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"Es
läuft ja doch alles" so der Tenor vieler Aktivisten der neuen linken Partei. Sie sind ein
bisschen erleichtert, weil sie mehr Streit beim Zusammenschluss von PDS und WASG erwartet hatten, auch mehr
Gegenwind bei den Massenmedien. Nun ist der Start geschafft, alle Landesverbände im Westen sind
gegründet, und die Worte in der Wählergunst nehmen sich ganz ordentlich aus. In NRW hat die SPD-
Landeschefin der linken Konkurrenz bereits ein kaum verdecktes Koalitionsangebot gemacht. Der DGB-
Vorsitzende in NRW riet der Linkspartei beim NRW-Gründungsparteitag, pragmatisch wie er ist, sich aufs
Mitregieren auszurichten, was nur mit seiner Partei, der SPD, eine realistische Perspektive sei.
Die Linke nennt sich die neue Partei, und
Gregor Gysi freut sich, weil dieser Name "schön frech" sei. Aber Spaß beiseite
will die Partei eine Alleinvertretung der vielgestaltigen linken politischen Kultur in der BRD für
sich beanspruchen? Das denn doch wohl nicht, und insofern ist ihr Name ziemlich irreführend.
Außerdem legt er das Missverständnis nahe, mit der Existenz und Betätigung einer Partei sei
schon ein gesellschaftlicher Faktor etabliert, der die Kräfteverhältnisse in Deutschland nach
links hin verändere.
Die Formierung einer Linkspartei war unter
den derzeit gegebenen politischen Bedingungen notwendig. Man kann das einen "historischen
Schritt" nennen, einen, der vorwärts führt. Allerdings ist die Geschichte keine
Einbahnstraße. Parteien können die Richtung wechseln, manchmal auf eine Weise, die zunächst
kaum auffällt. Und sie können auf der Stelle treten oder sich ins Abseits begeben. Die SPD hat
einen solchen Richtungswechsel über einen langen Zeitraum vollführt, die Partei der Grünen
hat ihre Ziele in ein paar Jahren vertauscht. Solche Umorientierungen von Parteien verändern nicht nur
das politische Spektrum, sie enttäuschen auch Menschen, bringen Resignation hervor, legen politische
Energie lahm. Deshalb ist es wichtig, sich rechtzeitig über innerparteiliche Strukturen, über
Prozesse der Willensbildung in einer Partei kritische Gedanken zu machen und darüber offen zu reden.
Die weit verbreitete Meinung, bei parteipolitischer Aktivität dürfe "dem eigenen Nest nicht
am Zeuge geflickt werden", ist demokratieschädlich.
Der Linkspartei kommt zugute, dass eine
Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der BRD der Demontage des Sozialen, wie sie mit verteilten
Rollen von SPD/CDU/CSU/FDP und Grünen betrieben wurde und weiter angestrebt wird, misstrauisch und
ablehnend gegenübersteht. Das Auftreten der Linkspartei hat dazu geführt, dass die etablierten
Parteien einige symbolische Zugeständnisse nach links machen und unter Umständen soziale
Häppchen verteilen. Das gehört zum normalen politischen Geschäft.
Gut so, wenn dadurch ein paar soziale
Grausamkeiten vermieden werden. Aber es wäre töricht, wenn die Linkspartei nun darauf hoffte,
dass SPD und Grüne, womöglich sogar CDU/CSU, von der neuen Konkurrenz beeindruckt, zu einem
gesellschaftspolitischen Erweckungserlebnis kämen. Eine solche Fehleinschätzung mag allerdings
selbstlegitimierend naheliegen, wenn im Profipersonal der Linkspartei die Neigung
stärker wird, sich an Regierungen in Bundesländern zu beteiligen und längerfristig auf die
Rolle eines Juniorpartners beim Regieren im Bund vorzubereiten.
Selbstverständlich gibt es
Situationen, in denen eine oppositionelle Partei im Hinblick auf die herrschenden Parteien überlegen
muss, wie sie dem kleineren Übel gegenüber dem größeren zum Vorteil verhelfen kann.
Aber gesellschaftliche Opposition verliert ihren Charakter, wenn sie bei solchen Gelegenheiten sich selbst
weismacht, das kleinere sei überhaupt kein Übel.
Auch in manchen linksparteilichen
Köpfen hat sich die Legende eingenistet, Politik könne nur nur durch "Mitverantwortung und
Mitgestaltung" effektvoll betrieben werden, d.h. durch Mitregieren. Wer so denkt, hat keine Ahnung vom
historischen Vorgang der Demokratisierung und versteht wenig von politischen Entscheidungsprozessen heute.
Ohne entschiedene Opposition ist ein demokratisches Staatswesen nur eine Hülle ohne Substanz.
Opposition wiederum wird kraftlos, wenn sie möglichst rasch in ministeriellen Würden
"ankommen" will.
Immer weniger Bürgerinnen und
Bürger trauen den Methoden, mit denen heute Politik gemacht wird, noch über den Weg, und für
diese Abneigung haben sie triftige Gründe. Macht die Linkspartei das zu ihrem Thema? Versucht sie, die
Regeln des "heimlichen Lehrplans" der Entdemokratisierung zu durchbrechen? Unternimmt sie in
ihrer Praxis etwas, um mit den "Wahlverweigerern" und "Politikverdrossenen" in
Kommunikation zu kommen?
Als "Partei für
Demokratisierung" kann die Linkspartei nur auftreten und wirksam werden, wenn sie sich in ihrem
eigenen Alltag von den "Kartell"-Parteien ganz deutlich abhebt. Das betrifft insbesondere den
Umgang mit außerparlamentarischen Bewegungen, Basisinitiativen, lokalen politischen und sozialen
Bündnissen. Die Linkspartei muss sich mit diesen vernetzen, ohne sie zu instrumentalisieren. Die
Organisationsinteressen der Partei dürfen den vielfältigen Aktivitäten außerhalb des
Parteirahmens nicht den Atem wegnehmen.
Kurzum: als ganz normale Partei hätte
Die Linke eine Zukunft, die die Grünen schon erreicht haben, nämlich die einer
Dienstleistungsfirma für den Koalitionsbedarf beim Parteienkartell. Und die SPD wird nicht dadurch
wieder sozialdemokratisch, dass eine Linkspartei ihr grummelnd unter die Arme greift.
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