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Ein Bündnis von über 100 Organisationen und Initiativen von kirchlichen Gruppen bis zu
Flüchtlings- und Umweltorganisationen ruft zu Massenprotesten in Rostock und Umgebung gegen die
G8 (G7 plus Russland) auf: die größte Mobilisierung gegen einen G8-Gipfel, die es bislang in
Deutschland gegeben hat. Dieser Erfolg wiegt umso schwerer, als die Großorganisationen
(Gewerkschaften, Kirchen usw.) nicht zu den Protesten aufgerufen haben, sich bestenfalls an einzelnen
Aktionen wie dem Alternativgipfel beteiligen. Schäubles Einschüchterungsversuche werden die
Mobilisierung eher noch befeuern. Denn Gründe, die Legitimität dieses teuren
Kaffeekränzchens in Frage zu stellen, gibt es genug.
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Im Mittelpunkt des diesjährigen G8-Treffens (auch Weltwirtschaftsgipfel genannt) steht wie immer
die Absicherung und der Ausbau der Herrschaft der Konzerne und der reichen Industriestaaten weltweit.
Eine zentrale Rolle spielt der Schutz der
Investitionsfreiheit der transnationalen Konzerne (TNK), vor allem im Bereich des geistigen Eigentums
(Enteignung der bäuerlichen Kulturen in den Ländern des Südens durch die Patentierung von
deren Wissen durch die Konzerne).
Gleichzeitig will die Bundesregierung in
die Abschlusserklärung den Verzicht der "Entwicklungsländer" auf protektionistische
Maßnahmen auch in solchen Bereichen hineinschreiben, in denen diese bisher ausländische
Übernahmen aus nationalem Interesse ablehnen durften. Ihre menschlichen und natürlichen
Ressourcen sollen den Konzernen ungehindert zur Verfügung stehen.
Die G8 sind nicht nur eine
Showveranstaltung. Was der Klub der Reichen, in dem Russland am Katzentisch sitzt, informell
ausklüngelt, wird sich als Themenschwerpunkte auf der Tagesordnung von WTO, IWF und Weltbank wieder
finden: Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, dass die Festlegungen und Anregungen der G8 in
den internationalen Organisationen zur Durchsetzung des Freihandels fortgesetzt werden. Sie loten ihre
gemeinsamen Interessen gegenüber dem Rest der Welt aus und handeln informelle Kompromisslinien aus.
Die G8 repräsentieren 13% der
Weltbevölkerung und pusten damit 44% der CO2-Emissionen in die Luft. Aber sie maßen sich an,
damit die Welt zu beherrschen. Sie sind ein Klub der Reichen und wollen es bleiben.
Deshalb sind die G8 illegitim, sie haben
kein Recht über das Schicksal der Völker zu bestimmen.
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Die Wirtschaftsmacht der G8 liegt in den Transnationalen Konzernen (TNK). Deren Aktionsfeld ist
längst die ganze Welt; die Auslandstöchter der Multis wachsen schneller als im Stammland, sowohl
hinsichtlich der Beschäftigten, als auch des Umsatzes oder der Exporte.
Die Staaten sollen ihnen optimale
Verwertungsbedingungen sichern. Dazu betreiben die Multis eine massive und systematische Lobbypolitik
gegenüber den nationalen Regierungen, den internationalen Organisationen und auch im Vorfeld des G8-
Gipfels. So hat der Bundesverband der deutschen Industrie am 25.April einen "BDI G8 Business
Summit" organisiert, ein Treffen der Unternehmerverbände der G8-Staaten, das nicht zufällig
zu jedem Tagesordnungspunkt der G8 eigene Forderungen aufstellte: geistige Eigentumsrechte,
Investitionsfreiheit, effiziente Kapitalmärkte, effiziente Ökotechnologien, Aktivitäten des
Privatsektors in Afrika... Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, die dies auch versuchen, gelingt es den
Unternehmen, den Staatschefs manches Vorhaben in ihre Erklärungen zu diktieren, während DGB-Chef
Sommer mit seinem Begehren, Mindestlöhne einzuführen, bei Frau Merkel abgeblitzt ist.
