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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2007, Seite 21

Ry Cooder

My Name Is Buddy

von Paul Kleiser

Ry Cooder wurde am 15.März 60 Jahre alt.
Mit seiner neuen CD My Name Is Buddy hat Ry Cooder sich und seinen Freunden das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht. Die CD liegt in einem sorgfältig gestalteten und mit Bleistiftzeichnungen von Vincent Valdez illustrierten Booklet vor. Sie schildert die fiktive, und vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Kämpfe in den USA sehr reale, gemeinsame "Reise" der (roten!) Katze Buddy, der Maus Lefty und der blinden Kröte "Reverend Tom Toad" durch Zeit und Raum US-amerikanischer gesellschaftlicher Kämpfe in und seit den 30er Jahren. Bezeichnenderweise stellt die erste Zeichnung Marx‘ Buch Das Kapital dar.
Ry Cooder ist seit vielen Jahren als einer der besten, wenn nicht der beste Slide-Gitarrist der Welt bekannt. Seit Mitte der 60er Jahre hat er als Session Musician bei vielen Gruppen, so bei Taj Mahal oder den Rolling Stones, mitgespielt. Kenner behaupten, er sei auf weit über tausend Schallplatten zu hören. Als harter Arbeiter hat er diese Zeit genutzt, um seine handwerklichen Fähigkeiten auf den verschiedensten Gitarrentypen, der Mandoline, der Mandola und dem Akkordeon zu perfektionieren. Gleichzeitig arbeitete er sich durch die äußerst reichen musikalischen Traditionen der US-amerikanischen Arbeiterbewegung und der ethnischen Minderheiten, besonders der Schwarzen und Latinos. Er bearbeitete und spielte Lieder von Woody Guthrie, Pete Seeger, Hank Williams, Huddy Ledbetter ("Leadbelly") und Sleepy John Estes, der auf seiner dritten Platte Boomer‘s Story (1972) noch selbst zu hören ist. Seine Musik reicht vom Blues und Gospel der Südstaaten über den Tejano aus Texas bis zum Folk aus Oklahoma und den umliegenden Staaten sowie den Liedern der "Hobos". Mit der "Chicken Skin Music" und dem Mexikaner Flaco Jiménez am Akkordeon hat er in den 70er Jahren Stücke aus der Grenzregion aufgenommen. Es geht ihm darum, die Traditionen des "anderen Amerika" neu zu beleben und weiter zu entwickeln.
Aber Ry Cooder ist kein Archäologe, der einfach Lieder aus der Vergangenheit ausgräbt; was er macht, ist musikalische Erinnerungsarbeit für das Heute — gegen das nervtötende Gedudel der "Hitparaden" in Rundfunk und Fernsehen. Obwohl die von ihm gesungenen Lieder häufig älter sind als er selbst, klingen sie frisch und neu; wenn er Songs bearbeitet, meint man zumeist, man höre sie zum ersten Mal.
In den letzten fünfzehn Jahren war sein Name (und der seines Sohnes Joachim am Schlagzeug) fast immer auf den Platten des "Buena Vista Social Club" und dessen Interpreten zu lesen. Man sieht ihn natürlich auch in Wim Wenders‘ gleichnamigem Film über jene Gruppe. Die Wiederentdeckung des kubanischen Son und sein Spiel mit einer "Altherrenband" (plus einer Dame, Omara Portuondo) beleuchten seine Vorgehensweise: Es geht um konkrete Erinnerung in einer Welt, die häufig an Gedächtnisschwund leidet. Die Lieder entstanden zumeist in den konkreten Arbeits- und Lebenswelten von einfachen Leuten, von Bauern und Arbeitern, von Tagelöhnern und Sklaven, von sich liebenden und sich trennenden Paaren. Wer seine Könnerschaft als Gitarrist bewundern mag, nehme die (vorläufig) letzte CD mit kubanischen Musikern, Mambo Sinuendo mit Manuel Galbán. Mitte der 90er Jahre war er auch in Afrika, wo er mit einem der großen Stars der gegenwärtigen afrikanischen Musik, Ali Farka Touré aus Mali, das Album Talking Timbuktu aufgenommen hat.
Mit My Name Is Buddy kehrt er nun musikalisch in die USA zurück. Wie Tom Joad in John Steinbecks Früchte des Zorns muss Buddy die elterliche Farm verlassen. Er schließt sich im Schnee mit Lefty zusammen, einem gewerkschaftlichen Organisator, der Buddy über die Gewerkschaften und Solidarität aufklärt. Es geht um Streiks, das Eingreifen der Polizei, Gefängnisaufenthalte, um das Schwein J. Edgar, das alles auffressen möchte (gemeint ist der langjährige FBI-Boss Edgar Hoover), um einen Lkw-Fahrer und seine glühenden Bremsen und überlangen Arbeitszeiten, um die Arbeitslosigkeit der "migrant workers", um den Besuch der Ruinen eines Konzentrationslagers (in dem man während des Krieges die Japaner interniert hatte, weil sie als innere Feinde galten), um die Märtyrer der Arbeiterbewegung, um Rassismus, aber auch um den Sieg der Solidarität ("There‘s a Bright Side Somewhere"). Im Lied über den sterbenden Lkw-Fahrer heißt es, die Arbeitenden würden täglich mit Müll und Lügen gefüttert. "Our society is now a giant cafeteria of shiny junk, and the President is the headwaiter."
Ry Cooder ist ein höchst aktuelles Album über die gegenwärtigen US-amerikanischen Zustände gelungen.

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