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Der Film beginnt mit Reden Alexander Langers, Mitbegründer der
italienischen Grünen und Abgeordneter im Europaparlament, aus den frühen 90er Jahren. Diese
Reden, bemerkenswert aktuell z.B. zum ersten Golfkrieg geben einen kleinen Ausschnitt von der
Breite, Intensität und Leidenschaftlichkeit des politischen Engagements Langers wieder, der am 3. Juli
1995 nahe Florenz seinem Leben ein Ende setzte.
Die Anregung zu dem Dokumentarfilm kam
anlässlich seines zehnten Todestags von der Alexander-Langer-Stiftung, die nach seinem Freitod von
Freunden Langers ins Leben gerufen worden war. Der Regisseur Dietmar Höss entschied sich, keinen
biografischen Film zu machen. Stattdessen rankt sich der Film um zwei exemplarische, hauptsächlich in
Bildern erzählte Geschichten von Ungerechtigkeit, Verletzung und Widerstand. Eine Geschichte betrifft
die Geschehnisse rund um die Rettung von Bootsflüchtlingen durch die "Cap Anamur", dem
Schiff der gleichnamigen Organisation, die mit Blockade, Abschiebung und Verhaftung der Retter endete. Die
andere betrifft die Repressionen anlässlich des G8-Gipfels in Genua im Jahr 2001.
Außerdem begegnen wir Freunden Langers
wie Adriano Sofri im Gefängnis und Daniel Cohn-Bendit in seinem EU-
Parlamentsbüro. Es sind keine herkömmlichen Interviews. Dietmar Höss lässt seinen
Gesprächspartnern Zeit. Die Pausen sind oftmals ebenso wichtig und beredt wie die Antworten selbst.
Wenn Lena Zühlke, eine junge Frau aus Hamburg, erst nach einer solchen Pause ganz ruhig erzählt,
wie sie ihre Rippen brechen "hört" sie hatte in der Diaz-Schule in Genua
übernachtet und war eines der vielen schwer und schwerst verletzten Opfer des Polizeiübergriffs,
hat man als Zuschauer gleichfalls das Bedürfnis, eine kurze Pause einzulegen, um das eben Gehörte
auch richtig aufnehmen zu können.
Außer den bereits Genannten kommen
auch Leute aus dem universitären Kontext zu Wort wie der Schweizer Jean Ziegler, Franz Josef
Radermacher, der den Global Marshallplan mitentwickelt hat, und Fulvio Vassallo Paleologo, Jurist aus
Palermo, der vor allem im Bereich der Migration tätig ist. Höss hat sie ausgewählt, weil sie
alle "auf verschiedenen Wegen für eine gerechtere Welt kämpfen und aktiven Widerstand
leisten, um ihrem Ziel wenigstens ein Stück näher zu kommen".
Vielfältige Inhalte Migration,
Globalisierung, Nord-Süd-Gefälle, Europa, Polizeigewalt. Gemeinsamer Nenner ist der Widerstands-
und Widerspruchsgeist. Auf intellektuelle Weise wäre es schwierig gewesen, sich Alexander Langer
anzunähern, sagt Höss. Sein eigenes literarisches Werk ist laut Höss bescheiden, ohne neue
Thesen. Das was über ihn geschrieben wurde und wird jedoch voller Bewunderung. Nachdem Höss die
Fernsehaufnahmen der Reden im Parlament gesehen hatte, begriff er, dass Langer einfach keine Zeit hatte,
Bücher zu schreiben, zu sehr war er damit beschäftigt, an einer neuen Welt zu bauen.
Ein schönes Bild verbindet die
Elemente des Films: Ein Ball, der durch eine Art Wüste oder Brachland rollt vom Wind getrieben
rollt er immer weiter, lässt sich nicht aufhalten. Schön wie er, bevor wir die Staatsgewalt
Genuas sehen, plötzlich in die andere Richtung rollt.
Höss Vorhaben, keinen
biografischen Film über Langer zu drehen, sondern einen über die vielen wie er, die als
Bauarbeiter einer gerechteren Welt tätig sind, ist rundum gelungen.
Der Film hatte am 20. April in Bozen bei
den 21. Filmtagen Premiere und wurde u.a. bereits im Europaparlament gezeigt. Nun tritt er hoffentlich
seine Reise durch die Festivals an, ab September wird er durch Deutschland und Italien touren. Eine
Fernsehausstrahlung ist noch fraglich; wie so viele Dokumentarfilme entstand er dank des Eifers und
Engagements der Macher und einzelner Geldgeber wie Stiftungen.
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