SoZ - Sozialistische Zeitung |
Mit zwölf Jahren wurde ich mit der ersten Emma-Ausgabe konfrontiert,
grau und unscheinbar lag sie bei uns auf dem Küchentisch. Immerhin, es gab eine Mädchenseite, wo
es nicht um Mode, Popstars und Jungs ging, sondern einen Fußball zu gewinnen gab. Ich persönlich
fand Fußball leider damals schon völlig uninteressant, aber wer weiß, vielleicht wurde in
den Köpfen anderer Mädchen ja die Saat für die Fußballweltmeisterinnenschaft von 2003
gelegt.
In unserer Studenten-WG in den späten
80ern wurde Emma regelmäßig gelesen. Emma forderte lautstark und mit der nötigen Penetranz
die Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Sexismus: Missbrauch von Kindern,
Genitalverstümmelung, Porno, geringerer Lohn für gleiche Arbeit und und und. Hierin lag m.E. die
ursprüngliche Stärke von Emma: die kleineren und größeren Alltagsdiskriminierungen zu
sammeln und zu bündeln, Texte und Bilder, die frau bei Bedarf männlichen Freunden und Feinden um
die Ohren hauen konnte.
Ein Unbehagen schlich sich aber schon
damals ein. Für Emma schien der Sexismus das grundlegende gesellschaftliche Unterdrückungsmoment
zu sein. Wenn Frauen die Hälfte vom Kuchen erobern, ist dann die Welt in Ordnung? Reicht es, die
Gleichberechtigung von Frauen im Rahmen des bestehenden Gesellschaftssystems anzustreben?
Gemäß dieser Logik widmete Emma
systemimmanent erfolgreichen Frauen wie der erzkonservativen britischen Regierungschefin Margaret Thatcher
unkritische Artikel oder hielt die Forderung "Frauen in die Bundeswehr" für einen Beitrag
zur Gleichberechtigung.
Unsere Vorstellungen von Feminismus sahen
anders aus. Die Abschaffung jeglicher Form von Ausbeutung und Unterdrückung war für uns
selbstverständlicher Bestandteil einer feministischen Utopie. Und dazu gehörte für uns
ebenso die Auseinandersetzung mit Kapitalismus, Rassismus und imperialistischer Kriegführung.
1987/88 nahm dieses Unbehagen konkrete
Formen an. Anlass war die Verhaftung der ehemaligen Emma-Journalistin und Schriftstellerin Ingrid Strobl
unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Anklage gegen sie basierte
auf ihrer Identifizierung als Käuferin eines Weckers, der später als Zündvorrichtung bei
einem Bombenanschlag der Revolutionären Zellen verwendet worden war. Nach ihrer eigenen Aussage hatte
Ingrid Strobl den Wecker auf Bitten eines Bekannten gekauft, weigerte sich aber, diesen Bekannten
gegenüber der Staatsanwaltschaft zu denunzieren. Ein Großteil der feministischen Linken
erklärte sich mit Strobl solidarisch und unterstützte sie in ihrer Weigerung, eine andere Person
der Repressionsmühle auszuliefern, durch die sie gerade selber gedreht wurde. Doch ausgerechnet Emma
fiel ihr in den Rücken. Emma-Redakteurinnen machten Aussagen vor Gericht, im Blatt wurde Ingrid Strobl
der staunenden Öffentlichkeit als dummes Naivchen vorgeführt, die einem dämonisch
aufgeblasenen "Mister X" hörig sei. Sah so feministische Solidarität aus?
Möglicherweise war dies aber auch eine
verspätete Abrechnung mit einer Journalistin, die sich nicht Alice Schwarzers
Alleinvertretungsanspruch des bundesdeutschen Feminismus innerhalb und außerhalb von Emma fügen
wollte. In den 90er Jahren kursierten immer mehr Geschichten über den autokratischen Führungston,
mit dem Alice Schwarzer "ihre" Zeitschrift im Griff hatte, Kritikerinnen mundtot machte und vor
die Tür setzte.
Etwa zur gleichen Zeit
"entdeckte" Emma den islamischen Fundamentalismus, der sich seitdem als eines der immer
wiederkehrenden Hauptthemen durchs Blatt zieht. (Die Existenz anderer fanatischer religiöser
Strömungen hat Emma dezent ignoriert.) Leider handelt es sich dabei weniger um eine echte
Auseinandersetzung mit dem islamischen Fundamentalismus, seinen Ursachen und Hintergründen, sondern um
eine ständige Wiederholung und Aneinanderreihung rassistischer Stereotypen. Emma macht sich zum
Sprachrohr der vermeintlich hilf- und wehrlosen Frauen aus islamischen Ländern, ohne zu fragen, ob
dies überhaupt erwünscht ist, anstatt nichtdeutschen Frauen eine Plattform für ihren eigenen
unzensierten Blick auf die Problematik zu bieten. Migrantinnen und Frauen aus islamischen Ländern
taugen für Emma nur in der Opferrolle. Emma steht hier für eine eurozentristische Sichtweise, die
sich in nichts von der der männlich dominierten Massenmedien unterscheidet.
Und heute? Der "Feminismus" von
Emma (oder sollte ich direkt schreiben: der von Alice Schwarzer?) ist salonfähig geworden. Der Teil
der Frauenbewegung, der sich von Emma repräsentieren lässt, ist am Tisch der Macht angekommen.
Frau Schwarzer tummelt sich in den Medien und Talkshows und sammelt zum 30.Geburtstag Gratulationen von
Personen wie Angela Merkel und Roland Koch.
Da stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir
diese Art von Feminismus heute noch? Wenn Emma von etablierten Politikern gelobt und gefeiert wird, ist
dann der Sexismus inzwischen abgeschafft worden, und ich habe irgendwas nicht mitbekommen?
Obwohl ich inzwischen das ideale Emma-
Zielpublikum darstelle als mittelalte, mittelmäßig erfolgreiche Mittelstandsfrau ,
scheint mir diese Zeitschrift inzwischen älter und spießiger als ich selber.
So oder so, Emma hat sich
überflüssig gemacht. 30 Jahre sind genug.
Katja Kleinert
www.nrhz.de
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