SoZ - Sozialistische Zeitung |
Es ist ein bisschen still geworden um diesen engagierten, hervorragenden deutschen Autor, der einst die Juristerei
an den Nagel hing, um sich als Schriftsteller durchs Leben zu schlagen, um mit dieser Profession (mit über 50 Büchern) die
gesellschaftlichen Verhältnisse zu beschreiben und zu ändern.
Umso schöner für alle, dass der Horlemann-Verlag jetzt mit Das
andere Leben einen Teil seiner Erzählungen wieder zugänglich macht. Es sind starke Geschichten aus den letzten Jahrzehnten. Von
Menschen, die sich im wahrsten Sinn des Wortes nach dem anderen Leben sehnen. Nicht verträumt oder resigniert. Sie wagen es, ihre
Träume zu Hause umzusetzen oder in ferne Länder zu reisen und dort ihre Erfahrungen machen. Kein Wunder, dass bei Bittners
Vorliebe für Kanada uns gleich die erste Geschichte "Das Haus in den Mackenzie-Bergen" dorthin führt. Der Protagonist
lässt sich per Wasserflugzeug im kanadischen Norden absetzen, er folgt einer Einladung eines flüchtigen Bekannten, der dort in der
Wildnis lebt. Aber er trifft nicht auf die Stille, sondern auf eine Gruppe Großstadtmenschen, die Selbsterfahrung suchen. Welten treffen
aufeinander. Hier der Jäger und Fischer, dort die eingeschworenen Vegetarier. Das kann nicht gut gehen, das Ende dieser Reise ist
programmiert.
Die Art, wie diese Geschichte geschrieben ist, macht es aus. Sowohl
Landschaft, Tätigkeiten und die Menschen beschreibend, das ist es, was Wolfgang Bittner auszeichnet. Ohne vergleichen zu wollen,
erinnert dies im Stil an die besten Stories von Altmeister Hemingway. Und auch Bittner ist es wichtig, dass er nur über Sachen schreibt, die
er persönlich kennt. Er hat dieses Leben zeitweise selbst geführt, kennt sich mit dem Jagen und Fischen aus, und das spürt man
in jeder Zeile.
Aber nicht nur in ferne Länder führen uns diese Erzählungen,
die Suche nach dem wahren Leben findet auch in unserer Gesellschaft statt. Als Beispiel sei nur "Ein ungewöhnlicher Sozialfall"
angeführt. Nicht ohne Grund wurde sie zuerst in der gewerkschaftseigenen Welt der Arbeit veröffentlicht. Etwas ganz
Alltägliches wird erzählt. Eine Sozialhilfeempfängerin wird angezeigt, und der Sozialarbeiter kommt und überprüft die
reale Situation. Und entdeckt das Leben hinter der Fassade, trifft auf offene Menschen.
Vom Scheitern der ganz eigenen Art handelt "Ein Verwaltungsakt".
Ein Mann will seine Obstbäume schneiden, sie sind sein Traum. Doch es kommt anders. Eine Straße soll gebaut werden, mitten durch
seinen Garten. Das Ehepaar will sich wehren, aber sämtliche Aufregung bleibt nach innen gerichtet. Es fallen richtige Sätze über
Verwaltungswillkür, das Verhältnis von oben zu unten. Doch als er sich endlich zum Widerspruch entschließt, sind alle Fristen
verstrichen. Und als die ganze Aufregung überstanden ist, der Garten vernichtet, aber immerhin mit einem goldenen Handschlag veredelt
wird, wird das als Erfolg gewertet. Vom ursprünglichen Ziel, vom ursprünglichen Traum bleibt nichts. Ganz simpel erzählt
und deshalb so meisterhaft.
Die Geschichten machen Mut und Spaß beim Lesen. Was Bittner
auszeichnet, ist nicht nur ein wahrhaft feines Gefühl für Sprache, sondern die Fähigkeit, alltägliche Dinge genau zu
betrachten und zu beschreiben, das ist faszinierend.
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