SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2007, Seite 14

Ägypten

Internationale Konferenz gegen den Imperialismus

von John Riddell, Kairo

Über 1500 Aktivisten aus dem Nahen Osten und der ganzen Welt trafen sich vom 29.März bis 1.April in Kairo unter der Losung "Für eine internationale Allianz gegen Imperialismus und Zionismus". Die Konferenz — seit 2002 die fünfte, die in Kairo von der "Internationalen Kampagne gegen die US-amerikanische und zionistische Besatzung" veranstaltet wurde — brachte islamische, nationalistische und sozialistische Kräfte aus der Region sowie Delegationen von Antikriegsbündnissen aus Kanada, Korea, Venezuela und Europa zusammen.
Die Konferenz zeigte einen zunehmenden Zusammenhalt dieser Strömungen im Kampf gegen die imperialistische Aggression und die von den USA unterstützten diktatorischen Regime im Nahen und Mittleren Osten.
Bei der Eröffnung der Konferenz kommentierte ein führender ägyptischer Gewerkschafter: "In diesem Jahr wurde über das Projekt der USA in der Region das Todesurteil ausgesprochen." Dieser Optimismus wurde von den Delegierten weitgehend geteilt, die ihre Zuversicht aus vier Rückschlägen zogen, die der Imperialismus während des vergangenen Jahres in der Region erlitten hat:
Während des Krieges im Juli konnte die libanesische Hizbollah der israelischen Invasionsarmee eine schmerzliche Niederlage bereiten.
Nach dem Sieg der Hamas bei den Parlamentswahlen von 2006 haben die Palästinenser den Bemühungen Israels und der imperialistischen Mächte, sie durch eine Blockade zu unterwerfen, erfolgreich widerstanden.
Der Widerstand im Irak hat sich gegenüber den USA und anderen Besatzern als standfest erwiesen.
Angesichts einer massiven Repression hat das ägyptische Volk den Absichten von Diktator Hosni Mubarak, die demokratischen Rechte noch weiter einzuschränken, durch die massive Stimmenthaltung beim Referendum im März — 73% nach Regierungsangaben, 95% nach unabhängigen Beobachtern — eine klare Abfuhr erteilt. Dieser Sieg fällt mit einer fortgesetzten Welle militanter Streiks zusammen.
Für die ägyptischen Oppositionellen, die die Mehrheit der Anwesenden bildeten, war die Teilnahme an der Konferenz ein Akt des Widerstands gegen die proamerikanische Diktatur. Die Koalition demokratischer Kräfte, die die jüngste Kampagne zur Enthaltung beim Referendum geführt hatte — Islamisten der Moslembruderschaft, säkulare Nationalisten in der Tradition des früheren Präsidenten Gamal Abdul Nasser sowie sozialistische Kräfte —, war auch an der Einberufung und Organisierung der Konferenz beteiligt. Deren Debatten waren von gegenseitigem Respekt dieser Strömungen und von breiter Übereinstimmung in Bezug auf ihren politischen Kurs getragen.
Von den Delegationen aus anderen Ländern genossen die Vertreter von Hamas und Hizbollah das größte Prestige. Die ägyptische Regierung verwehrte Delegationen aus dem Irak und dem Iran die Einreise. Aber ein halbes Dutzend andere Länder der Region war vertreten, ebenso wie eine Reihe europäischer Länder, sowie Abordnungen aus Venezuela und Indien.
Die Konferenz wurde gleichzeitig mit dem Dritten Kairoer Sozialforum organisiert, das Diskussionen mit Aktiven aus der Arbeiter-, Bauern-, Studenten- und Frauenbewegung organisierte. Über 200 Teilnehmende kamen von außerhalb des Nahen Ostens. Die Diskussionen fanden auf Arabisch, Englisch und gelegentlich Koreanisch teil.
Für ägyptische Aktivisten, deren Veranstaltungen routinemäßig von der Polizei verboten oder angegriffen werden, war die Konferenz eine seltene Gelegenheit, sich freimütig zu äußern. Vor den überfüllten Versammlungssälen gab es Literaturstände der verschiedenen Gruppen, die gewöhnlich von Hunderten intensiv diskutierenden Teilnehmern belagert waren.
Sprecher der verschiedenen Strömungen betonten ihre gesellschaftliche Vision des Nahen Ostens. Die ägyptische Moslembruderschaft verteilte ihr Programm, das zur Partnerschaft mit der beträchtlichen christlichen Minderheit des Landes und zur Respektierung ihres Glaubens aufruft. Viele Sprecher betonten, dass sie sich nicht im Gegensatz zum jüdischen Volk sehen: "Wir sind nicht gegen die Juden, sondern gegen den Zionismus", sagte ein ägyptischer Vertreter einer antizionistischen Initiative. "Und es gibt viele, die Zionisten sind, ohne Juden zu sein, wie George Bush oder die meisten arabischen Führer."
In einem Beitrag auf dem Plenum äußerte ein führender Vertreter der Hizbollah, dass "die islamischen Bewegungen die Demokratie anwenden müssen", die er als "eine Brücke zu einer besseren Welt in der arabischen Region" beschrieb. Der Staat, so betonte er, müsse religiös neutral sein. "Die Regierung mag islamisch sein, aber die Gesellschaft muss für alle Standpunkte offen sein. Wie der Koran feststellt, können wir dem Volk die Religion nicht aufzwingen."
Der Hizbollah-Führer kritisierte einige islamische Gruppen, die alle anderen — auch andere islamische Gruppen — als Feind betrachten. "Sie werden deshalb scheitern." Aber Hizbollah und Hamas "haben keine Probleme, mit der Linken zusammenzuarbeiten", sagte er und verwies auf den Nachdruck, den der italienische Marxist Antonio Gramsci auf eine breite Einheit der Volksmassen gelegt habe. "Die Arbeit gegen den Imperialismus kann nicht nur von einer Strömung durchgeführt werden."
Auch sahen die islamischen Delegationen keine eiserne Mauer zwischen ihren Bestrebungen und denen der antikapitalistischen Bewegungen. Die Konferenzerklärung erwähnt die Bedeutung der "Verbindung des Kampfes gegen Kolonialismus und Rassismus mit dem Kampf gegen die kapitalistische Globalisierung und den Neoliberalismus".
Viele Sprecher aus dem Nahen Osten betonten, dass sie die Kämpfe in Lateinamerika als einen festen Partner ihrer Bewegung betrachten. Manche verwiesen auf Venezuela als "das Land, das bei der Ablehnung des Libanonkriegs mutiger war als viele arabische Regime", als ein Land, "das von Sozialismus und Verstaatlichung spricht, während unsere Länder Privatisierungen durchführen".
In der Abschlussveranstaltung kam der Hizbollah-Führer auf diesen Punkt zurück: "Die Kämpfer in Venezuela stehen uns näher als die Araber, die mit dem Imperialismus übereinstimmen." Die Konferenzerklärung betont die Aufgabe, "die wachsenden linken Bewegungen in Lateinamerika mit den Antikriegsbewegungen einerseits und mit den Widerstandsbewegungen und nationalistischen Kräften in der arabischen Region andererseits zu verbinden".
Die alljährliche Kairoer Konferenz ist zu einem bedeutenden Vehikel für die Bemühungen geworden, Gegner des Imperialismus aus der Ersten und Dritten Welt zusammenzubringen.

Eine längere Version dieses Berichts findet sich auf www.socialistvoice.com . Zur Konferenzerklärung.


(Übersetzung: Hans-Günter Mull.)


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