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Das G8-Treffen Anfang Juni hat gezeigt, wie der dringend notwendige Kampf
gegen die Klimaveränderung instrumentalisiert und auf kriminelle Weise weiter aufgeschoben werden
kann. Während sie Effekthascherei im großen Maßstab betrieben, haben die Herren der Welt den
Interessen des Kapitalismus im Allgemeinen und "ihrer" Kapitalisten im Besonderen
den Vorzug gegenüber der Erhaltung des Gleichgewichts der Biosphäre gegeben.
Obwohl die Getreidevorräte im Jahr
2006 aufgrund der Dürren auf 16% des weltweiten Verbrauchs gefallen sind, der Preis für Mais
aufgrund der Begeisterung der US-Landwirte für die Produktion von Ethanol enorm gestiegen ist und der
Strom der Klimaflüchtlinge anschwillt, haben sich die an der Ostseeküste versammelten Führer
der G8 nur auf ein weiteres vages Versprechen einigen können: "Wir werden ein weltweites Ziel der
Emissionsreduktion festlegen", und "wir werden aufmerksam die Beschlüsse der
Europäischen Union, Kanadas und Japans prüfen, die vorsehen, die weltweiten Emissionen bis 2050
um mindestens die Hälfte zu reduzieren".
Angela Merkel hat sich dafür stark
gemacht, eine Übereinkunft auf der Basis der im Post-Kyoto-Prozess gezogenen Linien zu erzielen. Dank
des "Dialogs von Gleneagles" konnte sie versuchen, die USA und die großen
Schwellenländer auf verpflichtende Prinzipien zum Klimaschutz festzulegen. Angelehnt an die EU und
unterstützt von Japan schlug sie dem G8-Gipfel vor, sich für eine 50%ige Reduktion der weltweiten
Emissionen bis 2050 auszusprechen. Dabei sollte der mittlere Temperaturanstieg im Vergleich zur
vorindustriellen Zeit 2°C nicht übersteigen. Am Ende musste die Kanzlerin klein beigeben. Das hielt
sie nicht davon ab, beim Abschluss des Gipfels von einem Erfolg zu sprechen. Die Unterstützung durch
die Wähler muss durch Schlagzeilen abgesichert werden.
Eine detaillierte Untersuchung zeigt das
Ausmaß von Merkels Medienzauberei. Das Ziel einer 50%igen Reduktion bspw. kann je nach Referenzjahr
Unterschiedliches bedeuten. Deshalb scheint auch der kalifornische "Klimaplan" sehr radikal, wenn
er eine 25%ige Reduktion bis 2020 vorsieht. Aber diese 25% sind eine Schätzung auf der Grundlage eines
hypothetischen Emissionswerts, der 2020 erreicht werden würde, wenn keine Gegenmaßnahmen
eingeleitet werden. Die Ziele von Kyoto hingegen sind auf der Grundlage des Jahres 1990 formuliert worden.
Tatsächlich werden die kalifonischen Emissionen von Treibhausgasen auf den Wert von 1990
zurückgefahren im Jahre 2020, acht Jahre nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls, das eine
Verminderung der Emissionen um 7% vorsieht.
Die Frage des Referenzjahrs ist also kein
nebensächliches Detail. Merkel weiß das, und es ist kein Zufall, dass sie dieses Projekt in
keiner Weise präzisiert hat. Es geschah auch nicht aus wissenschaftlicher Unkenntnis, als die
Kanzlerin (sie ist Physikerin) zwei miteinander völlig unvereinbare Ziele verteidigte: Um unter einer
Grenze von 2°C Temperaturerhöhung zu bleiben, bedarf es einer Verminderung der Emission von
Treibhausgasen von mindestens 80% bis 2050 und nicht 50%. Es ist klar, dass die Präsidentin des
Gipfels die große Retterin des Klimas spielen wollte, wie vor ihr schon Blair.
In Heiligendamm hat G(lobal) W(arming) Bush seine Rolle als Klimaganove leicht modifiziert. Seine
Verhinderungspolitik erscheint einem wichtigen Teil der herrschenden Klasse in den USA unhaltbar. Besonders
angesichts des chinesischen Vorschlags, der die Behauptung, die ökonomisch aufstrebenden Länder
würden nichts tun, Lügen strafte, konnte der Bewohner des Weißen Hauses nicht mehr als
"Mister No" des Klimas auftreten.
