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Das Calwer Kommando Spezialkräfte (KSK) operiert seit seiner
Gründung 1996 in einer rechtlichen Grauzone, ohne öffentliche Informationen über seine
tatsächlichen Aufgaben und Einsätze. Erst der Vorwurf des langjährigen Guantánamo-
Gefangenen Murat Kurnaz, von KSK-Soldaten in Afghanistan misshandelt worden zu sein, machten der totalen
Geheimhaltungspolitik der deutschen Regierung bezüglich dieser Spezialtruppe ein Ende.
Das grundsätzliche Problem aber
bleibt: Offiziell werden Einsätze des KSK durch die Bundesregierung weder bestätigt noch
dementiert, auch die meisten Parlamentarier bleiben selbst bei grundsätzlichen Fragen weitgehend im
Ungewissen. Wie lange wie viele Soldaten wo und mit welchem Auftrag im Einsatz sind, ist so wenig bekannt
wie die Anzahl der toten und verletzten KSK-Soldaten. Von eventuellen Opfern unter der Bevölkerung in
den jeweiligen Einsatzgebieten wird erst recht nicht berichtet.
Ob die deutsche Regierung mit ihrer Politik
des totalen Schweigens wirklich nur die Soldaten schützen will, darf bezweifelt werden selbst
die USA oder Großbritannien berichten umfangreicher über die Einsätze ihrer jeweiligen
Elitetruppen. Möglicherweise geht es darum, die deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen in der
eher kriegskritischen Öffentlichkeit herunterzuspielen. Das Image von "Friedenssoldaten"
würde eine ehrliche Berichterstattung über den Auftrag und Einsatz des KSK wahrscheinlich
grundsätzlich in Frage stellen.
Formal stützt sich die Bundesregierung
bei den Einsätzen des KSK in Afghanistan und darüber hinaus auf den am 16.11.2001 nach den
Anschlägen vom 11.September gefassten Bundestagsbeschluss, deutsche Soldaten im "Krieg gegen
Terror" einzusetzen. Die Bundesregierung benutzt diesen jährlich verlängerten Beschluss
seither als "Vorratsbeschluss", um ihre Elitetruppe je nach politischer Opportunität
für wechselnde Ziele und ohne öffentliche Diskussion zu entsenden.
Auch bei anderen Einsätzen wie etwa
beim EUFOR-Kongo-Einsatz 2006 kamen KSK-Soldaten zum Einsatz. Im Bundestagsmandat war von
"Unterstützungskräften" die Rede, doch den meisten Parlamentariern war nicht klar, dass
damit auch der Einsatz von KSK-Soldaten gemeint war. Das am 3.Dezember 2004 verabschiedete
Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBetG), eher ein Parlamentsentmachtungsgesetz, regelt in §6 immerhin,
dass die Regierung eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament hat: "Die Bundesregierung
unterrichtet den Bundestag regelmäßig über den Verlauf der Einsätze und über die
Entwicklung im Einsatzgebiet." Doch wie schon bei früheren Einsätzen von Spezialkräften
ignoriert die Bundesregierung diese Vorgaben. Lediglich die fünf Obleute der Bundestagsfraktionen im
Verteidigungsausschuss werden grob informiert, unterliegen aber selbst gegenüber ihrer eigenen
Fraktion strengster Geheimhaltungspflicht.
Für eine Übergangsfrist wird seit
Beginn 2007 die Informationspolitik dahingehend "gelockert", dass auch die Obleute im
Auswärtigen Ausschuss informiert werden. Grundsätzlich verändert sich die rechtlich
fragwürdige Informationspraxis jedoch nicht, das KSK ist damit eher eine Truppe der Exekutive und
nicht eine Parlamentsarmee.
Deutsche KSK-Soldaten haben zusammen mit US-Soldaten im Jahr 2002 Gefangene bewacht, die
anschließend in Guantánamo und anderen (Geheim-)Gefängnissen landeten. Offiziell haben
deutsche Soldaten in Afghanistan keine Gefangenen gemacht. Allerdings wurden in gemeinsamen Aktionen mit
anderen Alliierten verdächtige Personen "festgesetzt" und dann sofort vor allem an US-
Amerikaner übergeben. Ob dies deutsche Soldaten von ihrer Verantwortung für die
anschließende völkerrechtswidrige Behandlung der Gefangenen entbindet, ist mehr als zweifelhaft.
Darüber hinaus waren KSK-Soldaten wohl
auch in Kampfhandlungen verwickelt. Dass sich die deutsche Geheimtruppe einen gewissen internationalen
"Ruf" für effektive Einsätze erworben hat, wurde im Jahr 2005 klar, als die KSK-
Soldaten in ihrem Einsatzgebiet im Süden Afghanistans die "Coordinating Authority" erhielten
und somit ihre Ziele weitgehend selbst bestimmen konnten. Sie müssen sich aber im Zweifelsfall nach
den Befehlen des US-amerikanischen Central Command richten.
Das grundsätzliche Dilemma des Umgangs
mit Gefangenen bleibt aber bestehen. Auch ohne Folterskandale gibt es das Problem, dass Gefangenen in den
USA die Todesstrafe droht und dass eine Auslieferung in den möglichen Tod gegen deutsches Recht
verstößt. Die Gefangenen, die von deutschen Soldaten gemacht werden, sollen deswegen
zukünftig an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden. Diese "Lösung"
wirft allerdings die Frage nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen auf, von denen das afghanische
Justizsystem noch weit entfernt ist, die Todesstrafe gibt es auch dort. Das Foltern und Morden an
afghanische Behörden zu delegieren, ist jedoch viel "eleganter" und sorgt für eine
weniger schlechte Presse.
