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1984 bietet ein Buchhändler das 250 Jahre alte Bordbuch eines französischen
Seemanns der Universität von Yale an. Versehen mit Zeichnungen erzählt es die Geschichte eines
französischen Sklavenschiffes im 18.Jahrhundert. Es ist das einzige aus dieser Zeit erhaltene Logbuch. Robert Harms,
Geschichtsprofessor in Yale, hat diesen grausamen Teil afrikanisch-europäischer Geschichte umfassend und authentisch
bearbeitet.*
Im Jahre 1731 stach das französisches Sklavenschiff Diligent von der bretonischen Hafenstadt Vannes in See, um
die afrikanische Westküste anzusteuern, dort Sklaven zu kaufen und diese über den Atlantik in die
französische Kolonie Martinique zu bringen. Der Erste Leutnant Robert Durand führte das Logbuch, das sachlich
und emotionslos die Geschichte von Unmenschlichkeit und Tod festhält, die sich auf beiden Seiten des Atlantiks
abspielte. Auf der Fahrt von Westafrika in die Karibik wurde das Leben von 256 Afrikanern zugrundegerichtet. Die Fahrt
der Diligent war nur eine von 40000, zu denen Sklavenschiffe aufbrachen und durch die mehr als 11 Millionen Menschen in
einem Zeitraum von vier Jahrhunderten von den Küsten Afrikas in andere Regionen der Welt verschleppt wurden, um dort
in Bergwerken oder Plantagen zu schuften.
Hatten die Spanier anfangs die indianische Bevölkerung versklavt, kamen sie jedoch bald zu der Überzeugung,
dass ein afrikanischer Sklave das vierfache Arbeitspensum zu erledigen vermochte. Zuerst in den spanischen Gold- und
Silberminen eingesetzt, wurden viele Tausend Afrikaner in die Besitzungen des spanischen Imperiums verschleppt. Im
16.Jahrhundert übernahmen die Portugiesen den "atlantischen Sklavenhandel", sie belieferten die spanischen
Überseeländereien und ihre Kolonie Brasilien. 1640 wurden sie von den Holländern abgelöst, im
17.Jahrhundert stiegen die Briten ein, die sowohl ihre Kolonien Barbados und Jamaika als auch Nordamerika bedienten.
Der französische Sklavenhandel hatte zwar schon 1525
begonnen, kam aber erst im 17.Jahrhundert richtig in Gang, nachdem auf den französischen Kolonien Martinique,
Guadeloupe und Haiti Zuckerrohr angebaut wurde. Ab 1640 schufteten in den karibischen Besitzungen Frankreichs bereits
27258 afrikanische Sklaven, auf einen weißen Siedler kamen fast zwei schwarze Leibeigene. Der gigantische Bedarf an
Arbeitskräften war gleichzeitig ein lukratives Geschäft mit der Ware Mensch. Dieser Handel mit Menschen wurde
nicht anders betrachtet als der Handel mit Wein oder Weizen, Mitgefühl oder moralische Bedenken hatten hier keinen
Platz.
Das ist es, was uns an Roberts Durands Eintragungen ins
Schiffstagebuch so frösteln macht, die kalte Sachlichkeit und der geschäftsmäßige Ton, mit dem der
Sklavenhandel beschrieben wird, da gibt es keinen Hinweis auf Mitgefühl mit den Gequälten oder moralische
Bedenken. Dabei war Durand keineswegs ein hartgesottener Sklavenhändler, er war erst 26 Jahre alt und es war seine
erste Fahrt auf einem Sklavenschiff. Seine Haltung zu diesem schmutzigen Geschäft war geprägt von einer
Gesellschaft, die mit den eigenen Problemen (Kriege, Hungersnöte, hohe Steuern und religiöse Streitigkeiten) zu
sehr beschäftigt war, um sich den Kopf über Sklavenschiffe zu zerbrechen.
