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"Unsere Gewerkschaft hat ihren Ursprung in den Arbeiterprotesten vom August 1980. Damals befand
sich über dem Tor der bestreikten Schiffswerft eine Inschrift, in der es hieß: Ja zum
Sozialismus, nein zu seiner Deformation. Man konnte dort keine Inschrift finden, die gesagt
hätte: Ja zum Kapitalismus. Trotzdem wurde vor 17 Jahren in Polen der Kapitalismus
installiert." (Boguslaw Zietek, Vorsitzender der Gewerkschaft Sierpien 80)
Bis vor kurzem war die Situation der radikalen Linken in Polen beklagenswert. 15
Jahre nach dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus" stellte sich die Allianz der demokratischen
Linken (SLD) als die Linke dar. Diese Partei, die ihren Ursprung in der alten Regierungspartei der
Volksrepublik hat, hat sich in eine neoliberale und proimperialistische Sozialdemokratie verwandelt. Links
von ihr vegetierten viele sehr kleine Gruppen, die wenig aktiv und marginalisiert waren. Die lange Zeit der
Marginalisierung hat sie zunehmend demoralisiert, und viele haben sich sogar aufgelöst.
Seit vielen Jahren betonten einige
Aktivisten, dass das Drama nicht nur der radikalen Linken, sondern der gesamten Arbeiterklasse
im Fehlen einer Arbeiterpartei bestehe, die zumindest in einigen wichtigen Sektoren der
Gewerkschaftsbewegung vertreten ist und, wenn auch auf unvollständige und deformierte Weise, die
Interessen der Klasse politisch vertritt. Sie meinten, die radikale Linke müsse zur Entstehung einer
solchen Partei beitragen. Tue sie das nicht, verurteile sie sich selbst zur Marginalität. Doch schien
es, als ob diese Aktivisten in der Wüste predigten.
Im September 2005 kam es zu einem wirklichen Wunder, das jäh die Existenzbedingungen und die
Perspektiven der radikalen Linken veränderte: Bei den Parlamentswahlen trat eine kleine linke Partei
an, völlig proletarisch in ihrer Zusammensetzung und gewerkschaftlich in der größten Bastion
der polnischen Industriearbeiterschaft verankert. Hinter dem Auftauchen dieser Partei stand eine ziemlich
lange Geschichte der Entwicklung von Klassenbewusstsein und gewerkschaftlicher Organisierung.
Kurz zusammengefasst ist die Geschichte
folgende: 1989 trennte sich ein Minderheitsflügel von der Gewerkschaft Solidarnosc. Dieser Flügel
stand in Opposition zu Lech Walesa, wurde vom historischen Führer dieser Gewerkschaft in Stettin,
Marian Jurczyk, geleitet. Diese neue Gewerkschaft nannte sich Solidarnosc 80. Sie schien radikaler in der
Verteidigung der Interessen der Arbeiter, die von Solidarnosc, die nun den Aufbau des Kapitalismus
unterstützte, verraten worden waren.
1992 initiierten Daniel Podrzycki und
Boguslaw Zietek, junge regionale Führer von Solidarnosc 80, in Oberschlesien eine große
Streikbewegung in einem Fiat-Werk und in den Kohleminen. Diese Bewegung sollte von den Arbeitern der Werft
in Stettin unterstützt werden und einen nationalen Generalstreik auslösen.
Doch die nationale Führung von
Solidarnosc 80 ließ die Arbeit in der Werft weiterlaufen und überließ die Streikenden in
Oberschlesien ihrem Schicksal. Podrzycki, Zietek und die anderen oberschlesischen Aktivisten fühlten
sich verraten und brachen mit Solidarnosc 80. Sie gründeten die freie Gewerkschaft Sierpien 80
("August 80").
