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Am 27.Mai lief für den Fernsehsender RCTV des Multimillionärs
Marcel Granier die 20 Jahre lang gewährte Konzession aus, TV-Sendungen über den staatlichen Kanal
2 auszustrahlen. Die Regierung Chávez entschied, in Einklang mit Gesetzen aus der Vor-Chávez-
Ära, die Konzession für RCTV nicht zu erneuern und den Kanal stattdessen für eine neue
öffentliche TV-Station, TVes, zu verwenden.
Der neue Sender, der seinen Betrieb am
27.Mai aufnahm, wurde durch eine Anleihe einer staatlichen Bank errichtet. Die Regierung wird über den
Inhalt der Sendungen nicht bestimmen können, da der Sender Programme kauft, die von unabhängigen
Produzenten produziert werden.
RCTV wird über Satellit oder Kabel
weiter ausstrahlen können, und die Leitung des Senders hat bereits signalisiert, dies zu tun. Für
den Fall dass der Sender die Nichtverlängerung der Konzession zum Vorwand für die Entlassung von
Beschäftigten nimmt, hat die venezolanische Regierung allen Beschäftigten von RCTV Jobs beim
neuen Sender garantiert.
Die Regierung hat erklärt, dass ihre
Entscheidung das direkte Ergebnis wiederholter Gesetzesverstöße durch RCTV ist. RCTV ist
verantwortlich für mehr als 600 Verletzungen des venezolanischen Rundfunkgesetzes, darunter die
regelmäßige Ausstrahlung von Pornografie, und hat die Zahlung von deshalb verhängten
Geldbußen verweigert. Der Sender wurde auch beschuldigt, keine Steuern zu zahlen, und dafür
kritisiert, dass in seinem Programm Venezolaner indigener oder afrikanischer Herkunft selten zu Wort
kommen, obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerung stellen.
Entscheidender Beweggrund für die
Nichterneuerung der Konzession war die Rolle von RCTV beim Militärputsch vom April 2002. Damals
stürzten von den USA unterstützte Militärs die Regierung Chávez, die anschließend
durch einen Aufstand der armen Volksmassen wieder eingesetzt wurde. Während ihrer kurzen Zeit an der
Macht dankten die Putschisten dem Sender RCTV öffentlich für seine Hilfe.
Diese Tatsachen wurden in einer internationalen Kampagne der bürgerlichen Medien zur
Unkenntlichkeit verdreht. Sie behaupten, die Regierung Chávez steuere auf eine Diktatur zu, obwohl
Pro-Chávez-Kräfte elf landesweite Wahlen hintereinander gewonnen haben und Chávez im
Dezember mit einem Rekordergebnis in der Geschichte Venezuelas wiedergewählt wurde.
Die Kampagne basierte auf systematischen
Lügen und Tatsachenverdrehungen. Darunter ist vor allem die Behauptung , RCTV sei "dicht
gemacht" worden, obwohl der Sender weiter ausstrahlen darf. Am 21. Mai behauptete CNN, dass RCTV
"geschlossen wird und nicht mehr ausstrahlen kann, weil Präsident Hugo Chávez kein
großer Fan von ihm ist".
Die bürgerlichen Medien haben die
Tatsache ignoriert, dass 79 von 81 Fernsehstationen und 706 von 708 Radiostationen in Privatbesitz sind und
dass die Mehrheit der privaten Medien entschieden gegen Chávez eingestellt ist. Seit Chávez 1998
gewählt wurde, wurden nur zwei TV-Sender geschlossen: der staatliche Kanal 8 während des Putsches
von den Putschisten und der kommunale Fernsehsender Catia TV im Juli 2002 vom damaligen Bürgermeister
von Caracas und Putschanführer Alfredo Peņa.
Die Redefreiheit wurde unter der Regierung
Chávez ausgedehnt. Unmittelbar nach Chávez Machtantritt wurde ein Gesetz verabschiedet, das
der gesamten Bevölkerung das Recht gibt, die Frequenzen des Landes zu benutzen. Dies legalisierte eine
große Zahl vorher illegaler "Piratenradiosender" die Art von Sendern, die in den USA
immer noch illegal sind. Die Regierung hat kommunale Medien, insbesondere Radios, die in den letzten Jahren
aufgeblüht sind, aktiv gefördert. Der neue Sender TVes soll der wachsenden Bewegung
unabhängiger Medienproduzenten ein Betätigungsfeld schaffen.
Keiner der Kritiker konnte die Frage
beantworten: Welche andere Regierung auf der Welt würde die Lizenz eines Senders erneuern, der aktiv
an einem Putsch gegen die legitime Regierung beteiligt war? Die Toleranz der Chávez-Regierung
gegenüber den am Putsch beteiligten privaten Medien ist bemerkenswert. Die Regierung hat nicht
versucht, RCTV zu schließen oder seine Besitzer einzusperren, oder auch nur seine Lizenz zu
annullieren, obwohl sie eine legale Handhabe dazu gehabt hätte. Stattdessen erlaubte sie, dass die
Konzession fristgemäß auslief und entschied sich dann, sie anderweitig zu vergeben. Fairness and
Accuracy in Reporting (FAIR, eine US-amerikanische Organisation, die die Medien beobachtet)
veröffentlichte eine Stellungnahme, die die Medienkonzerne heftig kritisiert und feststellt: "Es
ist wahrhaft verblüffend, dass dieser Gesellschaft [RCTV] nach dem Putsch fünf Jahre lang erlaubt
wurde zu senden."
