SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2007, Seite 22

Der letzte König von Schottland

Großbritannien 2006, Regie: Kevin Macdonald. Mit Forest Whitaker, James McAvoy u.a. Seit dem 15.3. in den Kinos

Nach den zwei Spielfilmen über den Völkermord in Rwanda — Hotel Ruanda, der auch in den deutschen Kinos lief, und Sometimes in April, der in Deutschland keinen Verleih fand — wird nun ein weiteres dunkles Kapitel der postkolonialen Geschichte Afrikas in einem Spielfilm behandelt: Die von 1971 bis 1979 währende Diktatur Idi Amins in Uganda.
Das Spielfilmdebüt von Kevin Macdonald, der vorher ausschließlich Dokumentarfilme gedreht hat, erzählt seine Geschichte aus der Perspektive von Nicholas Garrigan, des fiktiven schottischen Leibarztes von Idi Amin. Historisches Vorbild von Garrigan ist der Engländer Bob Astles, der tatsächlich für Amin gearbeitet hat, ihm aber nicht ganz so nahe stand wie der Filmheld Garrigan. Astles war von 1975 bis zu Amins Sturz 1979 Chef der Antikorruptionseinheit und Berater für die Beziehungen mit Großbritannien. In der Bevölkerung wurde er "Major Bob" oder "the white rat" (die weiße Ratte) genannt. Garrigan wird im Film bereits 1971, im Jahr von Amins Machtübernahme durch einen Militärputsch, zu dessen Leibarzt und flieht 1976 während der Flugzeugentführung in Entebbe. Sein Spitzname ist "Amin‘s white monkey" (Amins weißer Affe).
Durch die Erfindung eines europäischen Leibarztes führt Macdonald das europäische Publikum ganz nahe an Idi Amin heran. So ist dann auch dieser, hervorragend gespielt von Forest Whitaker, die eigentliche Hauptperson des Films. Idi Amin wird als machtbesessen, skrupellos, brutal und tendenziell geisteskrank geschildert. Damit kommt der Film der Wahrheit wohl ziemlich nahe. Auch die Hintergründe seiner Machtübernahme werden im Film nicht verschwiegen. Die britischen Diplomaten äußern sich anfangs recht positiv über ihn, kämpfte er doch in den 50er Jahren in einer britischen Spezialeinheit ("The King‘s African Rifles") gegen antikoloniale Befreiungsbewegungen in Afrika. Zunächst erfüllt Amin auch die Erwartungen seiner westlichen Gönner, indem er die als "Kommunisten" bezeichneten Anhänger seines Vorgängers (und Nachfolgers) Milton Obote einsperren und zum Teil auch ermorden lässt. Erst als die Repression immer offener wird, und die Opfer des Regimes auf offener Straße ermordet und entweder dort liegen gelassen oder den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen werden, wendet sich der Westen von Amin ab. Im Unterschied zu anderen prowestlichen Diktaturen, die ihre Opfer verschwinden ließen, war er wohl nicht diskret genug.
So verwandelt sich der britische Söldner Amin in einen "Antiimperialisten", der u.a. gute Beziehungen zu Libyen aufnimmt. Die Massaker gehen währenddessen weiter. Einige wenige linke Gruppen, wie in der BRD der maoistische KBW, bezeichneten Idi Amin daraufhin als "fortschrittlichen Staatschef". Aber die fatale Logik, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist, führte auch damals schon in die Sackgasse. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Uganda merkten nichts von seiner "Fortschrittlichkeit", aber etwa 300000 von ihnen kostete sein Regime das Leben.
Dass Macdonald eigentlich Dokumentarfilmer ist, merkt man daran, dass er eigentlich einen Film über die Geschichte Ugandas unter Amin macht. Er führt dazu einen Protagonisten ein, mit dem sich die Zuschauerinnen und Zuschauer identifizieren können. Denn Garrigan ist ein sympathischer junger Mann, der auf der Flucht vor der Enge in seinem Elternhaus das Abenteuer in Afrika sucht. Dabei ist er ebenso offen wie naiv. Diese Naivität lässt ihn dem Charme von Amin erliegen, wobei er immer weiter in dessen Verbrechen hineingezogen wird.
Diesen Garrigan führt Macdonald nun immer wieder ins Zentrum des Geschehens. Er lässt ihn den triumphalen Zug Amins durch Uganda am Beginn seiner Präsidentschaft erleben, führt ihn als Leibarzt in den Präsidentenpalast, wo er alle wichtigen Mitglieder des Regimes kennen lernt. Auch bei der Verfolgung von Regimegegnern auf offener Straße, der Vertreibung der Asiaten aus Uganda 1972 und bei der Flugzeugentführung in Entebbe 1976 ist er mitten drin. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen Uganda und Amin durch die Augen von Garrigan. Diese Perspektive wirkt ebenso subjektiv wie unmittelbar. Man glaubt sich selber mitten im Geschehen und ist in seinem Kinosessel natürlich doch in sicherer Entfernung.
So gelingt dem Regisseur ein sehr eindrucksvolles und sehenswertes historisches Lehrstück über die Macht und ihren radikalen Missbrauch, die Doppelzüngigkeit des demokratischen Westens und die Fallstricke eines vermeintlichen Antiimperialismus. Dabei kann die schauspielerische Leistung von Forest Whitaker, der dafür völlig zu Recht einen Oscar und einen Golden Globe bekam, nicht oft genug hervorgehoben werden.

Andreas Bodden

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