Ihr Hauptinteresse gilt der weiteren
Öffnung der Märkte durch Privatisierung öffentlicher Dienste; durch Senkung der
Industriezölle in den Ländern des Südens (während Europa und die USA ihre
Agrarzölle nicht im selben Umfang senken wollen), durch Gleichstellung mit inländischen
Unternehmen und ausgedehnte Steuerprivilegien und dem Recht, alles aufkaufen zu können, was sie
wollen.
Das Verhalten der Konzerne wie der
internationalen Finanzorganisationen stößt bei vielen Ländern des Südens auf wachsenden
Widerstand. Mit ihrer Weigerung, dem ungleichen Handelsabkommen beizutreten, das ihnen die
Industrieländer vorgeschlagen haben, haben sie bislang die WTO-Handelsrunden lahmgelegt.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel
gesetzt, die festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder neu anzuschieben, indem sie "die Integration der
Schwellenländer in die Weltwirtschaft ausdrücklich thematisiert". Diese müssten
"ein größeres Maß an Verantwortung in der Weltwirtschaft übernehmen". Worum
es sich dabei handelt, bleibt in der Definitionsmacht der G8. In den Klub aufgenommen werden können
sie jedoch nicht, weil die G8 angeblich "nicht allein die gleichgerichteten Interessen, sondern auch
ein gemeinsamer Wertekanon eint".
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Die Multis sind so reich, dass sie mit einer einzigen Börsenspekulation die Devisenkurse in den
Keller und Staaten in die Knie zwingen können.
Sie treiben die Nationalstaaten in eine
Konkurrenz um Wirtschaftsstandorte und damit um die niedrigste Steuerlast, die niedrigsten Löhne und
die geringsten sozialen Absicherungen.
Die G7/G8 sind deshalb vor allem eine
Instanz, die Konflikte schürt: Handelskonflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern,
militärische Konflikte um Rohstoffe, aber auch soziale Konflikte innerhalb der Industrieländer,
deren Gesellschaften gemäß den Bedürfnissen des Standortwettbewerbs zugerichtet werden.
Die G7/G8 sind verantwortlich für
soziale Verelendung und Kriege weltweit; sie säen Rassenhass und ethnische Konflikte wie im Nahen
Osten oder auf dem Balkan, indem sie nach der Devise verfahren: Teile und herrsche.
Gerade die Länder, die der
neoliberalen Doktrin gefolgt sind, haben einen sprunghaften Anstieg der Armut erlebt. In 19 von 30 OECD-
Ländern hat die Armut in den letzten 20 Jahren zugenommen; im Vorreiterland des Neoliberalismus,
Großbritannien, leben heute 60% mehr Familien unterhalb der Armutsgrenze als noch 1981.
Von 500 Millionen EU-Bürgern ist laut
EU-Kommission jeder Fünfte arm oder armutsgefährdet. Der Anteil der Armen an der Bevölkerung
der Bundesrepublik ist in den letzten zehn Jahren von 12,6% auf 17,3% (fast 14 Millionen Menschen)
gestiegen. 2,5 Millionen Vollerwerbstätige verdienen nicht genug, um davon leben zu können.
Während der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen zwischen 2000 und 2006 von 27,8 auf 33,8% gestiegen
ist, ist der Anteil der Löhne und Gehälter in diesen Jahren von 72,2 auf 66,2% gesunken.
Der Zaun um Heiligendamm, hinter dem sich
die G8 verschanzen, ist symbolträchtig: Es ist die neue Mauer, die weltweit Arm von Reich scheidet.
Eine Initiative der Bundesregierung, das zu ändern, gibt es nicht.
