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Am 14.Dezember 2006 startete der Film Congo River im Forum der Berlinale.
Jetzt ist er im Programmkino angelaufen. Dort habe ich ihn gesehen und war stark beeindruckt. Der belgische
Regisseur Thierry Michel hat einen Film über Afrika gemacht, der zeigt, wie der Überlebensalltag
im viertgrößten Land des schwarzen Kontinents heute aussieht.
Congo River ist der achte Film, den der
Dokumentarfilmer Thierry Michel innerhalb der letzten zehn Jahre in Afrika gedreht hat, davon fünf im
Kongo. Der bekannteste ist Mobutu, roi du Zaďre. Der Regisseur drehte für Congo River sieben Monate,
vier davon nur mit kongolesischen Mitarbeitern. Das Team war auf der gesamten Reise mit den gleichen
Transportmitteln unterwegs wie die Einheimischen Flussboote, Beiboote und Einbäume. Allein das
erforderte Mut. Thierry: "Wir haben uns mit Flusswasser gewaschen, Fische aus dem Fluss gegessen
das Leben der anderen geteilt. Das ermöglichte es uns, den Menschen so nah wie möglich zu
sein und ihre Lebensbedingungen, ihre Wahrheit zu reflektieren."
Der Film nimmt die Zuschauer mit auf eine
Reise von der Mündung bis zur Quelle des Kongo. Das Filmteam begleitet die reisenden Afrikaner auf der
1734 Kilometer befahrbaren Strecke des 4374 Kilometer langen Flusses von Kisangani nach Kinshasa. Dabei
verbindet Thierry die Bilder des Schiffsalltags mit der Geschichte des kolonialen Erbes und seiner Spuren.
Als Zeugen aus der die Gegenwart prägenden Vergangenheit treten der Forschungsreisende David
Livingstone ebenso auf wie die belgischen Könige Leopold und Baudouin. Unvergessen im kollektiven
Gedächtnis sind aber auch Patrice Lumumba und der bizarre Diktator Mobutu, dessen Schlossruine im
Urwald eine geradezu symbolische Bedeutung für das Schicksal des Landes bekommt.
Thierry zeigt das komplexe Bild einer
afrikanischen Gesellschaft, in der archaische Stammestraditionen und der Katholizismus ebenso
realitätsmächtig sind wie das unvorstellbare Leid, mit dem Besatzungs- und Bürgerkriege das
Land überzogen haben immer wieder auf der Suche nach Ausbeutung der reichen Bodenschätze,
aus denen sich heute auch Kinder ein paar Cents verdienen, indem sie aus Gesteinsbrocken ehemaliger Minen
Edelmetallreste heraushämmern.
Der Filmteam zeigt den Alltag der
Afrikaner, die auf vier rostigen, von einem Schleppkahn gezogen Eisenbarkassen, ein schwimmendes kleines
Dorf bilden, in dem Fracht, Haustiere und Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht existieren
müssen.
Die Fahrt auf dem Fluss ist der einzig
verbleibende Weg, auf dem die Bewohner des Landes aus den unteren in die oberen Landesteile gelangen
können. Straßen und Eisenbahnlinien sind durch Krieg und Plünderungen sowie durch den
besitzergreifenden Urwald unpassierbar. Die Reise auf dem Wasser ist lebensgefährlich. Immer wieder
laufen Schiffe auf Sandbänke auf. Gefahren- und Tiefenmarkierungen gibt es nicht und die Kapitäne
arbeiten mit alten, zerfallenen und selbst korrigierten Karten sowie mit Hilfe von Stangen, bei denen ihre
Assistenten die Wassertiefe ermitteln und per Handzeichencode kommunizieren. Kenternde Schiffe führen
mitunter zum Ertrinken der halben Besatzung oder halten das Schiff über Monate auf der Sandbank
gefangen.
Was diesen Film so wohltuend von der
gängigen Afrikaberichterstattung unterscheidet ist die Einstellung des Kameramanns, der die Afrikaner
auf Augenhöhe behandelt und den Blick auf den Lebensmut und die Charakterstärke der Menschen
richtet, die sich einer Realität stellen, um die sie niemand beneiden kann.
Thierry Michel: "Ich wollte verstehen,
wie dieser vergessene Kontinent, der ein totales Desaster und so viele Tragödien erlebt hat den
Sklavenhandel, die koloniale Eroberung, den Unabhängigkeitskampf, Kriege, Diktaturen , heute
beginnt, sich aus dem Scherbenhaufen neu zu formieren. Umso mehr, als dieser Fluss die Basis für diese
Neugestaltung und diese Lebensphase sein wird."
Zu Beginn des Films habe ich mich
darüber geärgert, dass Leute hinter mir durch das Reißen von Witzen aller Art den Eindruck
erweckten sie seien im falschen Film. Nach zehn Minuten war damit Schluss und im ganzen Kino spürte
man, das dieser Film auf radikale Weise menschlich ist und gefangen nimmt.
Jochen Gester
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