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Am 28.Februar beschloss der Aufsichtsrat der
Telekom gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter, was ihm der neue Chef René Obermann vorgelegt hatte: Die Ausgliederung von
über 50000 Kolleginnen und Kollegen aus der Sparte T-Com in einen neu zu schaffendenden Bereich T-Service. Das bisherige
Tarifgefüge bei der Telekom sei nicht "zeitgemäß" und nicht "marktgerecht".
"Zeitgemäß" und "marktgerecht" sind
für die Telekom-Vorstände Jahresgehälter für sich selber von deutlich über einer Million Euro, dagegen
Hungerlöhne von 5,11 Euro pro Stunde für Beschäftigte aus Call-Centern, wie sie jenen drohen, die kürzlich an die Walter-
Telemedien-Gruppe verkauft wurden. Bei den Tarifverhandlungen am 22./23.März legte das Telekom-Management erst mal seine
Forderungen auf den Tisch: Mindestens vier Stunden länger arbeiten, zum gleichen Lohn versteht sich, arbeiten rund um die Uhr von
Montag bis einschließlich Samstag mit mehrfachem täglichen Arbeitsantritt, und Einführung einer zweiten Lohnebene
das sind nur einige der Unverschämtheiten.
Dem Telekom-Management geht es jedoch nicht allein um
Lohndrückerei. Es geht um den Komplettumbau, oder besser gesagt die Zerschlagung des Konzerns. In der Wirtschaftswoche vom 5.3.07
war zu lesen: "Intern bereitet er [Obermann] bereits die komplette Zerschlagung der Festnetzsparte T-Com vor." Das Handelsblatt
zitierte dazu einen Unternehmensberater: "Die Telekomkonzerne werden verstärkt dazu übergehen, ihre Kernprozesse
auszulagern. Der schlichte Grund: Externe Leute sind oft billiger als die eigenen Leute."
Auch wenn das Management jetzt immer wieder lockt, mit der Einrichtung von
Billiglohnbereichen würde letztendlich deren Verbleiben im Konzern gesichert, ist das Gegenteil der Fall. Das Beispiel VCS (Vivento
Customer Services) zeigt wie es geht. Die Arbeitsplätze in dieser Organisationseinheit (sie ist Teil des konzerninternen Abschiebebahnhofes
Vivento) weisen bereits jene Eigenschaften auf, die Obermann jetzt mit T-Service verallgemeinern will: ein abgesenktes Gehalt (91,25% im
Vergleich zur DTAG), Siebentagewochen bei vollflexibilisiertem Personaleinsatz, und Verzicht auf eine Lohnerhöhung 2006. Dennoch
verkaufte die Telekom Ende März die Beschäftigten von fünf VCS Call-Centern in einer Nacht- und Nebelaktion an die
Bertelsmann Tochter Arvato. Den Kollegen vom Montageunternehmen VTS (Vivento Technical Service) steht das Gleiche bevor. Hier hat das
Management allerdings noch keinen konkreten Käufer aus dem Sack gezaubert.
In der Großkunden- und IT-Sparte T-Systems mit rund 50000 Beschäftigten ist das Management schon einen Schritt weiter. T-
Systems-Vorstand Lothar Pauli spricht seit dem 28.2.2007 offen aus, was er vorher noch immer dementieren ließ: Ja, man sei auf der Suche
nach einem "starken Partner". Man will die "Partnersuche schnell angehen und strebt noch 2007 eine Einigung an"
(Handelsblatt , 2.3.).
Bereits jetzt werden einige Teile von T-Systems, die als nicht profitabel gelten,
wie der Desktop-Service oder der Bereich "Media Broadcast", ein Dienstleister für die Medienindustrie, herausgebrochen und
externen Anbietern wie sauer Bier angepriesen. Auch hier lautet die Begründung: zu teuer. Die Beschäftigten sollen unter dem noch
zu findenden neuen Firmenzeichen weiterhin ihren bisherigen Tätigkeiten nachgehen aber eben zum Gehaltsniveau von
"Turnschuhtruppen" und am besten noch zu Ex-und-hopp-Bedingungen wie sie im Einzelhandelsgewerbe jetzt schon gang und gebe
sind. Im Fall des Desktop-Service wird einem potenziellen Käufer wie bei BenQ eine "Mitgift" angeboten; eine
Rückkehroption soll es für die Kollegen nicht geben.