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In ihrer Millenniumserklärung aus dem Jahr 2000 erklärte die UN-Vollversammlung vollmundig,
bis zum Jahr 2015 den Anteil der Menschen, die mit weniger als 1 Dollar pro Tag auskommen müssen,
halbieren zu wollen. Dafür sollten die Industrieländer ihre Entwicklungshilfe auf 0,7% ihres
Bruttosozialprodukts aufstocken.
Geschehen ist nichts. Im Gegenteil, die
Zahl der Hungernden ist gestiegen: 1996 waren es 801 Millionen, 2003 schon 834 Millionen.
40% der Menschen auf der Welt leben mit
weniger als 2 Dollar pro Tag. Das Durchschnittseinkommen weltweit beträgt 5000 US-Dollar (6752 Euro)
im Jahr, macht pro Tag 18,50 Euro. 90% der Weltbevölkerung liegen darunter.
Während die Zahl der Armen in Asien
seit Anfang der 90er Jahre jedoch zurückgegangen ist, geringfügiger in Lateinamerika, stagniert
sie in Afrika und im Nahen Osten auf hohem Niveau, in Osteuropa und in der Sowjetunion aber ist sie in die
Höhe geschnellt. Afrika und Lateinamerika haben die meisten Kredite vom IWF erhalten. Diese waren
stets mit der Auflage verbunden, die Märkte zu öffnen und den Multis unbegrenzte Freiheiten zu
gewähren. Die Folge war, dass in den letzten 20 Jahren der Anteil der verarbeitenden Industrie am
Bruttoinlandsprodukt in Afrika um 2 Prozentpunkte, in Lateinamerika sogar um 10,4 Prozentpunkte
zurückgegangen ist.
Die Verschuldungspolitik der G8 und der
internationale Freihandel hemmen somit das Wirtschaftswachstum und eine eigenständige industrielle
Entwicklung in den Entwicklungsländern.
In den vom IWF kontrollierten Regionen
Asiens betrug das Wirtschaftswachstum in den letzten 20 Jahren 2,9%; in Ostasien, wo der IWF wenig
präsent ist, 9,5%; am stärksten ist es in China, das seine Märkte gegenüber dem Zugriff
der Multis bisher relativ abgeschottet hält.
Die Verantwortungslosigkeit der G8 vor
allem gegenüber Afrika hat zuletzt die Initiative der Kulturschaffenden um Herbert Grönemeyer
lautstark angeprangert. Die Bundesregierung schmückt sich zum Gipfel mit einer Afrika-Initiative, die
eher eine Verhöhnung ist. Sie läuft unter dem Motto: "Wachstum und Verantwortung in Afrika
Gute Regierungsführung, nachhaltige Investitionen, Frieden und Sicherheit und die
Bekämpfung von HIV/Aids". Damit dies niemand missversteht, unterstreicht die Regierung, dass es
nicht um Entschuldung oder um neue Mittelzusagen geht, sondern darum, dass Afrika seine Eigenanstrengungen
zur Verbesserung der Regierungsarbeit verstärken muss, wenn es zusätzliche Investitionen aus dem
Ausland will. So ist es kein Wunder, dass der Kontinent verstärkt in China um Mittel für die
Entwicklung anfragt schlechter kann es ihm dabei nicht ergehen.
200 Jahre nach der offiziellen Beendigung
der Sklaverei in Großbritannien leidet Afrika immer noch unter den Folgen von 500 Jahren Versklavung
und Kolonialismus. Europa und die USA sind historisch die Schuldner Afrikas, nicht seine Gläubiger
diese Schuld muss endlich zurückgezahlt werden!
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Armut und Gewalt schaffen vor allem in Afrika unerträgliche Lebenslagen, welche die Menschen dazu
drängen auszuwandern. Die reichen Länder bauen an ihren Grenzen deshalb rigide Kontrollsysteme
auf, die täglich Dutzende Menschenopfer an der Südgrenze Algeriens oder beim Fluchtversuch
über das Mittelmeer oder an der Grenze Mexikos zu den USA fordern. Sie versuchen damit, sich einen
Teil der Folgen ihrer Politik vom Hals zu halten.
