewerkschaft, die jederzeit bereit ist, für Atomkraft, Kohleverstromung, Tagebau, Chlorchemie
und was sonst der industrielle Kapitalismus (und sein östlicher Halbbruder) an
Monströsitäten hervorgebracht hat, auf die Straße zu gehen, sind derlei Einsichten
vielleicht ein bisschen zu viel erwartet. Aber von Ver.di., Mitglied bei Attac, Partner der
Globalisierungskritiker, Unterstützer nationaler und internationaler Sozialforen, sollte man doch
annehmen, dass die Zusammenhänge nicht ganz unbekannt sind.
Bleibt zu hoffen, dass die Sache auf dem
Ver.di-Gewerkschaftstag im Herbst ein Nachspiel haben wird. Denn besonders auf Ver.di kann für eine
erfolgreiche Energiewende eigentlich nicht verzichtet werden.
Wolfgang Pomrehn
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