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Die Ergebnisse des G8-Gipfels sind mehr als dürftig. Die Abschlussdokumente zählen
seitenweise Fakten zu bestimmten Problemen auf, ohne dass auch nur annähernd Schlussfolgerungen aus dem Gesagten gezogen
oder gar konkrete Maßnahmen getroffen würden. Vielfach appellieren die G8 an andere Institutionen, doch etwas gegen
die Missstände zu unternehmen. Quält man sich durch die seitenlangen Erklärungen und Stellungnahmen,
fällt einem auf, dass die G8 so ziemlich alle Interessengruppen bedienen, die es auf dieser Erde gibt stets auf
der Grundlage ihrer neoliberalen Weltanschauung, was ihre Glaubwürdigkeit in sozialen und Umweltfragen erheblich
mindert.
Dabei darf man sich eines sicher sein: Die
Öffentlichkeit bekam nur einen Bruchteil der in Heiligendamm getroffenen Vereinbarungen zu Gesicht. Die wenigen
konkreten Resultate des G8-Gipfels sind darüber hinaus nicht geeignet, eine der Dringlichkeit der ökologischen und
sozialen Probleme angemessene Wirkung zu erzielen.
Der viel gefeierte Kompromiss beim Klimaschutz ist eine
Farce. Zwar soll der Kampf gegen den Klimawandel fortan unter dem Dach der UNO stattfinden, zum verstärkten Klimaschutz
haben sich aber lediglich Kanada, Japan und die EU verpflichtet. Er besteht darin, alle anderen Industrienationen mit ins
Boot zu holen und eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050 ernsthaft in Betracht zu ziehen. Damit wird der
Klimaschutz eher auf die lange Bank geschoben.
Vollmundig tönten die G8 zudem, man wolle mehr Geld
für die Entwicklungshilfe sowie für die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria bereitstellen. Bei
näherem Hinsehen erweisen sich die vorgestellten Zahlen jedoch als reines Blendwerk. So umfasst die geplante
Erhöhung der Entwicklungshilfe auf jährlich 50 Milliarden US-Dollar bis 2010 zum Teil bereits die Gelder, die
für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten zur Verfügung gestellt werden sollen. Die hierfür zugesagten
60 Milliarden US-Dollar wiederum sind teilweise schon in einem Fond vorhanden, der vor längerer Zeit gegründet
wurde.
Unter dem Strich fällt die Erhöhung von Mitteln
für Entwicklungshilfe, für die Bekämpfung von Aids, Malaria und TBC deshalb wesentlich kleiner aus als von den
G8 behauptet. Es ist auch damit zu rechnen, dass sie über den Umweg von Aufträgen in vielen Fällen in die
Taschen der großen westlichen Konzerne und in den Ländern, denen sie eigentlich zugute kommen soll, mehr Schaden
als Nutzen anrichten. Das dürfte insbesondere für die "Hilfe" zur Bekämpfung von
Infektionskrankheiten gelten.
Denn gleichzeitig mit der Bereitstellung der Gelder
beschlossen die G8, stärker gegen Markenpiraterie und Produktfälschungen vorzugehen. Der Arzneimittelsektor wird
hierbei ausdrücklich erwähnt. Die besonders unter Aids-, Malaria- und TBC-Epidemien leidenden Länder erhalten
zwar ein wenig mehr Geld, sollen dieses aber in teure, patentgeschützte Medikamente anstatt in billige Generika
investieren.
Die Bekämpfung von Markenpiraterie und
Produktfälschungen dürfte sich in erster Linie gegen das prosperierende China richten, das ebenso wie alle anderen
Schwellenländer und internationale Organisationen in den Kampf gegen Markenpiraterie und Produktfälschungen
einbezogen werden soll. Konkret soll die Zusammenarbeit der Zoll- und Justizverwaltungen insbesondere auf dem Gebiet
des Informationsaustauschs ausgebaut werden.
Mit dem sog. Heiligendamm-Prozess forcieren die G8 eine
verbesserte Zusammenarbeit mit China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika im Rahmen der OECD. Kernpunkte dieser
Zusammenarbeit sind die Stärkung der Investitionsfreiheit sowie die Festlegung einer gemeinsamen Verantwortung für
Entwicklung, insbesondere die Afrikas, sowie die gemeinsame Nutzung von Wissen und technischem Knowhow zur Verbesserung der
Energieeffizienz und technischen Zusammenarbeit mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Letztere hat einen bitteren Beigeschmack: Zwar ist es gut und
richtig das Klima zu schützen. Der Umweltschutz darf jedoch die Entfaltung der industriellen Produktionsweise in den
armen Ländern der Welt nicht unterbinden. "Förderung und Schutz von Innovation" soll jedoch vor allem
Chinas Markenpiraterie und Produktfälschungen torpedieren.
Bei der gemeinsamen Verantwortung für Entwicklung,
insbesondere in Afrika dürfte es vor allem um die Aufteilung der Einflusssphären in den Drittweltstaaten gehen.
Weil die G8 diese zu verlieren drohen, treffen sie lieber Absprachen mit ihren Konkurrenten und sichern sich auf diese Weise
so umfassend wie möglich ihre postkolonialen Fleischtöpfe.
Der Umgang der Industriestaaten mit den aufsteigenden
Schwellenländern ist jedoch keineswegs einheitlich. Während Deutschland lediglich zu einer Zusammenarbeit wie der
in Heiligendamm vereinbarten bereit war, plädierte Tony Blair für die Aufnahme der Schwellenländer in die
Runde der großen Acht. Kein Wunder, gehören doch zwei der fünf Schwellenländer dem von London dominierten
Commonwealth of Nations an, zwei weitere befinden sich in der unmittelbaren wirtschaftlichen Einflusssphäre der USA mit
ihren starken wirtschaftlichen Verbindungen zu Großbritannien.
Einig hingegen waren sich die G8 im präventiven Kampf
gegen den "Terrorismus". Neben dem Bekenntnis, die eigene Infrastruktur stärker schützen zu wollen,
sollen der Missbrauch moderner Kommunikations- und Informationstechnologien unterbunden, finanzielle und illegale
Beschaffungsnetzwerke terroristischer Gruppierungen zerschlagen und die gefährlichsten Waffen der Welt von Terroristen
fern gehalten werden. Zweifellos verstehen die G8 unter letzterem insbesondere Kernwaffen, deren Nichtverbreitung ebenfalls
in Heiligendamm auf der Tagesordnung stand. Die explizit geäußerte "Besorgnis" über das iranische
Atomprogramm macht deutlich, auf wen dieser Seitenhieb abzielte.
Die wenigen konkreten Ergebnisse von Heiligendamm dienen
somit nicht der Beseitigung von Armut, menschlichem Leid und Umweltzerstörung. Sie sichern lediglich die
wirtschaftlichen Interessen der acht mächtigsten Industriestaaten ab.
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