SoZ - Sozialistische Zeitung |
AAnfang September einigte sich Ver.di mit dem Arbeitgeberverband Postdienste
(AGV) auf einen Mindestlohn in der Postbranche. Danach müssen die Firmen den Briefzustellern im Westen
mindestens 9,80 Euro, im Osten 9 Euro bezahlen, Sortierkräfte bekommen 8,40 Euro bzw. 8 Euro.Weil im
AGV außer der Deutschen Post AG nur wenige Unternehmen Mitglied sind, können diese
Mindestlöhne nur Geltung bekommen, wenn die Bundesregierung das Entsendegesetz auf die gesamte
Postbranche ausweitet. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund der endgültigen Aufhebung des sog.
Briefmonopols auch dringend geboten.
Die Bundesregierung hatte sich darauf
verständigt, das Briefmonopol bis Ende dieses Jahres aufzuheben, und so einer vollständigen
Liberalisierung des Briefverkehrs den Weg geebnet, obwohl die EU-Kommission erst vor kurzem erklärt
hatte, das dies erst ab 2012 erforderlich ist. Allerdings können Postunternehmen aus Ländern, in
denen das Briefmonopol noch nicht aufgehoben ist, auch keine Briefunternehmen in anderen EU-Ländern
eröffnen und keine Briefbeförderung dort anbieten. Das aber wäre den Expansionsplänen
der Deutschen Post AG zuwider gelaufen, die sich schon heute das größte Logistikunternehmen der
Welt nennt.
Zunächst gelten die Mindestlöhne
nur für die Beschäftigten der Deutschen Post und anderer kleiner Unternehmen, die dem AGV
angeschlossen sind. Dazu muss man wissen, dass die Briefzusteller bei der Post laut Tarifvertrag mindestens
10% mehr bekommen, als die Mindestlohnvereinbarung vorsieht.
Die größeren Konkurrenten der
Post, wie die zum Springerkonzern gehörende PIN-Gruppe und die niederländische TNT Post,
versuchen nun mit allen Mitteln und mit Hilfe von Bundeswirtschaftsminister Glos, die Ausweitung des
Entsendegesetzes auf die Postbranche zu verhindern. Sie wollen nötigenfalls auf dem Klageweg die
Gültigkeit der Mindestlöhne für die gesamte Branche verhindern. Der Bundesverband
Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK) hat bereits Anwälte mit der Erarbeitung einer
solchen Klage beauftragt.
Man kann sehr gut verstehen, warum gerade
diese Unternehmen alles daran setzen, dass die Mindestlöhne nicht wirksam werden. TNT versucht, sich
in der Bundesrepublik zum großen Konkurrenten der Deutschen Post AG aufzuschwingen. Damit ihr das
gelingt, muss sie die Preise der Post unterbieten. Dazu will TNT vor allem die Personalkosten niedrig
halten. Die Beschäftigten bei TNT werden u.a. nach der Briefmenge bezahlt. Da aber das Briefaufkommen
häufig sehr gering ist, wird entsprechend wenig bezahlt. Monatliche Nettoeinkommen von 400800
Euro sind die Regel. Dass man davon nicht leben kann, dürfte klar sein.
Aber nicht nur die materiellen Bedingungen
sind schlecht. So gibt es bei TNT so gut wie keine feste Vollzeitbeschäftigung. Häufig werden
Rentner beschäftigt, die sich zu ihrer spärlichen Rente etwas hinzu verdienen müssen.
Ähnlich sieht es bei der vor kurzem vom Springerkonzern übernommenen PIN-Gruppe aus. In Berlin
hat Ver.di es mit Mühe und starker öffentlicher Unterstützung geschafft, einen Tarifvertrag
abzuschließen. Mitglieder von Ver.di oder Beschäftigte, die zur Gründung eines Betriebsrats
aufrufen, müssen mit dem Rausschmiss rechnen. Hinzu kommen noch die vielen über das ganze Land
verteilten neuen privaten Postdienste, die oft nur eine regionale Verankerung haben. Hier zeigt sich einmal
mehr, welche negativen Konsequenzen die Entfachung der kapitalistischen Konkurrenz für die
abhängig Beschäftigten hat.
Die Vereinbarung von Ver.di mit dem AGV ist
natürlich ein Schutz für die Beschäftigten, hat allerdings auch den wohl gewollten
Nebeneffekt, dass die Post ihre starke Stellung zumindest für die nächste Zeit beibehält.
Inwieweit die Vereinbarung auch politisch durchgesetzt wird, bleibt erst einmal abzuwarten. Dass der
Springerkonzern als Besitzer der Pin-Gruppe diese Vereinbarung einfach schlucken wird, ist eher
unwahrscheinlich. Teile der Union gehen schon auf Distanz. Sie "befürchten", bei
Durchsetzung des Mindestlohns würden bestehende Wettbewerber massiv vom Markt verdrängt werden,
wie das Wirtschaftsministerium verlauten lies. Dass bei dieser Konstellation die Durchsetzung des
Mindestlohns in der Postbranche noch politische Turbulenzen verursachen kann, dürfte klar sein.
Für die Gewerkschaften und die
abhängig Beschäftigten wird die Durchsetzung des Mindestlohns in der Postbranche von
existenzieller Bedeutung sein. Wird er hier durchgesetzt, wird er auch in anderen Branchen möglich.
Wird er hier nicht durchgesetzt, wird er es auch anderswo nicht nicht unter dieser Bundesregierung.
Wir sollten alles dafür tun, die zweite Variante zu verhindern.
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