SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Leser zum Selbstdenken zu ermutigen, soziale Fantasie und Lust auf
gesellschaftliches Eingreifen zu wecken das wünschen sich die Herausgeber der Reihe
Buchmacherei mit ihrem Sammelband über "Selbstorganisation".
Im Nachgang zu den Kämpfen bei Siemens
München oder in Frankreich berichten Inken Wanzek und Willi Hajek über Selbstorganisation
heutiger gewerkschaftlicher Kämpfe, die im Gegensatz zu etablierten Gewerkschaften stehen. Ihnen
gelingt eine anschauliche Darstellung von Erfahrungen, die sich von anderen Kämpfen unterscheiden,
aber deutlich an bestimmte Traditionen der "Arbeiterbewegung" anknüpfen. Die
Veränderungen in der Arbeitswelt beleuchtet Sergio Bologna am Beispiel der "neuen
Selbstständigen" aus Italien und begründet, warum man für ihre soziale Absicherung und
nicht für ihre Reintegration in die klassische Lohnarbeit sein muss.
Mehrere Aufsätze beschäftigen
sich theoretisch mit den Prozessen der Organisierung von Widerstand unter den heutigen Bedingungen
sie werden meist als "posttayloristisch" bezeichnet, um den Unterschied zu den Erfahrungen in den
Fabriken des letzten Jahrhunderts zu kennzeichnen.
Einen sehr wichtigen Aspekt in die Fragen
nach fehlendem Widerstand unter den geänderten Bedingungen von Produktion und Reproduktion bringt
Holger Heide, wenn er die Bedeutung von Angst als Bindungselement an das Kapital erläutert. Er scheint
damit an wichtige sozialpsychologische Erweiterungen der marxistischen Weltsicht etwa von Erich Fromm
anzuknüpfen.
Auch Martin Diekmanns Hinweise auf die
neuen Produzenten als "Manager ihres verkehrten Selbst" sind des (mühsamen) Lesens wert
aber mir scheint, dass es mit dem "Lust wecken" in mehreren der Beiträge nicht weit
her ist. Leider steht dem Verständnis der Leser der oft akademische Stil einiger Aufsätze
entgegen. Es ist auch ein Problem, dass der Begriff "Selbstorganisation" nicht historisch und
wissenschaftlich eingeordnet wird immerhin gibt es den Begriff für viele Prozesse in
Naturwissenschaft und Biologie, und seine Anwendung auf soziale Bewegungen ist alles andere als klar: Sind
nicht auch die Anfänge der gewerkschaftlichen und parteilichen Formierungen im 19.Jahrhundert durchaus
Prozesse der Selbstorganisation? Da wäre eine praktische Zuordnung (oder auch Abgrenzung) heutiger
Bewegungen wünschenswert, vor allem um Hemmnisse aus dem inneren Selbstverständnis der
Betroffenen kennenzulernen.
Unsere linken Sozialwissenschaftler sollten
sich Gedanken machen sein, ob sie auch für andere schreiben wollen oder nur für den eigenen
Diskurs.
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