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Während die jüngeren deutschen Punkbands nicht einmal den Weg der
Kolporteure ("Aus dem Motto wurden Phrasen") gehen, sondern sich zunehmend auf Sauf- und
Pubertätspunk mit einer gehörigen Portion Sexismus begrenzen, versuchen sich Catch 22 aus New
Jersey an einem Konzeptalbum. In elf Songs wagen sich die Ska Punks an biografische Stationen von
L.D.Trotzki heran.
Konzeptalben sind sicherlich vom Anspruch
her eine besondere Sache und im Punk wie beim Ska selten zu finden. Nicht alle gelingen dabei so wie etwa
Greendays letztes Album, das sich um ein alltägliches amerikanisches Kleinstadtleben dreht. Sich an
eine historische Galionsfigur heranzuwagen stellt sicherlich eine zusätzliche Herausforderung dar. Im
Reggae und Ska dreht es sich in solchen Fällen meist um eine Verehrung des letzten äthiopischen
Kaisers. Dabei wird dieser Despot in den Status eines Heiligen gehoben. Dem Punk sind eigentlich Hymnen auf
Politiker fremd. Catch 22 haben sich mit Permanent Revolution so auf ein schwieriges Terrain begeben.
Sicherlich einige Lieder über Trotzki gibt es in der Popmusik seit langem. in Deutschland meines
Wissens zuletzt 1998 mit Leopold Kraus Wellenkapelle, die mit "Trotzki Beat" ein Surf-
Liedchen über den Revolutionär sangen. Aber da ist die Produktion von Catch 22 doch von einem
anderen Format. Vor allem auf der lyrischen Seite der CD beherrschen sie dieses Terrain sehr gut. Oft genug
stellen sie Fragen, ohne Lehrerhaft daherzukommen. Auch gibt es kein Gedicht auf die IV.Internationale, wie
es sich Trotzki Ende der 30er Jahre von Alice Rühle-Gerstel gewünscht hatte. Diese hatte sich ja
damals vor einer solchen Peinlichkeit bewahrt mit den Worten: "Genosse L.D., ich dichte nur, wenn
ichs vor Verzweiflung nicht mehr aushalten kann!" Von einer solchen Dichtung aus der
Verzweiflung heraus sind Catch 22 zum Glück weit entfernt.
Ob der Ska mit den wenigen rockigen Punk-
Sequenzen, wie er hier gespielt wird, das angemessene Musikform ist, möchte ich einmal in die
Kategorie Geschmackssache einordnen, über die sich bekanntlich streiten lässt. Aber die Frische
der Musik gibt dem Thema auf jeden Fall einen unverstaubten Klang.
Im Prolog geht es um die allgemeine
Betrachtung der russischen Revolution von 1917 und im Epilog wird die Frage aufgestellt, wie sich jemand
wie Trotzki sein Leben dermaßen der Revolution verschreiben kann: "Why would a man who believed
in no god / Sacrifice all he had /To kill or be killed in pursuit of a cause / Was the fate that called to
him."
Die anderen neun Lieder greifen Stationen
aus dem Leben ihres "Helden", wie sie ihn nennen, heraus. Begonnen wird mit der Flucht aus
Sibirien 1902 um dann gleich zum Jahre 1917 weiterzuspringen. Die Flucht wird wohl nicht so gemütlich
gewesen sein, wie der getragene Ska in "The Spark (1902)" daher kommt. Ob die Revolution von 1917
als Party verstanden werden kann, wie es der Titel des musikalischen Beitrags nahelegt, sei einmal dahin
gestellt. Leider gehört der "Party Song" nicht einmal zu den Stücken, die daran
erinnern, dass die sechs Musiker aus den USA einmal zu den druckvollsten Skapunk-Musikern der USA
gehört haben. Das kommt eher bei "On the Black Sea (1924)" herüber, bei dem es um das
Erbe Lenins geht. Auch "A Minor Part (1922)" oder "Bad Party (1927)" haben diesen
Schwung.
Es bleibt jedoch zu befürchten, dass
die Texte der Musiker aus New Jersey und so auch ihre Botschaft an den meisten Ohren vorbeirauschen. Eignen
sich die Lieder doch nicht zum mitgröhlen. Gerade da, wo die Verbindung von Musik und Text besonders
gut gelungen ist, geht der Text am leichtesten unter. Vielleicht gründet sich meine Befürchtung
auch auf dem eingangs beschrieben Trend, den ein Freund mit den Worten umschrieb: Im Gegensatz zu den
Kassierern meinen die jungen Punks diese Texte auch noch ernst. Da bleibt zu hoffen, dass solch ein Projekt
wie Permanent Revolution von Catch 22 keine Ausnahme bleibt.
Die CD ist mit einem Booklet, das die Texte
enthält bei dem Indi Label Victory Records erschienen. Die Texte sind unter www.lyricsdir.com/catch-
22-lyrics. html im Internet zu finden.
Thomas Schroedter
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