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In den kommenden Jahren ist in Deutschland der Bau von insgesamt 26 Braun-
und Steinkohlekraftwerken mit einer Gesamtleistung von 26000 Megawatt geplant.Die deutschen Energiekonzerne
denken nicht im Traum daran, auf ihre Kohlemeiler zu verzichten. Im Gegenteil: Unbeirrt von der
Klimadiskussion bauen und planen sie neue Kraftwerke, und die Bundeskanzlerin lässt es sich nicht
nehmen, dem Ganzen immer wieder höchste Weihen zu geben.
So geschah es z.B. im August 2006, als die
Kanzlerin nach Grevenbroich-Neurath ins Rheinland reiste, um dort dem Spatenstich für ein neues
Braunkohlekraftwerk beizuwohnen. Ausgerechnet Braunkohle, die mieseste aller fossilen Varianten. Zwar
verkündete RWE stolz, sein neuer 2,2-Milliarden-Euro-Meiler werde einen um 30% höheren
Wirkungsgrad haben, aber das ist eher Ausdruck dafür, wie unglaublich schlecht die Technologie ist,
mit der die älteren Kraftwerke noch arbeiten denn die beiden Blöcke, die 2010 oder 2011
ans Netz gehen, werden mit einem Wirkungsgrad von etwas über 43% arbeiten. Das heißt, fast 57%
der Energie werden nutzlos über Kühltürme und Kühlwasser an die Umwelt abgegeben.
Natürlich sind die neuen Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2100 Megawatt (MW) viel zu groß,
als dass ihre Abwärme in der Nachbarschaft sinnvoll genutzt werden könnte.
Die Bundeskanzlerin findet das alles ganz
normal und vertraut fest darauf, dass das blöde Volk nicht rechnen kann. "Die deutsche
Stromerzeugung beruht derzeit zu mehr als einem Viertel auf der Nutzung von Braunkohle. Ich bin davon
überzeugt, dass die Braunkohle im deutschen Energiemix auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen
wird", hatte sie einige Monate zuvor im brandenburgischen Spemberg verkündet, diesmal zu Gast bei
Vattenfall.
Zwar ist in letzter Zeit viel von
"sauberer Kohle" die Rede, bei der das CO2 aus den Abgasen abgetrennt werden soll, allerdings
wird die Technologie frühestens im Jahr 2020 zur Verfügung stehen, und eine Nachrüstung dann
bereits gebauter Kraftwerke ist höchst fraglich. Noch blasen jedenfalls Stein- und
Braunkohlekraftwerke munter das Treibhausgas in die Atmosphäre, und zwar soviel, dass 2004 der Anteil
des Stromsektors an den deutschen CO2-Emissionen rund 36% ausmachte. Tendenz zunehmend.
Die deutsche Stromerzeugung ist
nämlich in den letzten Jahren kräftig gestiegen, und zwar von 1999 bis 2004 um rund 11%. In den
Jahren davor hatte sie lange Zeit auf halbwegs konstantem Niveau verharrt. Entsprechend nimmt auch der
Anteil der Energiewirtschaft (Stromerzeugung sowie Gas- und Stromverteilung) an den CO2-Emissionen wieder
zu. Laut Umweltgesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes von 2006 sind ihre CO2-Emissionen von 2000 bis
2004 um gut 5% gestiegen.
Der Anteil der Braunkohle daran ist
überproportional, denn sie hat von allen fossilen Energieträgern den niedrigsten Brennwert.
Marcus Machat und Karin Werner, die 2007 für das Umweltbundesamt die CO2-Emissionen der
Stromwirtschaft unter die Lupe genommen haben, kommen zu dem Ergebnis, dass beim Stand der Technik 2002
für jede mit Erdgas erzeugte Kilowattstunde Strom 560 Gramm CO2 emittiert wurden. Bei Steinkohle
fallen Emissionen von 938 Gramm CO2/kWh an, bei Braunkohle horrende 1228 Gramm CO2/kWh. Das hindert den
vermeintlichen Klimaschutzvorreiter Deutschland nicht daran, Braunkohle wie kein anderes Land auf diesem
Planeten zu verbrennen.
Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
hat dagegen keinerlei Einwände: Ende April 2007 versuchte er im Bundestag die Quadratur des Kreises,
indem er in einem Atemzug ein Klimaschutzprogramm der Bundesregierung und den Bau neuer Kohlekraftwerke
ankündigte: "Wir können bis auf weiteres nicht auf den Einsatz der Kohle für die
Stromerzeugung verzichten. Zwischen heute und Dezember 2012 werden drei große Braunkohlekraftwerke,
sechs Steinkohlekraftwerke und sieben Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 12000 Megawatt
gebaut."
Und so soll es offenbar weitergehen. Wegen
des Ausstiegs aus der Nutzung der Atomkraft und wegen der Überalterung des übrigen Kraftwerkparks
rechnet man in Deutschland für die Zeit zwischen 2010 und 2020 mit einem Ersatzbedarf von 40000 MW.
Die Entscheidung darüber, wie diese Kapazitäten ersetzt werden, fällt in den nächsten
Jahren. Alle vier großen hiesigen Energiekonzerne, Vattenfall, E.on, EnBW und RWE, haben
Kohlepläne in den Schubladen liegen oder bereits entsprechende Anträge gestellt. Auch andere
Konzerne wollen sich eine Scheibe vom Kuchen des liberalisierten Marktes abschneiden, zum Beispiel der
Bayer-Konzern mit einem Kohlekraftwerk in Krefeld oder das dänische Unternehmen Dong Energy in Lubmin
in Vorpommern. Bundesweit hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Planungen für insgesamt 26 neue
Braun- und Steinkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 26000 MW gezählt, Greenpeace rechnet
sogar mit 28 Neubauplänen.
