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Die Ukraine wird derzeit von einer politischen Krise gebeutelt, in der die Vertreter der Regierungsparteien denen
der "orange Revolution" gegenüberstehen. Letztere werden vom Präsidenten der Republik unterstützt. Dabei handelt
es sich vor allem um einen Konflikt zwischen Oligarchien, die in einem wesentlichen Punkt übereinstimmen: der Liberalisierung der
Wirtschaft.
Die neue politische Krise in der Ukraine begann am 23.März, nachdem
elf Abgeordnete der Opposition sich wieder der Mehrheitskoalition anschlossen. Diese wird von den Parteien der Regionen geführt und von
Premierminister Viktor Janukowitsch unterstützt. Der Präsident der Republik, Viktor Juschtschenko, der im Parlament in der Minderheit
ist, hält dies nicht für verfassungsgemäß und hat das Parlament am 2.April aufgelöst. Die Mehrheitskoalition
beschloss, die Entscheidung des Präsidenten nicht umzusetzen, indem sie sie ebenso als nichtverfassungsmäßig einstufte. Der
Konflikt zwischen dem Präsidenten und dem Parlament soll nun vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden.
Im Vorfeld der Entscheidung fanden in Kiew und den großen
Städten Treffen und Demonstrationen statt. Die beiden Gruppen verbreiteten über Fernsehen und Presse Gerüchte über
ein mögliches Eingreifen der Armee oder der Spezialtruppen, die vom Präsidenten kontrolliert werden, oder von Truppen des
Innenministeriums, die wiederum der Regierung unterstehen.
Die Kommunistische Partei (KPU) und die Sozialistische Partei (SPU) der
Ukraine haben sich in das Lager der Regierungskoalition eingereiht. Der Parteichef der KPU, Pjotr Simonenko, rief zu einem Präventivstreik
mit Arbeitsniederlegungen in den Industrie- und Transportunternehmen zur Unterstützung des Parlaments und der Regierung auf. Aber der
Einfluss der KPU und ihrer führenden Persönlichkeiten auf die Arbeiterklasse ist nur gering. Die Partei hat sich in den letzten Jahren
durch ihre Abkehr vom Kampf für die sozialen Rechte, Korruption und ihre ausschließliche Orientierung auf das Parlament
diskreditiert.
Dieser Konflikt ist nichts anderes als eine Verschärfung des
Gegensatzes zwischen den bürgerlichen Eliten. Präsident Juschtschenko und seine "orange Opposition" haben es nicht
ertragen, bei den Wahlen im Sommer 2006 die Macht zu verlieren. Der Partei der Regionen und ihrem Vorsitzenden, Viktor Janukowitsch, ist es
gelungen, die SPU und die KPU zu überzeugen, in die Regierungskoalition einzutreten. Zudem musste der Präsident nach der
Verfassungsreform 2005 den Verlust der Mehrzahl seiner Vorrechte mit ansehen.
Die gegnerischen Gruppen sind nichts als die politische Ausprägung der
politischen Interessen des Finanzkapitals und der Industrie, die einander Konkurrenz machen. Wenn die traditionellen Parteien der
Regierungskoalition als prorussisch und die der Opposition als prowestlich angesehen werden, handelt es sich vor allem um Rhetorik. Die
Beteiligung der Massen an diesem Konflikt ist unbedeutend. 2004, während der "orange Revolution" demonstrierten Tausende in
den Straßen. Heute werden politische Versammlungen wenig beachtet und oftmals werden Leute für die Teilnahme bezahlt.
Beide Parteien unterstützen die Privatisierung der staatlichen und
kommunalen Wirtschaftsbetriebe, die Liberalisierung der Erziehung und des Gesundheitswesens sowie die Einschränkung der
gewerkschaftlichen Rechte. Der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital hat seit der Unabhängigkeit der Ukraine einen Schub erfahren; in
diesem Konflikt befinden sich die beiden Parteien auf derselben Seite. Trotz des Wirtschaftswachstums lebt die Mehrheit der Bevölkerung
des Landes mit weniger als 80 Euro im Monat. In der Ukraine gibt es keine unabhängige politische Massenorganisation der
Lohnabhängigen, lediglich eine kleine Anzahl unabhängiger Gewerkschaften, die sich den gelben Gewerkschaften entgegenstellen,
deren Struktur sich seit den Zeiten der UdSSR nicht verändert hat. Trotz allem wächst die Anzahl der Streiks und sozialen Konflikte
langsam aber stetig.
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