Andererseits brauchen sie gut ausgebildete
Fachkräfte aus den Ländern des Südens in Deutschland vor allem im IT-Bereich, in der
Pflege und auf dem Bau. Die Politik der G8 zielt darauf, nur noch solche Einwanderer zuzulassen, die hoch
qualifiziert sind, nur einen vorübergehenden Aufenthaltsstatus genießen, und deren Familien vor
allem nicht nachkommen dürfen. Illegale Einwanderung kann dadurch nicht gestoppt werden, aber illegale
Einwanderung wird als "terroristisch" kriminalisiert.
Zentrale Maßnahmen zur Bekämpfung
des Terrors nach innen, wie die Speicherung biometrischer Daten, der ungehinderte Datenabgleich und
verdachtsunabhängige Kontrollen wurden nach dem 11.September als erste an Migranten erprobt. Jetzt
werden sie auch auf die einheimische Bevölkerung ausgedehnt.
Lange vor dem 11.September haben die G7
damit begonnen, einen direkten Bezug zwischen Migration und Terrorismus herzustellen. Migration taucht vor
allem im Zusammenhang mit Menschenhandel und organisierter Kriminalität auf. Deutschland hält
einen traurigen Rekord in der Verknüpfung des Antiterrorkampfs mit der Bekämpfung des
"Asylmissbrauchs durch Terroristen".
Der Grundrechte-Report 2007 wirft der
Polizei in zahlreichen Fällen grobe Rechtsverletzungen und eine zunehmende Missachtung der
Rechtsprechung vor. Vor allem die Polizeigesetze der Länder würden die Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts an die elektronische Überwachung systematisch missachten.
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Zur heimlichen Agenda des G8-Gipfels gehört die Verschiebung der Machtgleichgewichte zwischen den
Industrieländern und einigen bevölkerungsreichen Schwellenländern wie die BRIC-Staaten
(Brasilien, Russland, Indien und China).
Die Politik der G8, mit Hilfe der
Schuldsklaverei und der Schürung bewaffneter Konflikte Afrika und Lateinamerika wieder auf den Status
von Kolonien herabzudrücken, stößt seit Mitte der 90er Jahre auf weltweiten Protest.Das
Anwachsen sozialer Bewegungen in den Industrieländern und deren Soldarisierung mit den Ländern
des Südens vor allem im Rahmen des Weltsozialforums hat auch den Entwicklungsländern neues
Selbstbewusstsein verliehen.
24 von ihnen aus Afrika,
Lateinamerika und Asien haben sich einen eigenen Zusammenschluss gegeben (die G24): sie wenden sich
gegen die Auflagen, die mit den Krediten von IWF und Weltbank verbunden sind.
Die BRIC-Staaten aber, in denen 40% der
Menschheit leben, haben in den letzten Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum erlebt; sie erwirtschaften
derzeit ein höheres Bruttoinlandsprodukt als die EU. Sie sind mit Kooperationsabkommen untereinander
verbunden, die sich vor allem auf die Lieferung von Energie und Rohstoffen beziehen. Sie pflegen intensive
Beziehungen mit dem Iran und Venezuela, mit denen sie Energietransportwege verbinden, die von den G7 nicht
mehr kontrolliert werden. Das gibt ihnen Spielraum gegenüber dem Diktat der G7.
Hier sehen die G7 ihre Felle davon
schwimmen. Um dies zu konterkarieren, will die Bundesregierung die "transatlantische
Gemeinschaft" stärken (G2: USA und EU). Sie will auf dem Gipfel den Grundstein für eine
transatlantische Freihandelszone legen. Das Projekt trifft in den USA noch auf Widerstand; aber es eignet
sich hervorragend als materielle Untermauerung des ideologischen Kreuzzugs des Westens für seine
"Werte" gegen den Rest der Welt, die Länder des Südens vor allem. Die brauchen nicht
mehr den Sozialismus einzuführen, um zum Beelzebub zu werden, es reicht dass sie die kapitalistischen
Werte für ihr jeweiliges Land erfolgreich umsetzen dann geraten sie automatisch in Konflikt mit
den reichen Sieben. Dann gehören sie nicht zur Wertegemeinschaft oder sind terroristisch. Wenn sie
sich darüber hinaus noch anmaßen, militärisch einigermaßen mit dem Westen
gleichzuziehen, wie der Iran, sind sie es wert bombardiert zu werden.
