SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2007, Seite 06

Landesparteitag Die Linke in Hessen

"Die SPD ist in der Bringschuld"

Peter Metz erläutert Sieg und Rücktritt

Der jüngste Landesparteitag in Hessen — der erste nach der Vereinigung von L.PDS und WASG zur Partei "Die Linke" — hatte über die Aufstellung einer Landesliste zu den Landtagswahlen am 27.Januar 2008 zu befinden. Gegen den designierten Spitzenkandidaten und langjährigen kritischen Gewerkschafter Dieter Hooge trat Peter Metz, Kommunalpolitiker aus Marburg an — und gewann überraschend die Wahl mit 81 Stimmen. Eine Woche später trat er von seiner Wahl zurück.nDu bist auf dem Landesparteitag der Partei Die Linke in Hessen, wo es um die Aufstellung der Kandidatenliste zu den Landtagswahlen am 26.Januar ging, gegen Dieter Hooge als Spitzenkandidat angetreten. Was hat dich dazu bewogen?

In der hessischen Linken, auch bei mir, regte sich schon bald nach Bekanntwerden des Landesvorstandsvorschlags berechtigte Kritik. Auf den ersten zwölf Plätzen bildete sich weder die Fläche Hessens ab — das war doch sehr frankfurtlastig — noch waren die personellen Vorschläge im Einzelnen nachvollziehbar; einige Plätze waren schlicht mit einem "N.N." besetzt. Hinzu kam, dass zeitgleich mit der Veröffentlichung der Vorschlagsliste in der Partei die Medien informiert wurden und bereits Interviews als "designierte Spitzenkandidaten" gegeben wurden.
Das alles nährte den Eindruck, dass die Liste schon klare Sache sei; die Basis sollte dem allem nur noch, wenn gleich murrend, zustimmen. Das ließ sich die Vertreterversammlung aber nicht bieten. Das Vertrauen in den Landesvorstand war angeschlagen. Es formierte sich in den Kreisverbänden eine Gegenbewegung, die einen Alternativvorschlag entwickelte.
Was ich hier beschreibe, ist aber nur die Oberfläche des Konflikts, wie er sich gezeigt hat — also die "Stimmungslage" vor und während der Vertreterversammlung. Subkutan wirkte jedoch bereits etwas, was der Landesvorstand offensichtlich falsch einschätzte: es war und ist der wirklich tief in der Mitgliedschaft verankerte Gedanke, endlich in einer Partei vereinigt zu sein. Das ganze Proporzdenken in "Quellparteien" interessierte mit dem Zusammengehen als "neue ‘Linke‘", bis auf wenige, kaum noch jemanden. In der sog. "Alternativliste" hat niemand nach ehemaliger Organisationszugehörigkeit gefragt. Das war auch für mich das Motiv, mich als Kandidat zur Verfügung zu stellen. Zunächst ja mit Erfolg, wie man weiß.
Was war das für eine Koalition, die dich anstelle von Dieter Hooge gewählt hat? Woraus setzt sie sich zusammen?

Es gab und gibt keine "Koalition." Wir, die wir in dieser Frage zusammenfanden, sind keine Organisation in der Organisation. Wir sind ganz normale Menschen und Linksparteimitglieder aus Hessen, die sich in ihrer Kritik erst einmal kennenlernten.
Die große Unterstützung für meine Kandidatur erklärt sich zum Teil daraus, dass es vor dem Parteitag mehrfach Spekulationen dahingehend gab, wie wir mit der SPD zusammen arbeiten können, wenn wir mal im Landtag sind. Da habe ich dazwischen gefunkt. In meiner Kandidatenvorstellung habe ich sinngemäß formuliert: "Nach Lage der Dinge können wir in den Landtag einziehen. Wenn die SPD von uns was will, ist sie in einer Bringschuld. Will sie nichts von uns, sind wir in der Rolle der Oppositionspartei. Dann nehmen wir diese an, klipp und klar."
Es haben aber vermutlich auch Delegierte für mich gestimmt, weil ich zu meiner Vergangenheit als DKP-Mitglied gestanden habe; das mit meinem "kommunistischen Selbstverständnis" kam erst danach in einem Interview.

Sofort nach deiner Wahl hat ein Trommelfeuer gegen dich eingesetzt — aus Teilen der Partei wie auch aus den Medien. Worauf führst du das zurück?

