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Im französischen Gyancourt, dem Sitz des Renault-Technologiezentrums,
gab es in den letzten Monate mehrere Selbstmorde. Das Management reagierte, indem es zunächst einen
Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen bestritt. Doch selbst die Staatsanwaltschaft sieht das anders.
Am 16.Februar 2006 hatte Renault-Chef
Carlos Ghosn, bekannt als Kostenkiller und Sanierer von Renault-Nissan in Japan, das Projekt "Renault
Contract 2009" vorgestellt. Nach Umsatzeinbußen in den letzten Jahren sollte das neue Programm
die Gewinnspanne von rund 2,5 auf 6% bis zum Jahr 2009 erhöhen und Renault zum rentabelsten
europäischen Auto-Konzern machen. Das Projekt beinhaltet u.a. 26 neue Modelle in den nächsten
drei Jahren, davon 13 veränderte alte und 13 komplett neue Modelle, sowie eine Senkung der Montagezeit
auf 15 Stunden pro Modell. Bislang werden in Guyancourt drei neue Typen pro Jahr entwickelt, künftig
sollen es mindestens acht sein.
Die Witwe des Ingenieurs Antonio Barros,
der sich auf dem Werksgelände von Renault aus dem Fenster gestürzt hatte, kommentiert:
"Antonio wurde zermürbt durch einen unerträglichen Arbeitsstress, er fühlte sich tief
entwertet trotz seines Engagements, das ihn dazu brachte, abends, am Wochenende und in der Nacht zu
arbeiten. Das hat ihn fertig gemacht, die maßlose Antreiberei und die Nichtanerkennung." Vier
Selbstmorde und ein Suizidversuch innerhalb der letzten vier Monate. Die Beschäftigten beschreiben
Stress, Müdigkeit und Erschöpfung, Konkurrenz und Spannungen unter den Kollegen.
Wie konnte es zu diesen unerträglichen
Arbeitsbedingungen kommen? Immer wieder in den letzten Monaten wurden die Arbeitshetze, die psychischen
Belastungen, das Mobbing, die endlosen Arbeitszeiten und kaum zu schaffende Zielvorgaben von einzelnen
Gewerkschaften im Betrieb angesprochen. Aber auch bei Renault gibt es unter den Gewerkschaften keine
gemeinsame Haltung gegen diese Arbeitsbedingungen: SUD und CGT versuchen, Öffentlichkeit zu diesem
Thema herzustellen und die Kollegen zum Widerstand zu ermuntern. Doch es gibt auch Gewerkschaften, vor
allem die CFDT, die der Abschaffung der Pausen zugestimmt haben diese werden nun in Geld ausbezahlt
oder ans Ende der Schicht gelegt und die Erpressungspolitik des Unternehmens mitmachen.
Nicht von ungefähr ist das
betriebsgewerkschaftliche Komitee für Gesundheit, Hygiene und Arbeitsbedingungen unterbesetzt und kaum
handlungsfähig. Normalerweise könnte diese Einrichtung des Betriebsrats eine nützliche
Funktion haben gegen die Arbeitsbelastung. Doch noch abends nach 20 Uhr finden Teambesprechungen statt. Das
Essen wird in die Besprechungen bestellt, und der Arbeitstag dauert oft von 7.30 Uhr bis 21 Uhr. Sich dem
Arbeitsrhythmus verweigern, obwohl dieser teilweise ungesetzlich ist, heißt, die Unternehmensziele zu
sabotieren. Genau diesen Zwangsgemeinschaftsterror nach dem Muster des japanischen Produktionsmodells
versucht Carlos Ghosn bei Renault in alltägliche Praxis umzusetzen.
Auffällig ist auch, dass es die Frauen
der Beschäftigten sind, die bei den Gewerkschaften anrufen und sie auffordern, ihren Männern zu
helfen, die offensichtlich kaum noch in der Lage sind, selbst Widerstand zu leisten und sich den
Anforderungen zu verweigern: "Helft unseren Männern, sie sind fertig. Wir haben Angst, dass sie
sich genauso selbst aufgeben wie ihre Kollegen."
Die Sud- und CGT-Gewerkschaften bei
Renault-Guyancourt haben deshalb zu demonstrativer Solidarität aufgerufen. Am 23.Februar kamen
immerhin 2000 Beschäftigte zu einem Trauermarsch zum Andenken an die toten Kollegen. Auf der
Kundgebung wurden die unerträglichen Arbeitsbedingungen und die alltägliche Erpressung der
Beschäftigten angesprochen.
Bleibt nur zu hoffen, dass die
Beschäftigten endlich die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes überwinden und sich
erfolgreich der Selbst-Verwertungsmaschine verweigern.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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