Die Konkurrenz aus dem Süden spaltet
die G8 aber auch: Während Deutschland ein Interesse daran hat, mit Russland auf dem Feld der
Energieversorgung stärker zu kooperieren, wollen die USA ein solches Zusammenrücken verhindern.
Ihr Raketenstationierungsprogramm in Osteuropa richtet sich nicht gegen den Iran, auch nicht in erster
Linie gegen Russland, sondern vor allem gegen China, gegen das die USA eine Allianz schmieden. Es hat
darüber hinaus den für die USA durchaus wünschenswerten Effekt, dass es einen Spaltpilz in
die EU treibt und geeignet ist, die Bildung eines Blocks zwischen der EU und Russland zu stören.
Die heuchlerische Menschenrechtspropaganda
der Bundesregierung gegenüber Russland ist Teil der deutschen Schaukelpolitik zwischen ihren
Interessen jenseits des Atlantik und ihren Interessen im Osten.
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Die Verteilungskämpfe um die verfügbaren fossilen Energiequellen nehmen zu. Der
wirtschaftliche Aufschwung in den bevölkerungsstarken Ländern des Südens von dem die
Multis stark profitieren frisst viel Energie. China ist aus einem Selbstversorgerland zu einem
Importland von Energie geworden.
Zwei Jahre vor dem 11.September, im April
1999, beschloss die NATO deshalb eine neue Strategie: Aus einem Verteidigungsbündnis wurde ein
Interventionsbündnis. Die NATO hat jetzt den Auftrag, "Krisen zu bewältigen", als da
sind: ethnische und religiöse Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, unzureichende oder
fehlgeschlagenen Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten, die Auflösung von Staaten
aber auch Akte des Terrors, der Sabotage und des organisierten Verbrechens, sowie die Unterbrechung
der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen.
Die nationalen Sicherheitsdoktrinen haben
sich der neuen Aufgabenstellung angepasst. In den USA verkündete Bush im Jahr 2000 eine Nationale
Sicherheitsstrategie, die den präventiven Einsatz von Atomwaffen für operative Zwecke vorsieht.
Erstmals angewendet wurde die
"antizipatorische Selbstverteidigung" beim Überfall auf den Irak. In den Planungen
Washingtons für einen Krieg gegen den Iran ist ein Erstschlag taktischer Atomwaffen gegen iranische
Bunkeranlagen schon enthalten. Die Abstimmung über das Vorgehen gegen den Iran wird ebenso wie
das Raketenabwehrprogramm auf dem G8-Gipfel selbstverständlich Thema sein.
Deutschland ist dieser Strategie 1:1
gefolgt. In ihrem neuen Weißbuch bezeichnet die Bundesregierung den "freien Welthandel" als
"Grundlage einer sicheren Energiezufuhr und unseres Wohlstands". Daraus leitet sie das Recht ab,
Deutschland auch am Hindukusch zu verteidigen. Einsatzgebiet der Bundeswehr und der Nachrichtendienste ist
nunmehr die ganze Welt.
Dasselbe gilt für die EU. In der
Europäischen Sicherheitsstrategie lässt sich der Hintergrund für die neue Militarisierung
der Außenpolitik der G8 vielleicht am klarsten nachlesen:
"Eine Reihe von Staaten",
heißt es da, "hat sich von der internationalen Staatengemeinschaft abgekehrt. Einige haben sich
isoliert, andere verstoßen beharrlich gegen die internationalen Normen. Es ist zu wünschen, dass
diese Staaten zur internationalen Gemeinschaft zurückfinden, und die EU sollte bereit sein, sie zu
unterstützen. Denen, die zu dieser Umkehr nicht bereit sind, sollte klar sein, dass sie dafür
einen Preis bezahlen müssen..."