Die Anwesenheit der westlichen Truppen
scheint sich auch negativ auf die Arbeit von Hilfsorganisationen auszuwirken. Dass "Helfer als
Handlanger" wahrgenommen werden, lässt sich aus den zunehmenden Anschlägen gegen
Hilfsorganisationen schließen. Dies liegt möglicherweise daran, dass einerseits
Hilfsorganisationen mehr oder weniger freiwillig immer stärker mit Militärs
kooperieren, und andererseits die Besatzungstruppen die Trennung zwischen zivil und militärisch
verwischen, indem sie sich als Entwicklungshelfer präsentieren (Wiederaufbauteams!). In diesem Kontext
spielen Spezialkräfte, die teilweise in Zivil agieren, eine äußerst unrühmliche Rolle,
da für die afghanische Bevölkerung nicht eindeutig erkennbar ist, ob etwa im vorbeifahrenden Jeep
NGO-Vertreter oder Kombattanten sitzen.
Bei Auseinandersetzungen mit den Rebellen
in der Grenzregion zu Pakistan und gegen die Drogenökonomie kamen in den letzten Jahren Tausende von
Menschen um, vor allem Zivilisten. Human Rights Watch wies 2006 darauf hin, dass die NATO bei ihren
Einsätzen zu wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt.
Die Skandale um deutsche Soldaten, die mit
Totenschädeln posierten und mit dem Palmenemblem von Hitlers Afrikakorps auf ihren Geländewagen
herumfahren, führen anschaulich vor Augen, dass Besatzung und Krieg keine humanitäre und saubere
Angelegenheit sind und offensichtlich häufig solche Personen anziehen, die gerne an "deutsche
Traditionen" anknüpfen. Der Brigadegeneral und frühere Chef des KSK stellt in seinem Buch
"Geheime Krieger" das KSK in die Tradition der Wehrmachtsspezialdivision "Brandenburg".
Er verlor übrigens seinen Posten als KSK-Chef, weil er öffentlich "die Juden" als
"Tätervolk" bezeichnet hatte.
Seit Mai 2005 sind KSK-Soldaten und andere Spezialtruppen auch an der Drogenbekämpfung beteiligt.
Gegenüber dem Stern berichteten Soldaten davon, dass "der Einsatz in Afghanistan auf das
Ausschalten von Hochwertzielen im Drogengeschäft" hinausläuft. Einige Offiziere haben uns
nach Stabsbriefings klipp und klar gesagt, dass es um drug enforcement (Drogenbekämpfung) gehe. Hier
handelt es offensichtlich nicht um rechtsstaatliche Prozesse: "Wir sollen die Drahtzieher ausschalten,
eliminieren." Nie habe man in Calw so hart die unmittelbare Kampfführung trainiert wie in diesem
Jahr: "Mehrere Trupps landen verdeckt, überfallen mit großer Feuerkraft den Feind
kurz gucken, eliminieren."
Als "Kommando Spezialkiller"
bezeichnet deswegen der Oberstleutnant der Bundeswehr Jürgen Rose das KSK in einem Artikel vom Juni
2005. Eine Tötungspraxis auf puren Verdacht hin, in der Regel über Denunziation und
Gerüchte, widerspricht nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch internationalem Recht. Die Genfer
Konvention regelt klar: "Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen ... sollen
unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden ... Zu diesem Zwecke sind und bleiben in
Bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und jedenorts verboten: a) Angriffe auf Leib und
Leben, namentlich Mord jeglicher Art ... d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil
eines ordnungsmäß bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völkern als
unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet."
Dieser Schutz vor willkürlichen
Hinrichtungen gilt übrigens völlig unabhängig davon, ob es sich um mutmaßliche
Drogenkriminelle oder um mutmaßliche Terroristen handelt. Da allerdings der Kampf gegen
Drogenkriminalität nicht vom Mandat des Bundestags gedeckt ist, scheint sich die Praxis einzuspielen,
Drogenhandel mit Terrorismus zu identifizieren. Der Bundestagsbeschluss vom November 2001 begrenzt die
Aufgabe auf Terrorbekämpfung: "Ziel ist es, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von
Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu
stellen..."
Der verteidigungspolitische Sprecher der
SPD, Rainer Arnold, erklärte im Juli 2005 auf die Frage, ob KSK-Soldaten entgegen ihrem Mandat auch
gegen Drogenbosse im Einsatz seien: "Da gibt es Überschneidungen. Ein Terrorist kann sein
Terrorgeschäft über Drogen finanzieren." Zynisch, denn so kann der erschossene Drogendealer
hinterher immer auch Terrorist gewesen sein.
Auch wenn die deutschen
"Todesschwadronen" als logische Konsequenz einer immer aggressiveren Außen- und
Militärpolitik erscheinen, dürfen Kriegsverbrechen niemals toleriert werden. Bundeswehrsoldaten
und Eliteeinheiten in Afghanistan sind keine Lösung sie sind vielmehr Teil des Problems.
Claudia Haydt
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