Entgegen allem nach außen erweckten Eindruck schreibt die Telekom
keine roten Zahlen. Für 2007 rechnet sie laut Financial Times Deutschland vom 31.1.07 immerhin noch mit einem bereinigten Ergebnis von
rund 19 Milliarden Euro vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Der Konzern verdient also nach wie vor gutes Geld. Für profitgierige
Investoren besteht die "Katastrophe" darin, dass der Profit 0,7 bis 1,2 Milliarden niedriger liegen wird als im Vorjahr, während sie
ihren weiteren Anstieg verlangen. Auch die viel gescholtene Festnetzsparte arbeitet nach wie vor profitabel.
Die Wirtschaftswoche (5.3.) drückt in diplomatischen Worten aus, worum
es geht: "Gegen alle Widerstände will der Telekom-Chef das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen." Was
Investoren wie Blackstone verlangen ist klar: eine rasche Steigerung des Aktienkurses, damit sich ihr Engagement lohnt. Obermann will da zu
Diensten sein. "Wir haben zur Zeit eine Kapitalverzinsung von unter 6%. Das ist auf lange Sicht nicht tragbar." (Obermann auf der
Bilanzpressekonferenz am 1.3.)
Obermann weiß, dass es bei der gegenwärtigen Lage im
Telekommunikationssektor keine Aussichten auf ein erneutes kometenhaftes Ansteigen der Aktienkurse wie vor der Jahrtausendwende gibt.
Deshalb sollen die Investoren auf andere Weise bedient werden. Ganz oben auf Obermanns Prioritätenliste steht die
"Aufrechterhaltung einer attraktiven Dividendenpolitik". Obermann will praktisch den kompletten Jahresgewinn von 3,165 Milliarden
Euro an die Aktionäre ausschütten. Rücksichtslosigkeit gegenüber den Beschäftigten und Liebedienerei
gegenüber Anlegern sind zwei Seiten derselben Medaille.
Mit der Abrissbirne rücken die Vorstände gegen das in weiten
Teilen noch bestehende tarifliche Regelungswerk in einem der großen Dax-Konzerne vor. Kommen sie damit durch, droht Zehntausenden
von Beschäftigten eine Zukunft entweder im Billiglohnsektor oder aber in der Arbeitslosigkeit. Da ist natürlich Ver.di als
zuständige Gewerkschaft gefragt. Positiv zu vermerken ist: Im Gegensatz zu früheren Aktionen setzte die Gewerkschaft diesmal nicht
darauf, dass die Regierungsvertreter im Aufsichtsrat sich auf die Seite der Beschäftigten schlagen und damit das Unheil abwenden.
Auch der Ver.di-Spitze scheint mittlerweile klar geworden zu sein, dass die Regierungsvertreter eindeutig auf der Seite der Kapitaleigner
stehen. Man scheint endlich erkannt zu haben, dass die Gewerkschaft hier nur auf die eigene Kraft bauen kann. "Konsens war
gestern", rief Ver.di-Chef Bsirske den 13000 Demonstranten am 28.Februar zu. "Änderungen an den Plänen des Telekom-
Vorstands sind nur durch Druck zu erreichen", stellte Lothar Schröder, der Vorsitzende des für die Telekom zuständigen
Fachbereichs 9 fest. Ver.di werde nun die Gegenwehr organisieren, so Schröder weiter, und kündigte eine härtere Gangart an:
"Wir werden alle Mittel der Tarifpolitik bemühen, um in diesem Konflikt weiterzukommen, und kein vernünftiger Tarifpolitiker
schließt das Mittel des Streiks aus."
Ver.di werde nun für umfassende tarifliche Regelungen zum Schutz der
Beschäftigten kämpfen. Dazu gehörten tarifvertragliche Regelungen zum Schutz bei Auslagerung, eine Volltarifierung der
geplanten T-Service-Gesellschaften sowie ein beschäftigungspolitisches Stabilitätskonzept. Konkret gehe es um den Ausschluss von
Entlassungen, Standortsicherheit, Erhalt bestehender Konditionen, Rücknahme und Ende der Personalabbaupläne sowie langfristige
Sicherheit für die Zukunft.
Anfänglich hatte die Telekomspitze sogar die Aufnahme von
Tarifverhandlungen abgelehnt. Inzwischen fand eine erste Verhandlungsrunde mit Ver.di über die geplante T-Service-Sparte statt. Eine
Annäherung sei nicht in Sicht, stellte Ver.di-Verhandlungsführer Schröder fest. Beide Seiten seien noch meilenweit auseinander.
Die Ausführungen der Arbeitgeberseite ließen jegliche "soziale Balance" vermissen. Nach wie vor werde an
Arbeitszeitverlängerungen, Gehaltssenkungen und an Stellenabbauplänen festgehalten. Die Vorleistungen der Beschäftigten
würden nicht gewürdigt, auch fehle es an Zukunftskonzepten und Serviceverbesserung. Viele Punkte seien zudem noch völlig
"nebulös".
