SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2007, Seite 22

Moderne Söldner

Rolf Uesseler: Krieg als Dienstleistung, Berlin: Christoph Links 2006, 240 Seiten, 14,90 Euro

von Albrecht Kieser

Rolf Uesseler beschreibt, wie durch private Militärfirmen nach und nach die Demokratie unterwandert wird. Trotz der Brisanz des Themas erschienen bislang nur Rezensionen in der "FAZ", der "FR" und "Das Parlament". Diese befanden Oesselers Kritik an den demokratiezerstörenden Folgen dieser Art von Privatisierung als überzogen.
Im Februar 2006 berichtete Diligence LLC über die Eröffnung eines Büros in Berlin. Diligence LLC gehört zur aufstrebenden Branche der — euphemistisch genannten — Sicherheitsunternehmen; Uesseler nennt sie prägnanter private Militärfirmen (PMF). Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2000; mit von der Partie ist William Webster, ehemals Leiter des FBI, danach Leiter der CIA. Im Management des Unternehmens sitzen u.a. der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Burt, und Charles Powell, früherer außenpolitischer Berater von Margaret Thatcher.
Per Internet bietet Diligence privaten Unternehmen, die in Osteuropa expandieren wollen, nachrichtendienstliche Information an, Risikoanalysen und Unterstützung bei "unvorhergesehenen Ereignissen". Denn die neuen Sicherheitsfirmen suchen ihre Kundschaft nicht nur unter Regierungen und Armeen aus aller Herren Länder, sondern auch unter Privatunternehmen, die in neue, gefährliche oder unsichere Regionen vorstoßen wollen.
Was Rolf Uesseler, Publizist und Wissenschaftler, in seinem Buch Krieg als Dienstleistung über das Geschäftsgebaren in diesem neuen Zweig herausgefunden hat, lässt jedem den Atem stocken, der nach dem Ende der Blockkonfrontation irgendwie die Hoffnung hegte, die Welt würde friedlicher werden. Die Militäretats der Industriestaaten werden zwar tatsächlich heruntergefahren — aber profitorientierte Privatfirmen, die mehr als nur die Jobs der staatlichen Armee übernehmen, machen den Abbau des etablierten Militärs mehr als wett; zwar werden sie ebenfalls aus Steuergeldern bezahlt, aber eben nicht nur aus dem Militäretat.
Diligence LLC gehört zu den wichtigsten privaten Militärfirmen im Bereich der Nachrichtendienste. Diesen Bereich stellt Rolf Uesseler als einen von vieren vor, in denen die Privatisierung der militärischen Gewalt seit einigen Jahren in rasendem Tempo vorangetrieben wird. Nach Schätzungen geht bereits die Hälfte des 40 Milliarden Dollar schweren staatlichen Geheimdienstbudgets der USA in Aufträge an Privatfirmen wie Diligence LLC. Hier werden Daten gesammelt und ausgewertet, werden militärische Konkurrenten und ökonomisch profitables Terrain ausgespäht und Militärschläge genauso vorbereitet wie die Abholzung des Regenwalds, die von Privatarmeen abgesichert wird.
Die anderen drei Sektoren, in denen sich private Militärfirmen ausbreiten, beschäftigen sich mit nicht weniger wesentlichen Bereichen militärischer Gewalt. Da sind zum einen die Firmen, die ihre Dienste und Söldner im militärischen Kerngeschäft anbieten: im direkten Gewalteinsatz. 30000 Söldner stehen z.B. im Irak und bilden nach der US-Army das zweitgrößte Kontingent an Soldaten. Eine andere Branche widmet sich hauptsächlich der Ausbildung von Armeeeinheiten. Kampftechniken, so Amnesty International, stehen in diesen Programmen an der Spitze, das Völkerrecht oder menschenrechtliche Mindestbestimmungen, welche die Kombattanten eigentlich einzuhalten hätten, kommen nicht vor. Schließlich sind da noch die Logistikfirmen, die den Transport von Militärfahrzeugen und Munition übernehmen, das Catering der Soldaten besorgen und die Maschinenparks der kämpfenden Einheiten betreuen. Ohne die Tätigkeit von KBR — Kellogg, Brown & Root, eine Tochterfirma von Dick Cheneys Halliburton — hätte z.B. der Kosovokrieg nicht laufen können: KBR versorgte allein die amerikanischen Soldaten mit einer Milliarde warmer Mahlzeiten, entsorgte 90000 Kubikmeter Müll und organisierte eine Milliarde Liter Benzin. Ein Fünfjahresvertrag sicherte der Militärfirma KBR eine knappe Milliarde Dollar für ihre Dienste zu.
1,5 Milliarden Söldner mit und ohne Waffen agieren weltweit, und zwar als ordentliche Angestellte von ordentlich angemeldeten und abrechnenden Unternehmen — nicht als wild angeheuerte Pistoleros; deren Zahl liegt noch einmal ähnlich hoch. Allein 1 Million Privatsoldaten agieren im Auftrag der US Army, die die "Abrüstung" ihrer Kompanien von 2,25 auf 1,5 Millionen Soldaten auf diese Weise mehr als wett gemacht hat. Der Branchenumsatz der häufig an der Börse notierten Militärunternehmen liegt bei 200 Milliarden Dollar; einer der Branchenführer, G4S, gibt 4 Milliarden Jahresumsatz an, 360000 Leute habe er unter Vertrag.
Das gigantische Geschäft mit dem privaten Militär, mit der Vorbereitung von Kriegen und der Begleitung der ökonomischen Feldzügen internationaler Konzerne in allen Teilen der Welt ist eine Begleiterscheinung der Globalisierung. Der Konkurrenzkampf um Rohstoffgebiete und Absatzmärkte, um Ölrouten und andere Transportwege, um Stützpunkte und Einflussregionen benötigt eine schnelle, jederzeit abruf- und einsetzbare und von der Öffentlichkeit möglichst wenig kontrollierbare Soldateska. Die gleichwohl nicht aus dem Ruder läuft, sondern nach den Spielregeln ihrer Auftraggeber agiert — nach denen einer Profitmaximierung, die sich vom Völkerrecht und den international vereinbarten Menschenrechten nicht mehr zähmen lässt.
Die Privatisierung militärischer Leistungen — Rolf Uesseler weist darauf in einem kurzen historischen Abriss hin — zerstört eine wichtige Errungenschaft der Moderne: nämlich das staatliche Gewaltmonopol, das nach dem Westfälischen Frieden 1648 erstmals und dann durch die Französische Revolution 1789 definitiv etabliert wurde. Garanten waren die sich damals bildenden Nationalstaaten. Doch die sind in Auflösung begriffen. Deshalb tritt neben das staatliche Militär wieder in längst überwunden geglaubtem Umfang die privat organisierte militärische Gewalt. Wie viele Menschen von den modernen Söldnern und den etablierten Soldaten umgebracht werden, bis neue staatliche Ordnungen errichtet sind, kann wohl niemand sagen. Vor diesem Hintergrund erscheint allerdings der herrschende Diskurs über staatliche Friedensmaßnahmen und international verbriefte Abrüstung mehr als verlogen.
Der vielleicht einzige Lichtblick: Desertion aus einer privaten Militärfirma ist nicht mehr strafgesetzlich verfolgte Fahnenflucht sondern schlicht fristlose Kündigung. Zu der nahmen im Dezember 2003 sechzig südkoreanische Söldner in Bagdad Zuflucht, als ihnen das umkämpfte Gebiet zu heiß wurde.


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