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Myanmars Militärjunta hat die vor über einem Monat begonnene
Erhebung der Bevölkerung gegen die Diktatur niedergeschlagen mit Dutzenden von Toten und
Hunderten von Festnahmen. Das Regime profitiert von der inoffiziellen Unterstützung der
"internationalen Gemeinschaft".
In Myanmar sind Demonstrationen selten.
Unter dem Joch einer der brutalsten Militärjuntas der Welt hat die Bevölkerung die
Unterdrückung der Demonstrationen für die Demokratie im Jahr 1988 nicht vergessen, die mit
über 3000 Toten und Tausenden von Verhaftungen bezahlt wurden. Obwohl das Land von
paramilitärischen Milizen überzogen ist, die Teil des Repressionsapparats sind, hat Myanmars in
extremer Armut, unter mittelalterlichen wirtschaftlichen Verhältnissen und ohne demokratische Rechte
lebende Bevölkerung erneut die Militärjunta herausgefordert.
Die Straßenproteste begannen Mitte
August in Yangon (Rangoon) nach einer beträchtlichen Erhöhung der Preise für Benzin und
andere Kraftstoffe. Die brutalen Preissteigerungen waren für die Bevölkerung ein Schock; viele
müssen fast die Hälfte ihres Einkommens für die Transportkosten verwenden oder zu Fuß
zur Arbeit gehen.
Die Militärjunta hatte die Proteste
vorausgesehen und ihre Milizen in Alarmbereitschaft versetzt, um die Protestierenden einzuschüchtern.
Trotzdem kam es, ausgehend von den Studierenden, in zahlreichen Städten des Landes zu friedlichen
Protestmärschen. Die ersten Demonstrationen wurden von den Handlangern der "Vereinigung für
die Solidarität und die Entwicklung der Union" (USDA) und der paramilitärischen Gruppe Swan
Arr Shin ("Die Allmächtigen") unterdrückt.
Anfang September, nach der Repression gegen
die Mönche der Stadt Pakokku, nahmen die Demonstrationen eine politischere Wendung. Die Mönche
hatten von der Regierung die Entschuldigung für die Repression und Wirtschaftsreformen sowie die
Freilassung aller politischen Gefangenen verlangt, unter ihnen die Friedensnobelpreisträgerin Aung San
Suu Kyi.
Seit dem Staatsstreich von General Ne Win
1962 beherrscht die Armee fast alle Aspekte des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens des
Landes, die Militärs kontrollieren die Verteilung der Reichtümer und des Bodens.
Im September 1993 schuf das
Militärregime die "Vereinigung für die Solidarität und die Entwicklung der Union"
(USDA), vorgeblich eine Organisation der Zivilgesellschaft, jedoch mit direkten Verbindungen zu General
Than Shwe, seit 1992 Chef der Junta und der mächtigster Mann in Myanmar. Die USDA behauptet, heute
22,8 Millionen Mitglieder zu haben, d.h. fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die
Mitgliedschaft ist für Schüler und Studenten Pflicht, viele werden ohne ihr Wissen als Mitglieder
eingetragen. Wer sich weigert beizutreten, ist Schikanen ausgesetzt und seine Ausbildungschancen sinken. In
der USDA werden die Schüler ermutigt, die Aktivitäten ihrer Klassenkameraden zu überwachen.
Die Mitgliedschaft erlaubt den Zugang zu Englisch- oder Informatikkursen sowie zu außerschulischen und
sportlichen Aktivitäten. Seit 1996 steht die USDA bei der Ausübung von Repressalien in vorderster
Front. Mitglieder der USDA versuchten im Jahr 2003, Aung San Suu Kyi zu ermorden.
Die in Myanmar herrschende Militärjunta hatte stets nur ihre persönliche Bereicherung und
ihren Machterhalt im Auge. Seit dem Sturz der demokratisch gewählten Regierung U Nu im März 1962
wurde niemals eine Politik betrieben, die der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und der Verbesserung
des Lebensstandards der Bevölkerung zugute kam. Systematisch wurden der Schwarzhandel und die
Plünderung der natürlichen Ressourcen des Landes vorangetrieben. Die Wirtschaft ist so
rückständig, dass das Land laut UN zu den ärmsten und am "wenigsten entwickelten
Ländern der Welt" zählt.
In Bezug auf die Menschenrechte nimmt
Myanmar eine negative Spitzenstellung ein:
Es hält den absoluten Rekord bei
der Rekrutierung von Kindern für die Armee. Bis zu 20% der insgesamt 380000 bis 400000 Soldaten sind
minderjährig, manche nicht älter als elf Jahre.
Tausende von Zivilisten werden für
Projekte wie den Bau von Straßen, Brücken und Flughäfen zwangsrekrutiert. Die Arbeit ist
unentgeltlich und obligatorisch. Wenn jemand diese Arbeit nicht ausführen kann, muss er eine
Geldbuße bezahlen oder stellvertretend eine andere Person (Mann, Frau oder Kind) schicken. Diese Form
der laut ILO "modernen Sklaverei" kam auch Unternehmen wie Total und Unocal zugute.
Im Kampf gegen aufständische
ethnische Minderheiten (vor allem die Karen und Shan) setzt die Armee Methoden wie
Massenerschießungen, Vergewaltigungen von Frauen und Kindern, Folter, Zwangsumsiedlungen,
Plünderungen ein. Sie legt ganze Dörfer in Schutt und Asche, verbrennt das Vieh und die
Nahrungsmittel der Dorfbewohner und tötet medizinisches Personal, das Opfern Hilfe leisten will.
Im Jahr 2006 rangierte Myanmar in Bezug
auf die Pressefreiheit auf Platz 164 von 169 Ländern.
Myanmar ist weltweit der
zweitgrößte Opiumproduzent und steht an erster Stelle bei der Produktion von Amphetaminen, dank
der Komplizenschaft von Polizei und Armee. Die Drogen werden über Indien, China, Thailand und
Bangladesh weitergeleitet. Aufgrund des Drogenkonsums gehört die Region an der Grenze zu China zu den
Gebieten Asiens mit der höchsten Rate von HIV-Infizierten.
Am dramatischsten ist die Situation in den
Bereichen Bildung und Gesundheit. Offiziell ist die Grundschule kostenlos. Da die Schulen jedoch nicht
über ausreichende Mittel verfügen, werden die Kosten für Bücher, Hefte und Stifte den
Eltern aufgebürdet. In einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung mit einem Dollar am Tag
auskommen muss, ist das Bildungsniveau der Bevölkerung deshalb extrem niedrig. 1998/99 gab der Staat
7% seines Haushalts für Bildung aus, aber 49% für das Militär.
Die Ausgaben der Regierung für das
Gesundheitswesen gehören zu den niedrigsten in der Welt nur 3% des Haushalts. Die
durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 61 Jahre, die Kindersterblichkeitsrate liegt bei 76‰. Zum
Vergleich: In Indonesien betrug im gleichen Jahr die Lebenserwartung 67 Jahre und die
Kindersterblichkeitsrate 30‰. Malaria, HIV und Tuberkulose sind im gesamten Land weit verbreitet.
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