SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2007, Seite 26

Uno di noi — Einer von uns

Italien/Deutschland 2007, Regie: Dietmar Höss

von Angela Huemer

Der Film beginnt mit Reden Alexander Langers, Mitbegründer der italienischen Grünen und Abgeordneter im Europaparlament, aus den frühen 90er Jahren. Diese Reden, bemerkenswert aktuell — z.B. zum ersten Golfkrieg — geben einen kleinen Ausschnitt von der Breite, Intensität und Leidenschaftlichkeit des politischen Engagements Langers wieder, der am 3. Juli 1995 nahe Florenz seinem Leben ein Ende setzte.
Die Anregung zu dem Dokumentarfilm kam anlässlich seines zehnten Todestags von der Alexander-Langer-Stiftung, die nach seinem Freitod von Freunden Langers ins Leben gerufen worden war. Der Regisseur Dietmar Höss entschied sich, keinen biografischen Film zu machen. Stattdessen rankt sich der Film um zwei exemplarische, hauptsächlich in Bildern erzählte Geschichten von Ungerechtigkeit, Verletzung und Widerstand. Eine Geschichte betrifft die Geschehnisse rund um die Rettung von Bootsflüchtlingen durch die "Cap Anamur", dem Schiff der gleichnamigen Organisation, die mit Blockade, Abschiebung und Verhaftung der Retter endete. Die andere betrifft die Repressionen anlässlich des G8-Gipfels in Genua im Jahr 2001.
Außerdem begegnen wir Freunden Langers wie Adriano Sofri — im Gefängnis — und Daniel Cohn-Bendit — in seinem EU- Parlamentsbüro. Es sind keine herkömmlichen Interviews. Dietmar Höss lässt seinen Gesprächspartnern Zeit. Die Pausen sind oftmals ebenso wichtig und beredt wie die Antworten selbst. Wenn Lena Zühlke, eine junge Frau aus Hamburg, erst nach einer solchen Pause ganz ruhig erzählt, wie sie ihre Rippen brechen "hört" — sie hatte in der Diaz-Schule in Genua übernachtet und war eines der vielen schwer und schwerst verletzten Opfer des Polizeiübergriffs, hat man als Zuschauer gleichfalls das Bedürfnis, eine kurze Pause einzulegen, um das eben Gehörte auch richtig aufnehmen zu können.
Außer den bereits Genannten kommen auch Leute aus dem universitären Kontext zu Wort wie der Schweizer Jean Ziegler, Franz Josef Radermacher, der den Global Marshallplan mitentwickelt hat, und Fulvio Vassallo Paleologo, Jurist aus Palermo, der vor allem im Bereich der Migration tätig ist. Höss hat sie ausgewählt, weil sie alle "auf verschiedenen Wegen für eine gerechtere Welt kämpfen und aktiven Widerstand leisten, um ihrem Ziel wenigstens ein Stück näher zu kommen".
Vielfältige Inhalte — Migration, Globalisierung, Nord-Süd-Gefälle, Europa, Polizeigewalt. Gemeinsamer Nenner ist der Widerstands- und Widerspruchsgeist. Auf intellektuelle Weise wäre es schwierig gewesen, sich Alexander Langer anzunähern, sagt Höss. Sein eigenes literarisches Werk ist laut Höss bescheiden, ohne neue Thesen. Das was über ihn geschrieben wurde und wird jedoch voller Bewunderung. Nachdem Höss die Fernsehaufnahmen der Reden im Parlament gesehen hatte, begriff er, dass Langer einfach keine Zeit hatte, Bücher zu schreiben, zu sehr war er damit beschäftigt, an einer neuen Welt zu bauen.
Ein schönes Bild verbindet die Elemente des Films: Ein Ball, der durch eine Art Wüste oder Brachland rollt — vom Wind getrieben rollt er immer weiter, lässt sich nicht aufhalten. Schön wie er, bevor wir die Staatsgewalt Genuas sehen, plötzlich in die andere Richtung rollt.
Höss‘ Vorhaben, keinen biografischen Film über Langer zu drehen, sondern einen über die vielen wie er, die als Bauarbeiter einer gerechteren Welt tätig sind, ist rundum gelungen.
Der Film hatte am 20. April in Bozen bei den 21. Filmtagen Premiere und wurde u.a. bereits im Europaparlament gezeigt. Nun tritt er hoffentlich seine Reise durch die Festivals an, ab September wird er durch Deutschland und Italien touren. Eine Fernsehausstrahlung ist noch fraglich; wie so viele Dokumentarfilme entstand er dank des Eifers und Engagements der Macher und einzelner Geldgeber wie Stiftungen.

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