Den Beteiligten ging es wie den Eignern der Diligent, die
Brüder Billy, um Profit und nicht um Menschenschicksale. Die Bürger der Hafenstadt Nantes, die am Sklavenhandel
reich geworden waren (wie die von Bordeaux, Rouen und La Rochelle), bekamen am Kai weder Sklavenschiffe noch Sklaven zu
sehen, denn die Schiffe stachen mit normaler Handelsware in See und kamen mit Gütern aus der Karibik, Zucker,
Baumwolle und Indigo, wieder zurück. Im Gegensatz zu Spanien und Portugal hatten die Franzosen keine Sklaven im
eigenen Land. Die Sklaven wurden an der afrikanischen Küste an Bord genommen und an die Plantagenbesitzer in den
Kolonien verkauft.
Obwohl es also keine öffentlich geäußerte Kritik am Sklavenhandel gab, verteidigte ihn Mellier,
Schatzmeister von Nantes, mit den folgenden Argumenten: Erstens ginge es darum, diese Menschen von ihrem Irrglauben zu
befreien, sie dem Christentum zuzuführen und damit ihre Seele zu retten, zweitens gäbe es in Afrika eine
Übervölkerung und drittens würden diese Völker viele Kriege führen und könnten so ihre
Kriegsgefangenen gegen Waren eintauschen, anstatt sie umzubringen. Dem konnten die Bürger getrost zustimmen, zumal
sie nie das Leid der Sklaven, den Gestank und die Enge im Unterdeck beim Transport miterlebt hatten und auch nicht die
Schufterei auf den Plantagen.
In dieser Diskussion ging es allein darum, neben den
Monopolgesellschaften auch privaten Geschäftsleuten die Teilnahme am Sklavenhandel zu ermöglichen. Es sollte
der Übergang von einem staatlich kontrollierten zu einem von unabhängigen Unternehmern getragenen Handel
eingeleitet werden, denn die französische Krone war im Besitz des Monopols auf den Afrikahandel und erlaubte
Privaten nur die Rolle des Subunternehmers (dazu gehörten auch die Eigner der Diligent). Die Bürokratie, die
den Sklavenhandel zwischen den Regierungen Europas, den afrikanischen Herrschern und der Neuen Welt regelte, sollte vor
allem dort "vereinfacht" werden, wo sie den privaten Handel behinderte.
Die Diligent steuerte entlang der afrikanischen
Westküste in Richtung Guinea, beladen mit den notwendigen Versorgungsgütern und einer Vielzahl von Handelswaren
wie französischer Branntwein, importierte Stoffe, Waffen und Munition sowie holländische Tabakpfeifen und
schwedisches Eisen. Die Küste von Guinea war unterteilt in Kornküste, Elfenbeinküste und Goldküste,
was den Handel im jeweiligen Küstenbereich verdeutlichte.
An diesem etwa 450 Kilometer langen Küstenstrich gab
es eine Konzentration von Forts wie nirgendwo sonst auf der Welt. Zuerst waren es die Portugiesen und Spanier, die hier
residierten, ihnen folgten die Holländer, die Briten und Franzosen, die Preußen, die Dänen und Schweden.
Diese "Festungen" waren vor allem Warenlager, sie dienten aber auch als Kerker für Sklaven, denn 60% der
Sklaven aus Westafrika kamen von hier, 20% allein von der Goldküste, die sich immer mehr in eine reine
Sklavenküste verwandelte.
Die Europäer tauschten nicht nur Handelswaren gegen Sklaven, sie transportierten auch Unmengen von Schwarzpulver
und Feuerwaffen in diese Gegend und revolutionierten damit die Art und Weise, wie die kleinen Länder Afrikas
gegeneinander Krieg um die Kontrolle der Handelswege führten. Allein im Jahr 1700 verkauften die Holländer
20000 Tonnen Schwarzpulver, in einem anderen Jahr 180000 Gewehre. Die kriegerischen Auseinandersetzungen nahmen zu und
aus den Kriegsgefangenen wurden Sklaven, die von den Europäern zu ständig steigenden Preisen gekauft wurden.
Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Diligent die
Goldküste, wo bereits 15 Schiffe vor Anker lagen. Von den ankommenden Schiffen wurden am Strand Zelte errichtet, in
denen jeweils ein Teil der mitgeführten Waren gelagert wurden, um sie gegen Gold und Sklaven einzutauschen. Die
Sklaven, die hier eintrafen, waren Gefangene, die den Schutz ihrer Gemeinschaft verloren hatten. Zusammengetrieben und
bewacht, die Hände auf den Rücken gebunden, wurden sie von den Weißen begutachtet. Sie mussten sich nackt
zur Schau stellen, es wurden Augen, Zähne, Genitalien und körperliche Beweglichkeit untersucht. Die
erniedrigende Untersuchung dieser verschreckten Menschen galt Frauen und Männern gleichermaßen.
Dann feilschte man um den Preis, der in Goldunzen
berechnet, jedoch mit Waren bezahlt wurde. Am beliebtesten waren 1015 Jahre alte Sklaven. Robert Durand, der Autor
des Logbuchs, kümmerte sich um den Verkauf der mitgeführten Waren, erwarb Sklaven, notierte Preise und Kosten,
hielt Alter, Geschlecht und Zustand fest, Datum und Name des Händlers, nicht aber den des Sklaven. Es interessierte
ihn nicht, woher diese Menschen kamen, wie sie vorher gelebt und welches Schicksal sie hierher getrieben hatte. War das
Geschäft getätigt, wurden die Sklaven gebrandmarkt, indem man ihnen mit einem glühenden Eisen ein Symbol
eindrückte. Das Metall versengte das Fleisch, es schmerzte und brauchte Tage, um abzuheilen. Im Logbuch des Robert
Durand ist nicht zu lesen, was er empfand, wenn er diesen Prozeduren beiwohnte.
War die Gefangenenstation an Land voll, wurden die ersten auf das Schiff gebracht, wo man durch Umschichtungen
"Platz" geschaffen hatte. Auf der Fahrt würde jeder Gefangene 30 mal 150 Zentimeter für sich haben
und über sich nur etwa 60 Zentimeter freien Raum. In der Nacht zu schlafen fiel schwer, wenn das eigene Bein mit
einer starren Eisenfessel an das Bein des Nachbarn geschlossen war und die Luft stickig heiß, sie kühlte sich
auch nachts kaum ab. Männer und Frauen waren getrennt, aber auch zur Mannschaft gab es Trennwände, sie hatten
kleine Öffnungen, durch die kontrolliert und im Falle einer Revolte geschossen werden konnte. Schließlich hatte
man 256 Sklaven an Bord der Diligent, was gemessen an der Größe des Schiffes recht viel war.
Noch im Hafen gab es eine Ein-Mann-Revolte, die dadurch
beendet wurde, dass man den Mann vor den Augen aller an Deck gebrachten Sklaven auf grausame Weise hinrichtete, wie
Robert Durand notierte: "um den anderen eine Lektion zu erteilen".
Zum Alltag der Atlantiküberquerung gibt es keine
Eintragungen. Die ausführlichen Informationen über die Behandlung der Gefangenen kommen aus anderen Quellen,
das alltägliche Leben auf einem Sklavenschiff wird im Buch anschaulich geschildert.
Nach 66 Tagen Überfahrt kommt die Diligent in
Martinique an. Die verbliebenen Sklaven (insgesamt sterben 13 Afrikaner) werden an die Plantagenbesitzer verkauft, um auf
den Zuckerrohrplantagen zu schuften, damit der Zucker in immer größeren Mengen produziert werden kann, der bei
den Angehörigen der europäischen Oberschicht so begehrt ist. Bezahlt wurde er mit dem Leid und dem frühen
Tod so vieler Afrikaner.
Larissa Peiffer-Rüssmann
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