Was die Medien angeht, habe ich schlicht und ergreifend Fehler begangen. Wenn ich auf der Vertreterversammlung z.B. formulierte: "Und wenn der Herr Koch meint, uns eine Diskussion über ‘den Schießbefehl‘ aufdrängen zu müssen, dann sage ich: dann reden wir nicht nur über vergangene Schießbefehle, sondern auch über das aktuelle Schießen, z.B. in Afghanistan. Da verteilen unsere Soldaten ja schließlich auch nicht nur Ferrero-Küsschen und Frankfurter Grüne Soße" — so ähnlich hatte ich das formuliert —, hätte mir klar sein müssen, dass aus so etwas in der Presse ruckzuck eine politische Relativierung des einstigen, schrecklichen Schießbefehls gestrickt werden kann. Aus der so dargestellten "Relativierung" wurde eine "Gleichsetzung"; aus der "Gleichsetzung" wurde ein Tag später eine "Rechtfertigung des DDR-Schießbefehls." Und wieder einen Tag später sah ich mich als "Quasi-Mauerschützen" dargestellt.
Das gibt weder meine innere Überzeugung wieder, noch hatte ich die geringste Möglichkeit, adäquat und differenziert darauf zu reagieren. Aber da war es bereits zu spät. Es wollte keiner mehr zuhören. So ging es mir auch mit dem Bekenntnis zu meinem Kommunist-Sein, oder zur Koalitionsfrage. Ich befand mich in einer nur noch defensiven Position. Kein Mensch fragte mehr nach den aktuellen und wirklichen sozialen und politischen Themen in Hessen, sondern nur noch nach meiner politischen Vergangenheit. Aus so einer Nummer kommt man so gut wie nicht mehr raus. Und ich spürte die riesige innere Belastung.
Was nun die eigene Partei betrifft: Ich habe vollkommen falsch eingeschätzt, welche Auswirkungen die veröffentlichte Meinung auf einige Genossen in der Partei ausübt. Ich war völlig von den Socken, dass mir aus den eigenen Reihen "neostalinistisches Altkadergeschwätz" vorgehalten wurde. Das ist Koch‘sche Terminologie! Offensichtlich muss die Grunderkenntnis Thomas Manns, dass der "Antikommunismus die Grundtorheit des Jahrhunderts" sei, noch besser in das Fühlen und Denken der Mitgliedschaft transportiert werden. Ich persönlich habe daraus den Schluss gezogen, mit den Odenwälder Genossen bei "Äppelwoi und Handkäs" in der Eselsmühle in Fürth, bei meinem Schulfreund Hajo, ein offenes Wort miteinander zu reden. So wie ich die Odenwälder Genossen kenne, werden wir uns versöhnen. Wir haben uns verabredet.
Würdest du sagen, dass dir bei deiner Vorstellung Fehler unterlaufen sind? Oder wie erklärst du dir, dass eine überzeugende Mehrheit auf einmal kippt?

Bei meiner Vorstellung habe ich wenige Fehler gemacht. Und eine Mehrheit ist auch nicht gekippt. Im Gegenteil: die mehrheitliche Zustimmung sehe ich eher ausgebaut. Aber: Das ist politisch und qualitativ zu wenig, wenn du nicht möglichst alle hinter dir hast, noch besser: vor dir — und wenn die Minderheit sich mit der Abstimmungsniederlage nicht zufrieden geben kann. An meinem Festhalten an der sog. "Spitzenkandidatur" hätte sich die hessische Linke gelähmt und zerrieben. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Es war also nicht nur eine urpersönliche Entscheidung, sondern auch eine politische.

Von Lafontaine und Bartsch war nach deinem Rücktritt zu hören, das sei ganz allein deine Entscheidung gewesen, sie hätten damit nichts zu tun. Aber du wurdest nach Berlin zitiert und es entstand der Eindruck, daraufhin hättest du deine Meinung geändert.

Der Eindruck ist vollkommen falsch. Ich bin nicht "zitiert" worden, sondern zum Sommerfest der Bundestagsfraktion eingeladen gewesen. Die Gespräche in Berlin waren wohltuend sachlich und unaufgeregt. Ohne Druck, ohne Drohung, ohne Aufforderung in eine bestimmte Richtung. Diese Gespräche hoben sich von den hessischen Aufgeregtheiten positiv ab. Alle, ausnahmslos alle Gesprächspartner in Berlin sicherten mir "rückhaltslose Unterstützung im Wahlkampf" zu.
Ich bin trotzdem nach diesen Gesprächen mit mir ins Gericht gegangen: "Stehst du das alles durch? Welche Sauereien werden dir vielleicht noch angedichtet? Können wir noch einen themenzentrierten Wahlkampf führen?" Einen Druck spürte ich bestenfalls von innen, aber nicht von "oben" oder von "außen".
Insofern haben mir die Gespräche mit Lafontaine und Gysi und den anderen bei meiner persönlichen Entscheidung geholfen. Aber auf keinen Fall wurde mir diese Entscheidung nahe gelegt. Diese autoritätsgläubige Vorstellung ist vielleicht was für Spekulanten, aber nicht für aktionswillige Wahlkämpfer. Und auf die kommt es an!


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