SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2007, Seite 10

Griechenland

Verfassungsänderung vereitelt

Der Kampf gegen die Privatisierung der Hochschulen in Griechenland reißt nicht ab. Einen ersten Erfolg hat die Bewegung verzeichnet.
Während des letzten Quartals hat sich an den Schulen und Hochschulen Griechenlands eine starke politische Bewegung gegen die neoliberalen Reformen der rechten Regierung der Nea Dimokratia (ND) entwickelt. Wochenlang gab es Besetzungen und Demonstrationen mit 30000 bis 40000 Studierenden und Lehrern.
Unfähig, die Mobilisierungen zu stoppen, trat die Regierung ihnen mit geradezu maßloser Repression entgegen. Mit Tränengas, Polizeigewalt und einer massiven Verhaftungswelle versuchte sie, die Bewegung zurückzudrängen. Aber das erwies sich als unmöglich. Jedes Mal ging die Bewegung aus einer solchen Konfrontation stärker, fordernder und radikaler hervor. Und neuerdings scheint es auch der Regierung selbst nicht mehr wohl zu sein bei der von ihr selbst geschaffenen Atmosphäre aus Tränengas und Straßenkämpfen. Aber beginnen wir mit dem Anfang der Geschichte.
In Griechenland ist das Universitätsstudium kostenlos. Artikel 16 der griechischen Verfassung regelt, dass niemand außer dem griechischen Staat eine Universität gründen darf. Genau diesen Artikel wollte die Regierung ändern, nicht nur um die Gründung profitträchtiger privater Universitäten zu ermöglichen, sondern auch um die öffentlichen Universitäten strikten neoliberalen Regeln zu unterwerfen.
Die Regierungspartei ND führte sich dabei sehr selbstbewusst auf, weil die Führung der zweitgrößten Partei, der sozialdemokratisch-neoliberalen PASOK, angekündigt hatte, für die Verfassungsänderung zu stimmen. Dies wiegte die Regierung in so großer Sicherheit, dass sie noch weitere Verfassungsänderungen zugunsten der Unternehmer vorschlug. Doch zu ihrem Unglück entstand eine Massenbewegung, die diese Pläne vereitelte.
Schon im letzten Sommer widersetzten sich die Studierenden diesen Plänen, als sie während der Examensprüfungen alle griechischen Universitäten besetzten und Demonstrationen gegen die zur Verabschiedung anstehenden Gesetze organisierten. Die Studentenorganisationen EAAK (eine Koalition von Organisationen der radikalen Linken) und DARAS (Synaspismos) arbeiteten dabei zusammen und zwangen auch bald die Studentenorganisationen der PASOK und der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) in diese Koalition. Die großen Streiks der Hochschullehrer kamen hinzu, das war ein entscheidender Faktor, denn sie stellten eine Verbindung zwischen der studentischen Bewegung und den übrigen Teilen der Gesellschaft her.
In Stadtteilen, in kleineren und größeren Städten entstanden Dutzende von Komitees unter Beteiligung von Gewerkschaften, Lehrern, Studierenden und Arbeitern. Es wurden Tausende von Unterschriften gesammelt und Hunderte von Versammlungen und viele unterschiedliche Widerstandsaktionen gegen die Verfassungsänderungen organisiert. Ein Kennzeichen der Bewegung war ihre Breite. Sie umfasste viele unterschiedliche Menschen, von Abtrünnigen der PASOK bis hin zu Anarchisten.
Die Antwort der Regierung war verstärkte staatliche Repression. Mit den bürgerlichen Massenmedien auf ihrer Seite nahm die ND entweder Lügen oder das Verhalten von ein paar hundert Anarchisten zum Vorwand, um die Unterdrückung zu intensivieren. Außerdem versuchte sie, die Studierenden aus den besetzten Universitäten zu vertreiben.
Vor dem Hintergrund dieser Bewegung und in Anbetracht der zwiespältigen Natur der Sozialdemokratie geriet die PASOK in eine sehr schwierige Lage. Ihr Vorsitzender und die Parlamentarier der PASOK waren deshalb gezwungen, sich bei der Abstimmung über die Verfassungsänderungen zu enthalten. Das Ergebnis war eine Niederlage für die Regierung, denn die Verfassungsänderungen kamen nicht durch. Trotzdem zog sie sich nicht zurück, sondern ging zum Angriff über. Am letzten Tag der Mobilisierungen, am 22.Februar, schlug sie ein neues neoliberales Hochschulgesetz vor. Sie zählte dabei auf die Ermüdung der Studierenden und nahm an, dass immer mehr sich gegen die Besetzungen wenden würden. Die Kräfte des Widerstands sahen sich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert.
Aber die ND hatte sich wieder einmal getäuscht, die Bewegung unterschätzt. Die Universitätsbesetzungen halten an, die Demonstrationen werden verstärkt fortgesetzt, und die Gewerkschaftswahlen bei den Hochschullehrern am 4.März gaben den im Streik befindlichen antineoliberalen Kräften über 60% der Stimmen.
Derzeit weiß niemand, wie der Kampf gegen das neue Hochschulgesetz ausgehen wird. Aber jedermann sieht den klaren Sieg beim Kampf gegen die Verfassungsänderungen und die zunehmende Radikalisierung der griechischen Jugend. Diese Bewegung könnte der Anfang für eine neue, vereinigte, antineoliberale, antikapitalistische und radikale Linke sein. Eine Linke, die wie die Bewegung selbst, eine Alternative zur kapitalistischen Barbarei formuliert. In diese Richtung geht eine neue gewerkschaftliche Studierendenorganisation unter Beteiligung von Synaspismos, Maoisten und Trotzkisten, die am 10./11. März gegründet wurde. An ihr nahmen soviele Studierende teil, wie es sich die Organisatoren nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hatten vorstellen können.

Vaggelis Karageorgos

Der Autor ist Mitglied von Kokkino (Rot), einer Organisation die der IV.Internationale nahe steht.







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