Die Regierung sagt, dass sie die Medien
"demokratisieren" will, sodass diejenigen, die vorher von ihnen ausgeschlossen waren, eine Stimme
haben. 80% der in Venezuela produzierten Botschaften, Informationen und Medieninhalte werden entweder von
Marcel Granier oder vom Milliardär Gustavo Cisneros, dem Venevision gehört, kontrolliert. Beide
sind mit Enkelinnen von William H. Phelps Jr. verheiratet, dem Gründer der Unternehmensgruppe 1BC, die
RCTV betreibt. Cisneros ist auch einer der reichsten Männer Lateinamerikas und Besitzer mehrerer
Firmen in Venezuela und in der Region.
Im Mittelpunkt der Kampagne über die
Medien in Venezuela steht die von der Regierung Chávez angeführte bolivarianische Revolution, die
den Reichtum der Nation umverteilt und die ökonomische und politische Macht der Oligarchie bricht. Der
revolutionäre Prozess ermächtigt zunehmend die werktätige Bevölkerung und die Armen
mittels der Beteiligungsdemokratie. Die Demokratisierung der Medien ist ein wichtiger Teil dieser Kampagne.
Im Einklang mit ihrer zutiefst demokratischen Natur ist die Revolution bestrebt, das Medienmonopol zu
brechen nicht durch die Knebelung der reichen Minderheit, die das Monopol ausübt, sondern
dadurch, dass diesem Monopol eine Explosion neuer Medien entgegengesetzt wird, die von denen betrieben
werden, die vorher keine Stimme hatten.
Alle Versuche, diese friedliche und
demokratische Revolution zu stoppen, sind gescheitert, und die Opposition ist zunehmend verzweifelt. An der
Demonstration gegen die Nichtverlängerung der Lizenz für RCTV am 26. Mai nahmen weniger als 10000
Menschen teil, was die bürgerlichen Medien nicht daran hinderte, von mehreren Zehntausend zu sprechen.
Die weitaus größeren Demonstrationen für die Entscheidung der Regierung, die oft spontan
organisiert waren, wurden von den internationalen Medien ignoriert.
Nachdem die Opposition eine
größere Massenmobilisierung nicht zustande brachte, nahm sie Zuflucht zur Gewalt: Studenten der
wohlhabenden Universitäten, die Bastionen der Elite sind, gingen auf die Straße, verbrannten
Reifen und Müll, um die Straßen zu blockieren, und griffen Polizisten mit Steinen an. Das
unvermeidliche Bild von Polizisten, die gewaltsam die Straße räumen, rissen die bürgerlichen
Medien aus dem Zusammenhang und suggerierten ein zunehmend autoritäres Regime in Venezuela. Dieselben
Medien ignorierten, dass die Studierenden der von der Regierung Chávez gegründeten
Bolivarianischen Universität, die geschaffen wurde, um den von den alten Universitäten
ausgeschlossenen Armen eine kostenlose Ausbildung zu ermöglichen, am 29. Mai für die Entscheidung
der Regierung auf die Straße gingen. Aporrea.org berichtete am 2. Juni, die Avenida Bolívar in
Caracas sei von einem "roten Menschenmeer" aus dem ganzen Land gefüllt gewesen, die gegen
die Gewalt der Opposition und für die Haltung der Regierung demonstrierten.
Die Regierung glaubt, hinter der RCTV-
Kampagne stehe eine neue Verschwörung zur Destabilisierung des Landes, um die Regierung zu
untergraben, sie international zu isolieren und die Grundlage für ihren Sturz und die Aufhebung der
Errungenschaften der Revolution zu legen. Am 30.5. erschien eine Stellungnahme von über 600
Organisationen, darunter Gemeinderäte, politische Bewegungen, kommunale Medien und Kooperativen, die
die Entscheidung der Regierung in Bezug auf RCTV begrüßte und die Proteste der Opposition als
Bestandteil einer "imperialen Strategie" bezeichnet.
Angesichts der Medienkampagne hat die
Regierung angekündigt, die Generalstaatsanwaltschaft werde eine Untersuchung über die
Berichterstattung von CNN und den venezolanischen Sender Globovision einleiten. Die Regierung ist
empört, dass eine spanische CNN-Sendung Proteste in Mexiko als Proteste in Venezuela gegen die RCTV-
Entscheidung ausgab und CNN jüngst ein Bild von Chávez neben dem Bild eines ermordeten Al-Qaeda-
Führers zeigte. Nach Auffassung der Regierung wollte Globovision zu Chávez Ermordung
anstacheln, als der Sender nach einem Interview mit Granier Bilder von dem gescheiterten Attentat auf Papst
Johannes Paul II. brachte, während gleichzeitig ein Song mit dem Text "Glaub daran, es ist hier
noch nicht zu Ende" gespielt wurde.
Venezuela ist Heimat der größten
Ölvorkommen der Welt im Orinoko-Gebiet. Am 1.Mai verstaatlichte die Regierung Investitionen von sechs
US-amerikanischen und europäischen Ölgesellschaften. Wie das Beispiel Irak zeigt, scheinen die
Medienkonzerne, wenn es um die Profite aus dem Öl geht, bereit, jeden Unsinn zu schlucken, den ihr die
Bush-Administration und ihre Verbündeten vorsetzen. Der "Angriff auf die Meinungsfreiheit",
der angeblich in Venezuela stattfindet, spielt sich in Wirklichkeit am selben Ort ab wie die angeblichen
Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins in den Köpfen des US State Department.
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