SoZ - Sozialistische Zeitung |
In Italien ist ein umfassender Prozess der Reorganisation der Linken und des
bürgerlichen Zentrums im Gang.
Die Linksdemokraten (DS, hervorgegangen aus
dem Mehrheitsflügel der ehemaligen PCI) und die bürgerliche Margherita um Romano Prodi und Franco
Rutelli haben beschlossen sich zu vereinigen, um die Demokratische Partei (PD) zu gründen. Den
entsprechenden Beschluss fällten die beiden Parteien auf ihren Parteitagen im vergangenen April. Die
Entscheidung des linken Flügels der DS, die Fusion nicht mitzumachen, hat zu einer Konvergenz auf der
Linken geführt, an der auch die Partei der kommunistischen Neugründung (PRC Rifondazione
Comunista), die Partei der italienischen Kommunisten (PdCI, eine Rechtsabspaltung der PRC), aber auch ein
Teil der Grünen und verschiedene andere kleine Formationen beteiligt sind. Die PRC hofft
möglichst bald auf eine "neue politische Konstruktion": eine sozialdemokratische Partei
links von der neuen Partei der italienischen Bourgeoisie. Diese Neuordnung der politischen Parteien in der
Mitte und auf der Linken fügt sich in den Rahmen der bestehenden Regierungskoalition, die jenseits der
unterschiedlichen politischen Projekte von allen getragen wird.
Die Kräfte, die dem auf der Linken
entgegenstehen, sind wenig zahlreich. Es handelt sich vor allem um Sinistra Critica, die linke
Strömung der PRC, die einen eigenständigen Verein gegründet hat. Ihr Senator Franco
Turigliatto wurde aus der PRC ausgeschlossen, weil er gegen die Außenpolitik der Regierung Prodi
gestimmt hatte. Der Autor des Artikels hat aus Solidarität mit Turigliatto seine Funktionen in der
Parteileitung und in der Parlamentsfraktion im Abgeordnetenhaus niedergelegt.
Leider hat die zweite
Minderheitsströmung in der PRC, Essere Comunisti, beschlossen, sich der Mehrheit anzuschließen.
Ein Teil dieser Minderheit vielleicht die Hälfte hat sich diesem Schritt verweigert und
bildet eine neue Strömung, lErnesto. Sie wendet sich gegen die Transformation der Partei in eine
neue "Rifondazione Socialista".
Trotz der geringen Kräfte, die sich
der Rechtsdrift der italienischen Linken widersetzen, ist der Wille stark, nicht zurückzuweichen und
die Perspektive einer antikapitalistischen, klassenkämpferischen Linken, die nicht in der
Regierungsbeteiligung untergeht, aufrecht zu erhalten.
Sinistra Critica will trotz des
Ausschlusses von Turigliatto eine Abspaltung von der PRC nicht provozieren, sondern zum Ausdruck bringen,
dass es zwei verschiedene Projekte von Rifondazione (Neugründung) gibt: ein sozialdemokratisches und
ein antikapitalistisches. Um diese zweite Perspektive zu konkretisieren, fand am 15.April eine große
landesweite Versammlung mit fast tausend Teilnehmenden statt, darunter fast die gesamte soziale Linke, die
sich der Regierung Prodi widersetzt: die Disobbedienti um Luca Casarini, die Cobas (Basisgewerkschaften) um
Piero Bernocchi, die Linke der CGIL um Giorgio Cremaschi, die Komitees gegen die
Hochgeschwindigkeitsstrecke im Val die Susa (No TAV), die Komitees gegen die Militärbasis in Vicenza,
die Kollektive der Studierenden, die an der Universität Rom in der Frage des Kriegs in Afghanistan
gegen [PRC-Chef] Fausto Bertinotti aufgetreten sind.
Etwa zwanzig sehr unterschiedliche
Strukturen haben den Vorschlag von Sinistra Critica aufgegriffen, eine "soziale Oppositionsfront"
um vier Punkte herum zu bilden: gegen den Krieg, gegen Einschnitte bei den staatlichen Sozialausgaben,
gegen die fundamentalistische Offensive des Vatikan und gegen die Umweltzerstörung (bspw. durch
Projekte wie TAV). Um den "Pakt" mit Leben zu zu füllen, bereiten diese sozialen und
politischen Kräfte für den 9.Juni anlässlich des Besuchs von George Bush in Italien eine
gemeinsame Mobilisierung vor.
Wir sprechen also noch nicht
von einer neuen Partei, aber es ist klar, dass sich die Frage eines politischen Neuaufbaus stellt.
Zum ersten Mal seit der Auflösung der
Italienischen Kommunistischen Partei versucht sich die italienische Mehrheitslinke auf der Linie des
sozialen Kompromisses und des "Regierungsrealismus" zusammenzuschließen. Für
diejenigen, die in den letzten Jahren dachten, die Regierungsfrage sei sekundär, birgt der neue
italienische Fall wichtige Lehren.
Salvatore Cannavò ist
Parlamentsabgeordneter der PRC und führendes Mitglied der linken Strömung Sinistra Critica.
(Übersetzung: Hans-Günter Mull.)
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