Die neue Gewerkschaft genoss große
Unterstützung bei den Arbeitern von Fiat, in vielen Minen und in der großen Stahlhütte
"Katowice". Sie wurde durch ihre harten Kämpfe sowohl zur Verteidigung der unmittelbaren
Interessen der Arbeiter wie auch bei der Verteidigung nationalen Eigentums gegen Privatisierungen
berühmt. Im Juni 1994 führte und gewann sie einen Lohnstreik über 18 Tage in der
Stahlhütte "Katowice", wobei sie von einer riesigen Vollversammlung von 14000 Arbeitern
unterstützt wurde. Bis zu diesem Augenblick sanken die Löhne in dieser Stahlhütte. Jetzt
begannen sie zu steigen und gehörten zu den höchsten in der Branche.
Die von Podrzycki, Zietek und ihren
Freunden verfolgte gewerkschaftliche Konzeption war klar: "Nicht als Vermittler zwischen den Arbeitern
und den Unternehmern dienen, sich nicht rittlings auf die Barrikade zu setzen, sondern standhaft die
Arbeiter vertreten." Die Bürokraten der großen Gewerkschaftszentralen Solidarnosc und OPZZ
(die offizielle Zentrale bis 1989) nannten Sierpien 80 eine "extremistische Gewerkschaft".
Indessen gab es zwischen dem proletarischen Klassencharakter der gewerkschaftlichen Praxis von Sierpien
80 und den Ideen und politischen Beziehungen ihrer Aktivisten ernsthafte Widersprüche. Seit den 80er
Jahren hatten sie gewisse Verbindungen zur Konföderation des unabhängigen Polen (KPN), einer
rechten Partei. Eine Zeit lang wurden in der Gewerkschaftszeitung ökonomische Analysen des Schiller-
Instituts abgedruckt und vorübergehend gab es Verbindungen zu einigen polnischen und
ausländischen Strömungen der extremen Rechten eine Verwirrung, die aus dem vorgeblich
anti-neoliberalen Diskurs der Rechten und ihren Erklärungen zum Schutz der nationalen Industrie und
Rohstoffe entstand.
Es handelte sich um eine politische
Anomalie, eine der Ausdrucksformen der allgemeinen Verwirrung, die im Bewusstsein der polnischen Arbeiter
als Folge der Diskreditierung und des Zusammenbruchs des "realen Sozialismus" existierte
die Unterstützung der Restauration des Kapitalismus durch Solidarnosc, der Übergang der alten
"Kommunisten" zu neoliberalen Positionen usw.
Am Ende einer allmählichen Entwicklung jedoch hat sich der Widerspruch klar zugunsten einer
politischen Klassenlinie aufgelöst, wozu die Anfang des Jahrzehnts getroffene Entscheidung, eine
Partei zu gründen, beigetragen hat. Die Polnische Arbeiterpartei (PPP), konzipiert als politisches
Instrument der Gewerkschaft und Garant ihrer Unabhängigkeit, verortet sich klar auf dem Feld der
sozialen Konflikte. Podrzycki hat dieses Feld so definiert: "Es mag vielleicht stark marxistisch
klingen, aber es handelt sich um Klassenkampf. Unternehmer und Arbeiter befinden sich auf entgegengesetzten
und unvereinbaren Positionen."
Podrzycki, der erste Kandidat der radikalen
Linken für das Präsidentenamt in Polen, starb im September 2005, mitten in der Wahlkampagne, bei
einem mysteriösen Autounfall. Den Posten des Präsidenten der Gewerkschaft und der Partei
übernahm Zietek. Unter seiner Leitung hat die PPP, die bis dahin ausschließlich eine Partei von
Gewerkschaftsaktivisten war, marxistische und sozialistische Aktivisten aufgenommen. Sie solidarisierte
sich mit der kubanischen und venezolanischen Revolution, der globalisierungskritischen Bewegung und
unterstützte die Schüler der Sekundarschulen gegen das von der extremen Rechten besetzte
Erziehungsministerium. Sie beteiligte sich an den Protesten gehen die polnische Beteiligung am
imperialistischen Krieg im Irak, an der berühmten "weißen Stadt" der kämpfenden
Krankenschwestern und den feministischen Kämpfen für das Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung.