Inzwischen organisieren die Belegschaften landauf, landab Protestaktionen.
Es zeigt sich, dass die Kampfbereitschaft dort groß ist, wo Ver.di aktiv mobilisiert. In Baden-Württemberg gab es im Anschluss an
Betriebsversammlungen Protestkundgebungen in Filderstadt, Böblingen und Stuttgart. In Bayern, das im Ver.di-Fachbereich 9 eher als
radikaler Landesbezirk gilt, gab es Protestkundgebungen in München, Nürnberg, Regensburg, Weiden, Würzburg, Augsburg,
Kempten, Rosenheim, Traunstein und Bad Kissingen.
Aus Ingolstadt berichtet die UZ von einer für Telekom-Verhältnisse
eher ungewöhnlichen Aktion während einer Betriebsversammlung: Als dort der Leiter der Niederlassung die Kolleginnen und Kollegen
aufforderte, dem geplanten Lohnraub zuzustimmen, weil es für die notleidende Telekom angeblich keine andere Alternative gebe,
ließen die Kollegen Seifenblasen aufsteigen. Das einsetzende Gelächter im Raum brachte den Leiter in Rage. Er beschimpfte die
Kollegen und drohte mit Abbruch der Versammlung. Ein die Szene fotografierender Gewerkschaftssekretär wurde von breitschultrigen
Sicherheitsleuten quer durchs Gebäude gejagt. Nach diesen tumultartigen Szenen kam die Versammlung nur sehr zögerlich in Gang.
Auf die anwesenden Kollegen soll der komödienstadelreife Auftritt ihres Chefs inspirierend gewirkt haben.
Das Management trägt zur Eskalation bei. Der provisorische Telekom-Personalvorstand, Eick, erklärte in einer bisher für
Telekomverhältnisse unüblichen hemdsärmeligen Art, man wolle es auf einen Streik ankommen lassen:
"Selbstverständlich würden wir uns darüber nicht freuen. Wenn es aber sein muss, muss es sein."
(Süddeutsche Zeitung vom 30.3.)
Es ist zu hoffen, dass Ver.di jetzt ähnlich verfährt und sich nicht
wieder vorschnell auf einen faulen Kompromiss einlässt. Der Einsatz der geballten gewerkschaftlichen Kampfkraft ist lange
überfällig. Denn der Ver.di-Vorstand hat lange gezögert, die im Oktober 2006 unter Kai-Uwe Ricke bekannt gewordenen
Pläne zur Schaffung von T-Service von Anfang an mit betrieblichem Protest zu beantworten. Nach der Ersetzung Rickes durch René
Obermann (Spitzname: "der Bulldozer") verplemperte der Vorstand viel Zeit mit einem "Kooperationsangebot" für
eine gemeinsame "Serviceoffensive". Erst im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung vom 28.Februar begann Ver.di mit der Mobilisierung der
Belegschaft. Und hier sind die Ergebnisse besser, als Skeptiker befürchtet hatten. Wo Ver.di wirklich mobilisiert, ist die Kampfbereitschaft
groß.
Parallel zu den Tarifverhandlungen am 11./12. April in Königswinter
fanden erstmals ganztägige Warnstreiks statt. Unterbesetzte Call-Center, fehlende Auskunft, verzögerter Kundendienst: 8000
Beschäftigte lieferten der Telekom einen Vorgeschmack darauf, wie flächendeckende Proteste aussehen könnten. Lenke das
Unternehmen nicht ein, wird ein namentlich nicht genannter Ver.di-Sprecher zitiert, werde die Gewerkschaft "die Zeichen ganz auf
Streik" stellen.
Es ist nur zu hoffen, dass die Ver.di-Führung nicht wieder Angst vor der
eigenen Courage bekommt. Auffällig ist jedenfalls, dass Ver.di-Verhandlungsführer Schröder, im Unterschied zu Ver.di-
Sprechern aus verschiedenen Landesverbänden, nach den Tarifgesprächen vom 11. und 12.4. das Wort "Streik" nicht in
den Mund nahm. Und wenn Telekom-Verhandlungsführer Eick unmittelbar vor der dritten Verhandlungsrunde erklärte, es gebe erste
Signale von Seiten der Gewerkschaft, inhaltlich in die Verhandlungen über das von der Telekom vorgelegte Verhandlungspaket einsteigen
zu wollen, ist das auch eher Anlass zur Sorge.
Es ist noch einiges an Druck von Unten auf die da Oben nicht zuletzt
auch innerhalb von Ver.di nötig.
13.4.07
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