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In der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück wird derzeit eine Ausstellung
über Zwangsprostitution im Nationalsozialismus gezeigt. Die Autorin war mit den historischen
Recherchen zu den KZ-Bordellen und zum Schicksal der Sex-Zwangsarbeiterinnen beauftragt.
Häftlingsbordelle sind ein in der Geschichte der Konzentrationslager bislang wenig beachtetes
Phänomen. Die weiblichen Häftlinge, die Sex-Zwangsarbeit leisten mussten, schwiegen nach 1945
ebenso über ihre Erfahrungen wie die Bordellnutzer männliche deutsche Häftlinge,
denen die SS den Bordellbesuch im Rahmen eines Prämiensystems ermöglichte.
Im Jahr 2005 war die Sex-Zwangsarbeit in
Konzentrationslagern erstmals Thema einer Ausstellung, die unter Leitung der Historikerin Carola Sachse von
der Wiener Studentengruppe Die Aussteller erarbeitet wurde. Die Gedenkstätte Ravensbrück hat nun
diese Ausstellung übernommen und sie in Kooperation mit einer Projektgruppe des Instituts für
Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin um zahlreiche Dokumente, Themenmappen und
Hörstationen erweitert. Sie wird bis Oktober gezeigt und ist anschließend in der KZ-
Gedenkstätte Neuengamme zu sehen.
In den Lagern fungierte die SS als Zuhälter. Der NS-Staat als Bordellbetreiber förderte unter
Ausübung von Zwang Prostitution. Sexualität (und damit auch Prostitution) war im
Nationalsozialismus im Kontext der "rassischen Generalprävention" zu einem hoch
ideologisierten Lebensbereich geworden, der nahezu umfassend reguliert und reglementiert war.
Im Rahmen der Planungen für einen
umfangreicheren Einsatz von KZ-Gefangenen in der Rüstungsindustrie, trat im Juni 1942 der Vertreter
der IG Farben mit dem Vorschlag an die SS-Führung heran, einen "Leistungsanreiz" zur
Effektivierung der Arbeitsleistungen von KZ-Häftlingen zu schaffen: Akkordprämien,
Verpflegungszulagen, Bordellbesuche und Aussicht auf Entlassung. Oswald Pohl, seit 1942 Leiter der
Amtsgruppe D des neu konstituierten SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, der zentralen Verwaltung der
Konzentrationslager in Oranienburg, erließ im Frühjahr 1943 eine "Dienstvorschrift",
gültig ab 15.Mai 1943, die u.a. Bordellbesuche für "reichsdeutsche" oder zumindest
"arische Häftlinge" gewährte.
Im quasi rechtsfreien System der
Konzentrationslager konnte die SS dem Wunsch der Rüstungsmanager entgegen kommen, durch die
Einrichtung von Lagerbordellen einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsmoral der Häftlinge zu
leisten. Die, wenn auch geringen, Quellenüberlieferungen und die wenigen Interviewaussagen von Frauen,
die in KZ-Bordellen arbeiten mussten, lassen vor dem Hintergrund der quasi militärischen Organisation
der Konzentrationslager deutlich werden, dass wie in der Wehrmacht von der Errichtung
über die Einrichtung, den Zugang und den Ablauf der Bordellbesuche alles registriert und verwaltet
wurde.
Frauen, vorwiegend aus dem
Konzentrationslager Ravensbrück, die als "kriminell" oder "asozial" eingestuft
wurden, aber auch Polinnen wurden zur Bordellarbeit ausgesucht und dazu gezwungen, bzw. mit Versprechungen
auf bessere Verpflegung oder Freilassung erpresst. Die in Aussicht gestellte Entlassung nach Ende des
Einsatzes in einem KZ-Bordell wie sie von angeklagten Ärzten vor Gericht zu ihrer Entlastung
wiederholt hervorgehoben wurde ist weder in den Akten noch in schriftlichen Erinnerungen oder in
Aussagen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen belegt.
Vermutlich hoffte die SS-Führung auch,
mit den Bordellbesuchen einer gefürchteten Verbreitung der Homosexualität begegnen zu
können, aber auch die nicht gewünschte gegenseitige Hilfe unter den Häftlingen zu
hintertreiben.
In Anbetracht der Zwangssituation im Lager
können sich die Frauen schwerlich "freiwillig" gemeldet haben, wie SS-Leute und
männliche Häftlinge nach 1945 häufig behaupteten. Auch wenn sie in der Hoffnung auf eine
Besserung ihrer Situation lebten, waren sie im Bordell faktisch isolierter, nicht nur entrechtet, sondern
täglich neu entwürdigt, zumal sie das Gebäude nicht verlassen durften.
Die meisten "Sonderbauten", wie die Bordellbauten im SS-Jargon hießen, wurden nach
Kriegsende abgerissen und damit die Orte des Geschehens wie eine dingliche Realisierung des Tabus
unkenntlich gemacht. In den ersten nach 1945 von Überlebenden verfassten Erinnerungen und
Abhandlungen wurde die Existenz von Lagerbordellen noch offen als Teil des KZ-Systems benannt. Sie waren
davon geprägt, alle Erfahrungen und Beobachtungen zu dokumentieren, um das ganze Ausmaß der
Verfolgung, Erniedrigung und Vernichtung zu dokumentieren. Besonders bei der juristischen Aufarbeitung und
bei den Anträgen auf Anerkennung als Verfolgte wurden die Frauen jedoch extrem herabgewürdigt.
Es war die Entsexualisierung der Ehefrau
und Mutter und die damit verbundene allgemeine gesellschaftliche Ächtung von Prostitution, nicht
zuletzt aber auch die in der Adenauer-Ära dominierende Reduzierung der Frauen auf die Familienarbeit,
die verstärkt dazu beitrugen, die Erfahrungen der Frauen zu tabuisieren. Den betroffenen Frauen wurde
damit die Chance zu einer Verarbeitung verunmöglicht, in der Isolierung mit ihren Erfahrungen wurden
sie alleine gelassen, sodass wir von einer Fortdauer ihrer Verfolgung bis in den Tod sprechen müssen.
Die Ausstellung eröffnet eine Reihe
unterschiedlicher Perspektiven auf das Thema und verweist auf Lesetischen auch auf die Bordelle der
Wehrmacht, der SS und in Zwangsarbeiterlagern. Der Werkstattcharakter der Ausstellung eine Low-
Budget-Produktion entspricht dem lückenhaften Stand der Forschung. Die Ausstellung in der
Gedenkstätte Ravensbrück präsentiert Dokumente und Erinnerungen zu allen zwölf KZ-
Bordellen. Dem Wunsch derjenigen, die in Interviews als Betroffene Auskunft gaben, nach Anonymität
entsprechen die Ausstellungsmacherinnen: Keine ehemalige Zwangsprostituierte wird mit Namen genannt oder im
Foto gezeigt. Sie gehören zur Opfergruppe der "Asozialen", denen bis heute eine
Entschädigung verwehrt bleibt.
Christl Wickert
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