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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2007, Seite 15

Die Ergebnisse von Heiligendamm

Protektion der Konzerne und viele leere Worte

von Anja Köhler

Die Ergebnisse des G8-Gipfels sind mehr als dürftig. Die Abschlussdokumente zählen seitenweise Fakten zu bestimmten Problemen auf, ohne dass auch nur annähernd Schlussfolgerungen aus dem Gesagten gezogen oder gar konkrete Maßnahmen getroffen würden. Vielfach appellieren die G8 an andere Institutionen, doch etwas gegen die Missstände zu unternehmen. Quält man sich durch die seitenlangen Erklärungen und Stellungnahmen, fällt einem auf, dass die G8 so ziemlich alle Interessengruppen bedienen, die es auf dieser Erde gibt — stets auf der Grundlage ihrer neoliberalen Weltanschauung, was ihre Glaubwürdigkeit in sozialen und Umweltfragen erheblich mindert.
Dabei darf man sich eines sicher sein: Die Öffentlichkeit bekam nur einen Bruchteil der in Heiligendamm getroffenen Vereinbarungen zu Gesicht. Die wenigen konkreten Resultate des G8-Gipfels sind darüber hinaus nicht geeignet, eine der Dringlichkeit der ökologischen und sozialen Probleme angemessene Wirkung zu erzielen.
Der viel gefeierte Kompromiss beim Klimaschutz ist eine Farce. Zwar soll der Kampf gegen den Klimawandel fortan unter dem Dach der UNO stattfinden, zum verstärkten Klimaschutz haben sich aber lediglich Kanada, Japan und die EU verpflichtet. Er besteht darin, alle anderen Industrienationen mit ins Boot zu holen und eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050 ernsthaft in Betracht zu ziehen. Damit wird der Klimaschutz eher auf die lange Bank geschoben.
Vollmundig tönten die G8 zudem, man wolle mehr Geld für die Entwicklungshilfe sowie für die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria bereitstellen. Bei näherem Hinsehen erweisen sich die vorgestellten Zahlen jedoch als reines Blendwerk. So umfasst die geplante Erhöhung der Entwicklungshilfe auf jährlich 50 Milliarden US-Dollar bis 2010 zum Teil bereits die Gelder, die für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten zur Verfügung gestellt werden sollen. Die hierfür zugesagten 60 Milliarden US-Dollar wiederum sind teilweise schon in einem Fond vorhanden, der vor längerer Zeit gegründet wurde.
Unter dem Strich fällt die Erhöhung von Mitteln für Entwicklungshilfe, für die Bekämpfung von Aids, Malaria und TBC deshalb wesentlich kleiner aus als von den G8 behauptet. Es ist auch damit zu rechnen, dass sie über den Umweg von Aufträgen in vielen Fällen in die Taschen der großen westlichen Konzerne und in den Ländern, denen sie eigentlich zugute kommen soll, mehr Schaden als Nutzen anrichten. Das dürfte insbesondere für die "Hilfe" zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten gelten.
Denn gleichzeitig mit der Bereitstellung der Gelder beschlossen die G8, stärker gegen Markenpiraterie und Produktfälschungen vorzugehen. Der Arzneimittelsektor wird hierbei ausdrücklich erwähnt. Die besonders unter Aids-, Malaria- und TBC-Epidemien leidenden Länder erhalten zwar ein wenig mehr Geld, sollen dieses aber in teure, patentgeschützte Medikamente anstatt in billige Generika investieren.
Die Bekämpfung von Markenpiraterie und Produktfälschungen dürfte sich in erster Linie gegen das prosperierende China richten, das ebenso wie alle anderen Schwellenländer und internationale Organisationen in den Kampf gegen Markenpiraterie und Produktfälschungen einbezogen werden soll. Konkret soll die Zusammenarbeit der Zoll- und Justizverwaltungen — insbesondere auf dem Gebiet des Informationsaustauschs — ausgebaut werden.
Mit dem sog. Heiligendamm-Prozess forcieren die G8 eine verbesserte Zusammenarbeit mit China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika im Rahmen der OECD. Kernpunkte dieser Zusammenarbeit sind die Stärkung der Investitionsfreiheit sowie die Festlegung einer gemeinsamen Verantwortung für Entwicklung, insbesondere die Afrikas, sowie die gemeinsame Nutzung von Wissen und technischem Knowhow zur Verbesserung der Energieeffizienz und technischen Zusammenarbeit mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Letztere hat einen bitteren Beigeschmack: Zwar ist es gut und richtig das Klima zu schützen. Der Umweltschutz darf jedoch die Entfaltung der industriellen Produktionsweise in den armen Ländern der Welt nicht unterbinden. "Förderung und Schutz von Innovation" soll jedoch vor allem Chinas Markenpiraterie und Produktfälschungen torpedieren.
Bei der gemeinsamen Verantwortung für Entwicklung, insbesondere in Afrika dürfte es vor allem um die Aufteilung der Einflusssphären in den Drittweltstaaten gehen. Weil die G8 diese zu verlieren drohen, treffen sie lieber Absprachen mit ihren Konkurrenten und sichern sich auf diese Weise so umfassend wie möglich ihre postkolonialen Fleischtöpfe.
Der Umgang der Industriestaaten mit den aufsteigenden Schwellenländern ist jedoch keineswegs einheitlich. Während Deutschland lediglich zu einer Zusammenarbeit wie der in Heiligendamm vereinbarten bereit war, plädierte Tony Blair für die Aufnahme der Schwellenländer in die Runde der großen Acht. Kein Wunder, gehören doch zwei der fünf Schwellenländer dem von London dominierten Commonwealth of Nations an, zwei weitere befinden sich in der unmittelbaren wirtschaftlichen Einflusssphäre der USA mit ihren starken wirtschaftlichen Verbindungen zu Großbritannien.
Einig hingegen waren sich die G8 im präventiven Kampf gegen den "Terrorismus". Neben dem Bekenntnis, die eigene Infrastruktur stärker schützen zu wollen, sollen der Missbrauch moderner Kommunikations- und Informationstechnologien unterbunden, finanzielle und illegale Beschaffungsnetzwerke terroristischer Gruppierungen zerschlagen und die gefährlichsten Waffen der Welt von Terroristen fern gehalten werden. Zweifellos verstehen die G8 unter letzterem insbesondere Kernwaffen, deren Nichtverbreitung ebenfalls in Heiligendamm auf der Tagesordnung stand. Die explizit geäußerte "Besorgnis" über das iranische Atomprogramm macht deutlich, auf wen dieser Seitenhieb abzielte.
Die wenigen konkreten Ergebnisse von Heiligendamm dienen somit nicht der Beseitigung von Armut, menschlichem Leid und Umweltzerstörung. Sie sichern lediglich die wirtschaftlichen Interessen der acht mächtigsten Industriestaaten ab.


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