Dies ist nichts anderes als eine
unverhohlene Kriegserklärung an alle Staaten, die nicht länger gewillt sind, sich von den
Konzernen und Banken des Nordens ausnehmen zu lassen. Militärische Intervention und "zivile
Aufbauhilfe" gehen Hand in Hand.
Die Bundesregierung legt großen Wert
darauf, die EU zu einer Militärmacht auszubauen, die gleich stark und einsatzfähig ist wie die
USA. Das ist der wichtigste inhaltliche Zusatz, den der EU-Verfassungsvertrag gegenüber den
Regierungsverträgen aufweist, die bislang das Zusammenleben in der EU regeln. Angela Merkel, bis Mitte
Juni auch Vorsitzende des Europäischen Rats, hat es sich zur Chefsache gemacht, mit Hilfe ihres neuen
Freunds Sarkozy den Verfassungsvertrag wieder aufs Gleis zu bringen und doch noch durchzusetzen
gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerungen in der EU.
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Die Energiefrage ist ein Schwerpunkt in Heiligendamm.
Trotz zunehmender Umweltkatastrophen, und
obwohl der UN-Klimabericht belegt, dass die Erderwärmung von Menschenhand gemacht ist, Millionen
Menschen Leben, Hab und Gut kosten kann und wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe anrichtet,
gehen die G8 zur Tagesordnung über. Sie bleiben unbeirrt beim Vorrang für fossile Brennstoffe und
denken nicht daran, ein international konzertiertes Programm für die sofortige Abkehr von ihnen
aufzulegen. Das Gutachten, das sie bei der Internationalen Energieagentur in Auftrag gegeben haben,
entwirft folgendes Szenario:
"Insgesamt bleiben fossile Brennstoffe
bis 2030 die wichtigste Energiequelle." Der Primärenergieverbrauch wird bis 2030 um mehr als 50%
steigen; der Anteil der fossilen Energieträger erhöht sich sogar von 80 auf 81%; der CO2-
Ausstoß wird deshalb um 55% zunehmen. Die Erklärung von Bundeskanzlerin Merkel im Namen der EU,
bis zum Jahr 2020 den CO2-Ausstoß um 30% senken zu wollen, ist damit wohl hinfällig, wenn nicht
gar eine dreiste Lüge.
Das genannte Szenario bedeutet einen
täglichen Mehrbedarf an Öl von 35%. Woher der kommen soll, ist völlig unklar. Die weltweite
Förderung von Öl soll nach Ansicht von Fachkräften im Jahr 2010 seinen Höhepunkt
erreicht haben danach wird die Ausbeute geringer, die Energiepreise werden in den Himmel klettern.
Die Energieversorgung ist zu einem
primären Standortfaktor im internationalen Konkurrenzkampf geworden. Hier prallen die Interessen aller
Großmächte aufeinander. Der Kampf ums Öl ist die treibende Kraft der heutigen und
künftigen Kriege.
Das ist doppelt selbstmörderisch:
Millionen Menschen sterben durch Kriege, und die Erde wird wegen des kurzfristigen Gewinninteresses von 500
Konzernen für viele unbewohnbar gemacht.
Wir brauchen keinen Krieg ums Öl
weil wir kein Öl brauchen. Wir brauchen eine völlige und sofort einzuleitende Abkehr von
fossilen Brennstoffen und einen Technologiewettbewerb um die umweltfreundlichsten Heiz-, Verkehrs- und
Produktionssysteme.
Die G8 verteidigen ein Wirtschaftssystem
von gestern, ein Transportsystem von gestern, auf einer Energiebasis von gestern. Sie verteidigen nur noch
den Reichtum und die Macht eines winzigen Bruchteils der Erdbevölkerung. Nehmen wir sie ihnen und
machen wir sie unschädlich.
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