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Die Geburt einer neuen Partei steht in Deutschland bevor. Ob sie neu ist,
wird so strittig sein, wie die Frage, wie links sie ist. Tatsache ist allerdings, dass in ihr die alte PDS
in vielen Dingen fortlebt, die nicht gerade zu den prickelndsten Erscheinungen der Arbeiterbewegung in
Deutschland gehören. Vom preußischen Beamtensozialismus, der durch die Flure des Karl-Liebknecht-
Amts in der Kleinen Alexanderstraße weht, über Kleiderempfehlungen an die
Fraktionsangehörigen und Mitarbeiter im Bundestag, die akribische Werbeagenturbeschäftigung zur
Schaffung eines "corporate design" bis zur Sorge um ein einheitliches Bühnenbild auf dem
gemeinsamen Parteitag mit der WASG ist ein Spießertum präsent, das je nach Temperament zu
Tränen rührt oder nur noch als Parodie auszuhalten ist. Es trifft sich in seiner prachtvollen
Tristesse mit einer in der WASG verbreiteten Kultur westdeutscher Gewerkschaftsfunktionäre, die es
für kämpferisch halten, zu einer Parteisitzung mit drei Sakkos und vier Krawatten aufzulaufen, um
für jedes öffentliche und klandestine Medium bestens vorbereitet zu sein.
Welch ein Bedürfnis sich darin
ausdrückt, hat der Klabautermann dieser Gemütslage, Gregor Gysi, bestens auf den Punkt gebracht:
"Wenn nun jemand seit 1989/1990 in der PDS war und immer schon deshalb ausgegrenzt wurde ganz
egal, was er gemacht oder gesagt hat , dann entsteht in dem natürlich der Wunsch, mal akzeptiert
zu werden. Wenn man das erklärt, können die Leute gleich miteinander umgehen." Warum soll
bei jemandem, der diskriminiert wird, der Wunsch entstehen, von den Diskriminierenden anerkannt zu werden?
Statt Gegenwehr und Gegenmacht soll Buhlen um Anerkennung weiterführen? Man nennt das auch: Aus Angst
vor dem Tod Selbstmord begehen.
Es wird wahrscheinlich an dieser aus vielen
Poren drängenden Stimmung liegen, dass bei so vielen Veranstaltungen, die in diesen Tagen im Rahmen
des sog. "Parteibildungsprozesses" stattfinden, ein morbider Dunst über den
Versammlungsräumen liegt. Wohl selten, wir vermuten nie, wurde versucht, eine neue Partei mit einer
solchen Grabesstimmung zu schaffen.
Da passt es, dass der Klabautermann sich
auch über das Grab als solchem Gedanken macht. Was wünscht ein Sozialist auf seinen Grabstein zu
stehen? Von Karl Marx wird gesagt, er wünschte sich sein Lieblingsmotto "De omnibus dubitandum
est" (An allem ist zu zweifeln). Die britische KP schenkte ihm schließlich ein "Proletarier
aller Länder, vereinigt euch" nicht so schön, wie das Gewollte, aber auch noch gut.
Der alte Meister Brecht war bis zuletzt der große Lehrer: "Ich benötige keinen Grabstein,
aber wenn ihr einen für mich benötigt, wünschte ich, es stünde darauf: Er hat
Vorschläge gemacht. Wir haben sie angenommen. Durch eine solche Inschrift wären wir alle
geehrt." Und was möchte der so sehnsüchtig nach Anerkennung durch die Großen schielende
Gregor Gysi? Es sollte auf dem Grab der PDS nur stehen: "Wir waren doch ganz nett." Wundert sich
da noch jemand, dass es mit den Wünschen für das Leben vor dem Tod auch nicht viel besser
aussieht. Es tröstet uns nur, dass wir zeitgleich mit den Gysi-Sehnsüchten auch ein Pamphlet
einer kleinen Fraktion aus der Jugendorganisation "Solid" lesen konnten, die sich "Solid-
Revolution" nennt und uns als revolutionäre Haltung das Wort "antispeziesistisch"
gelehrt hat, an deren Ende kann "nicht weniger als der vegane Sozialismus sein, in dem alle Lebewesen
nach ihren Bedürfnissen gleichberechtigt leben können". Diese Jugend strahlt ein Leben aus,
das für die gesamte neue linke Partei nicht das Schlechteste wäre: "Weniger als Alles
dürfen wir nicht fordern!"
Wohl an! Doch auch dabei behalten wir uns
vor: an allem ist zu zweifeln.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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