Eine Woche vor dem Gipfel schlug er den 15
größten Emissionsverursachern vor, sich im Herbst zu treffen. Das Ziel: Die Abgleichung der
jeweiligen nationalen Pläne zur Emissionskontrolle für die Zeit von 2012 bis 2030 und als
Krönung des Ganzen eine nicht zwingende Vereinbarung über die weltweite Emission von
Treibhausgasen. Die Rechtfertigung: Ein Vorgehen von unten nach oben ("bottom up") sei besser als
eines von oben nach unten ("top bottom") wie das von Kyoto. Der Hintergrund: Wenn die USA einem
Zeitplan zur Reduktion von Emissionen folgen müssen, soll es der von Kalifornien sein. Es kommt nicht
in Frage, dass sie zu Reduktionszielen verpflichtet werden, die ihrer Situation als Hauptverantwortlicher
für den Klimawandel entsprechen.
Das Manöver ist nicht ungeschickt.
Neben dem innenpolitischen Druck in den USA müssen zwei andere Elemente berücksichtigt werden.
Erstens: Die herrschenden Klassen der großen Entwicklungsländer wollen möglichst viele
Möglichkeiten behalten, um eine kapitalistische Entwicklung auf der Grundlage fossiler Brennstoffe
voranzutreiben. Sie haben es nicht eilig mit einer Einigung zwischen der EU, Japan und den USA über
eine gemeinsame Klimapolitik, die die Länder des Südens unter erhöhten Druck setzen
würde. Auch wenn dieser Druck wegen der ökologischen Schulden von Grund auf ungerecht ist, haben
einige Regierungen die Tendenz, das Argument umzudrehen.
Zweitens: Die EU hat viel in die
Führerschaft in der Klimafrage investiert. Sie kann diesen Vorteil aber nicht ohne eine weltweite
Vereinbarung ausbauen, die die USA mit einschließt. Dank des europäischen Systems für den
Emissionshandel ist z.B. die Londoner City gut platziert, zur Drehscheibe des Weltmarkts für
Kohlenstoff zu werden. Aber damit dies geschieht, muss eine Verlängerung von Kyoto gefunden werden,
die alle Parteien einbezieht. Eine Hand wäscht die andere das ist das Niveau der
Abschlusserklärung des G8-Gipfels.
Was sagt die Erklärung wirklich? Die Medien haben sich die beiden kurzen, bereits zitierten
Sätze herausgegriffen. Man freut sich darüber, dass die Klimakonferenzen der UNO als
"geeignete Instanz des Dialogs bei Verhandlungen" bestätigt werden. Diese Darstellung ist
trügerisch, denn sie vermittelt den Eindruck, dass die Bush-Regierung nicht viel gewonnen habe. Die
Abschlusserklärung übernimmt aber schlicht und ergreifend den Vorschlag des amerikanischen
Präsidenten: "Um der drängenden Herausforderung des Klimawandels zu begegnen, ist es
entscheidend, dass die großen Ökonomien, die den größten Teil der Treibhausgase
produzieren, sich bis Ende 2008 auf einen detaillierten Vorschlag zur Schaffung eines neuen internationalen
Rahmens verständigen." Es wird sogar festgelegt, dass "im Rahmen des Prozesses, der alle
großen Produzenten von Treibhausgasen umfasst", das "weltweite Ziel der Reduktion" neu
definiert wird und dass eine 50%ige Verminderung "aufmerksam geprüft" werden wird.
Nichts garantiert also, dass Bushs Bottom-
up-Methode zugunsten eines Vorgehens aufgegeben wird, das die physischen Zwänge des Klimas
stärker berücksichtigt. In Bezug auf die Orte der Entscheidungsfindung bleibt die Erklärung
sehr wirr. Sie scheint eher anzukündigen, dass man auf der Suche nach einem wackligen Kompromiss ist,
der vor indiskreten Blicken geschützt werden soll.
Letztendlich scheint eine weltweite
Übereinkunft, die deutlich über Kyoto hinausgeht, langfristig unvermeidlich. Die Situation
verlangt dies objektiv. Die kapitalistischen Regierungen können nicht ewig fortfahren, (fast) nichts
zu tun: Der soziale, ökonomische und politische Preis könnte viel zu hoch werden. Die Bedeutung
der Klimafrage auf dem Gipfel in Heiligendamm ist Ausdruck dieser Realität.
Aber drei Dinge scheinen klar zu sein.
Erstens: Das Fehlen jedweder imperialistischen Führung kompliziert die Angelegenheit ungemein.
Zweitens: Die Vereinbarung, die die Herren der Welt eines Tages aus dem Hut ziehen werden, wird nicht
erlauben, das Klima auf die beste noch mögliche Weise zu retten, sondern nur soweit es sich auszahlt.
Drittens: Hunderte Millionen, ja Milliarden von Menschen größtenteils Lohnabhängige
und Arme werden den Preis für diese zynische Politik zahlen. Unter diesen Bedingungen
stößt die Lobbyarbeit der Umweltorganisationen deutlich an ihre Grenzen. Die Schaffung einer
umfassenden weltweiten Mobilisierung zur Rettung des Klimas und für soziale Gerechtigkeit erweist sich
als so dringlich wie nie zuvor.
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