SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2007, Seite 02

Steuersenkungen für Unternehmer

"Wir machen keine Geschenke"

Das Grimme-Institut in Marl vergibt jedes Jahr den Adolf-Grimme-Preis für Film- und Fernsehschaffende, die herausragende Beiträge veröffentlicht haben. In diesem Jahr wurde der Preis am 14.März u.a. an Autorinnen und Autoren der Sendung Monitor verliehen für die Aufdeckung des Skandals des bezahlten Lobbyismus in Bundesministerien.
Am gleichen 14.März beschloss das Bundeskabinett die Unternehmensteuerreform, die im Wesentlichen die Handschrift der Bank- und Wirtschaftslobby im Finanzministerium trägt. Und Finanzminister Steinbrück stellt sich vor die Presse und sagt: "Wir machen keine Geschenke!"
Das sehen die Menschen anders. Seit Beginn der Großen Koalition haben sich die Belastungen für Beschäftigte, Rentner und Erwerbslose erhöht. Die Belastung durch Sozialabgaben und Steuern stieg aber nur für diesen Personenkreis, während die Unternehmen sich aus der Parität bei den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung verabschieden durften, zusätzlich wurden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu ihren Gunsten gesenkt.
Rente mit 67, steigende Steuerpflichtigkeit der zukünftigen Renten, Hartz-IV-Armutssätze, Mehrwertsteuererhöhung, das waren die "Geschenke" für diejenigen, die sich bei Tariferhöhungen nicht mehr Geld erkämpfen konnten. Steuererhöhungen für Lohnabhängige kamen hinzu. Schon diese einseitige Steuerpolitik ist ein sozialer Skandal. Jetzt wird er durch die neu beschlossene Unternehmensteuerreform noch getoppt.
Erneut wird die Körperschaftsteuer gesenkt — unter Eichel von 35 auf 25%, unter Steinbrück von 25 auf 15%. Das Kapital betrachtet das gar nicht als Geschenke, sondern als eine Selbstverständlichkeit, denn es hält Gewinne für Eigentum und Steuern für Raub. Auch hier muss die Wettbewerbsfähigkeit als Begründung herhalten — bei einem Exportweltmeister allzu fadenscheinig. Dazu kommt der Vergleich mit europäischen Partnerstaaten, die sich einen Steuersenkungswettlauf auf Kosten der öffentlichen Güter und Dienstleistungen leisten — zulasten der Bevölkerung, die auf öffentliche Leistungen angewiesen ist. Man weiß sehr wohl, dass sowohl das Gesundheitssystem als auch die Schulen, die große Masse der Hochschulen und die (noch) öffentliche Bahn Geld brauchen. Die Mehrwertsteuererhöhung wurde gerade mit dem Hinweis auf die hohen Staatsschulden durchgesetzt. Das alles zählt für Aktiengesellschaften und Kapitaleigentümer nicht — sie wollen (und können) sich einen armen Staat "leisten".
Weitere skandalöse "Geschenke", die nicht so genannt werden sollen: Kapitalbesitzer zahlen nur noch 25% Abgeltungssteuer statt ihres jeweiligen Steuersatzes, der für Großverdiener sonst bis zu 42% betrug. Je reicher, je mehr Dividenden, desto höher das Steuergeschenk in diesem Bereich. Auch das ist eichelsche Tradition, der schon mal die Steuerflucht mit einer Amnestie begünstigte. Dazu kommt, dass einbehaltene Gewinne in Personenunternehmen niedriger versteuert werden als bisher.
Die ganze Steuerreform führt zu Einnahmeausfällen von bis zu 30 Milliarden Euro. Steinbrück nennt als Ergebnis 5 Milliarden, weil er zur Beruhigung der SPD-Linken einfach die später möglichen höheren Einnahmen aus der Schließung von sog. Schlupflöchern dazu rechnet. Das kann — selbst wenn die Konjunktur so bleibt — noch Jahre dauern.
An Steuergeschenke für die Unternehmen erinnern wir uns noch gut aus der Schröder-Eichel-Ära. Im Jahr 2001 zahlten die Kapitalgesellschaften fast überhaupt keine Körperschaftsteuern mehr, NRW musste mehrere hundert Millionen zurückzahlen, weil auf einmal Verluste aus Vorjahren angerechnet werden konnten und Unternehmensverkäufe überhaupt nicht mehr steuerpflichtig waren. Später hat kaum jemand Eichels Planzahlen in Bezug auf ihren grandiosen "Erfolg" verglichen. Aber alle anderen mussten draufzahlen, viele Gemeinden verloren wegen der Steuersenkungen die Haushaltshoheit und mussten ohne Ende kürzen.
Natürlich sind den Abgeordneten diese Zusammenhänge bewusst, aber die Parteidisziplin funktioniert. Steuern für die Armen, Gewinne für die Reichen —— da ist es uninteressant, ob sich die SPD-Linke "schwer tut", wenn sie zustimmt wie schon unter Schröder, beim Kriegseinsatz in Afghanistan oder bei der Rente mit 67. Was wird die Antwort der Gewerkschaften, Sozialverbände und anderen Betroffenen sein?

Rolf Euler

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