Die Teilnahme der oberschlesischen
Bergarbeiter an den Frauendemonstrationen in Warschau war eine Sensation für die Medien und für
die allgemeine Öffentlichkeit. In Polen hat keine Gewerkschaft jemals an der Seite feministischer
Organisationen demonstriert oder das Recht auf Abtreibung unterstützt. Heute ist die PPP die einzige
Partei, die sich bemüht, jene halbe Million Unterschriften zu sammeln, die notwendig sind, um ein
nationales Referendum über die Aufstellung eines Antiraketen-"Schutzschilds" und eine
Militärbasis der USA zu fordern.
Getreu dem Prinzip der Einheit der
Interessen der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung auf internationaler Ebene, hat die PPP an die
authentische europäische Linke folgende Botschaft gerichtet: "In Polen wissen wir, dass
Kapitalismus Ausbeutung ist, ein Trampeln auf den Rechten der Arbeiter, Arbeitslosigkeit, Armut und
Ausschluss. Die Forderungen der Arbeiter in Polen und in Westeuropa sind die gleichen. Es ist ein
gemeinsamer Kampf. Wir wenden uns gegen alle Versuche, die Arbeiter in Europa gegeneinander auszuspielen.
Wir wissen, dass wir nur gemeinsam Erfolg haben können. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass
nur eine gemeinsame europäische Front der Linken sich wirksam der Aggression des großen Kapitals
und den neuen Formen der Ausbeutung entgegenstellen kann. Ein organisierter Angriff auf die sozialen
Errungenschaften und den rechtlichen Schutz der Arbeit sind in Wirklichkeit ein Angriff auf die Demokratie.
Die PPP ist sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst und erklärt, dass sie bereit ist, mit allen
Kräften der authentischen Linken in Europa zusammenzuarbeiten, die entschlossen sind, die
Ausgebeuteten und Ausgeschlossenen zu verteidigen."
Im Februar 2006 bildete sich zur Verteidigung von drei Gewerkschaftern, die der Sierpien 80, Solidarnosc
und der OZZ IP, einer kleinen anarchosyndikalistischen Organisation, angehörten und die widerrechtlich
von der Budryk-Mine in Ornontowice, dem Goplana-Werk in Poznan und dem Uniontex-Werk in Lódz entlassen
worden waren, das "Komitee zur Unterstützung und Verteidigung der unterdrückten
Arbeiter" (KPiORP). In diesem Komitee arbeiten die Gewerkschafter von Sierpien 80 mit Aktiven
verschiedener anderer Gewerkschaften, Aktivisten der Linken usw. zusammen.
Das KPiORP hat in kurzer Zeit in etwa
zwanzig Städten "Interventionsbüros" eingerichtet. Mit seinen Aktionen konnte es sehr
schnell die Wiedereinstellung von zwei der entlassenen Gewerkschafter jener von Budryk und Goplana
durchsetzen. Auf nationaler Ebene und lokal organisiert es eine Vielzahl von Demonstrationen,
Streikposten und Protesten gegen die Verletzung der Rechte der Arbeiter, Zeitarbeitsfirmen, die
Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, Präkarisierung, Überausbeutung und Privatisierungen.
"Es ist möglich und notwendig,
sich der Verletzung der Arbeiterrechte entgegenzustellen, der Straflosigkeit für Unternehmer, die
strafbare Handlungen gegenüber ihren Angestellten begehen, die sie entlassen, ihnen nicht die
Löhne zahlen, die ihnen zustehen, die sie verschiedenen Repressalien aussetzen. Es ist an der Zeit,
die Gegenoffensive der Arbeiter zu beginnen, die die Willkürlichkeit und die Übergriffe der
Unternehmer, der Manager und der Werksbesitzer stoppt", sagt Boguslaw Zietek. "Um die Linke
wieder aufzubauen, muss man zurück in die Betriebe gehen, in die Versammlungen, zu den Streiks und den
Demonstrationen auf der Straße."
Die Polnische Arbeiterpartei muss nicht
dorthin zurückgehen, denn es sind diese Orte, an denen sie sich aufbaut.
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