Dass es auch ein bisschen anders ginge,
zeigt das Beispiel Dänemark. Dort wurde Mitte der 90er Jahre rund 80% des Stroms in Kohlekraftwerken
produziert, obwohl das Land schon damals ein Pionier in Sachen Windenergie war. 1996 hat die seinerzeitige
sozialdemokratische Regierung aufgrund des drohenden Klimawandels die Notbremse gezogen und den Bau neuer
Kohlekraftwerke untersagt. 2006 war der Beitrag der großen Zentralkraftwerke an der Stromerzeugung,
die teils mit Kohle, teils mit Erdgas betrieben werden, auf knapp 56% gesunken. Kleine dezentrale
Heizkraftwerke, die oft mit Biomasse betrieben werden, liefern nun rund 24% des Stroms, die Windenergie
leistet etwa 20%.
Fragt sich, weshalb man in Deutschland so
hartnäckig an der klimaschädlichen Steinkohle und ihrem besonders schmutzigen Bruder
festhält. In Bezug auf die Braunkohle wird gerne die Energiesicherheit als Argument ins Feld
geführt, aber für die Steinkohle kann das nicht gelten. Der hiesige Steinkohlebergbau soll bis
2018 auslaufen, schon jetzt wird die Steinkohle für viele Kraftwerke importiert.
Zur Frage, was das für die
Versorgungssicherheit bedeutet, schrieb der Gesamtverband des Deutschen Steinkohlebergbaus am 8.November
2006 in einer Pressemitteilung: "Kreise der deutschen Kohleimporteure machen sich zunehmend Sorgen,
dass ab etwa 2008 die Nachfrage an Kraftwerkskohle mit dem Angebot nicht mehr Schritt halten kann. Dass
eine solche Entwicklung nicht ohne Folgen für die Preisentwicklung der Kohle sowie der Frachtraten
bleibt, haben wir in den letzten beiden Jahren gesehen. Für die Versorgungssicherheit bei der
Importkohle gibt es somit keine langfristige Garantie."
Die Steinkohle ist mithin langfristig nicht
so sicher und billig, wie man uns gerne glauben machen möchte. Auch die Arbeitsplätze eignen sich
kaum als Motiv: Insgesamt arbeiten in der Braunkohleindustrie (Tagebau und Kraftwerke) derzeit lediglich
noch rund 23000 Beschäftigte.
Ein drittes Argument ist der Ausstieg aus
der Nutzung der Atomkraft. 2006 produzierten die hiesigen Atomkraftwerke mit etwa 150 Terawattstunden (TWh;
1 TWh = 1 Milliarde Kilowattstunden) immerhin rund 26% des in Deutschland verbrauchten Stroms. Bis 2022
sollen die Meiler nach und nach abgeschaltet werden, doch der Rückgang ihres Anteils an der
Stromversorgung wird schon ab 2009 spürbar sein. Um 2013 werden die verbliebenen hiesigen AKWs nur
noch etwa 100 Milliarden TWh produzieren. Ersatz muss also her. Bundesumweltminister Gabriel behauptet in
der FAZ vom 7.April 2007, deshalb müssten neue Braunkohlekraftwerke hochgezogen werden. Doch wenn es
schon fossile Kraftwerke sein sollen, dann könnte man genau so gut Gaskraftwerke bauen, denn deren
spezifische CO2-Emissionen sind schon jetzt deutlich niedriger. Mit modernen Gas- und Dampfturbinenanlagen
(GuD) ließen sich die Emissionen auf 365 Gramm pro Kilowattstunde senken. In Neurath werden sie
hingegen bei etwa 950 g/kWh liegen. Wenn die GuD-Kraftwerke dann noch klein genug dimensioniert werden,
sodass sich die Abwärme nutzen lässt, kann der Gesamtwirkungsgrad auf fast 90% gehoben werden.
Doch soviel Effizienz ist den Stromkonzernen offenbar ein Gräuel.
Bleibt also als nur noch eine Antwort auf
die Frage nach der Ursache der Kohlesucht: Die Stromerzeugung ist ein ziemlich gutes Geschäft, das
sich die Konzerne ungern von den Betreibern erneuerbarer Energieanlagen wegnehmen lassen. Für die
Konzerne sind Großkraftwerke die erste Wahl, weil sie wegen der zentralisierten Unternehmensstrukturen
viel einfacher zu handhaben sind als kleine Blockheizkraftwerke oder gar Windanlagen. Die Konzerne sind
organisatorisch kaum in der Lage, in viele kleine dezentrale Projekte zu investieren, wie es im Bereich der
erneuerbaren Energieträger nötig ist. Im Markt für Windkraft kommen sie, wenn
überhaupt, nur in die größeren Offshore-Projekte hinein, wo Parks von einigen 100 Megawatt
als einheitliches Projekt zu realisieren sind. Doch an Land ist das Geschehen im Windgeschäft
wesentlich kleinteiliger, gleiches gilt für die Fotovoltaik.
Der Versuch der Konzerne, möglichst
viele neue Großkraftwerke in die Landschaft zu stellen, läuft also darauf hinaus, den
Erneuerbaren Marktanteile abspenstig zu machen und die zentralisierten Strukturen der Stromversorgung
für die nächsten Jahrzehnte zu zementieren. Zum Glück regt sich allenthalben Widerstand
gegen die Pläne. An vielen der geplanten Standorte, die in den letzten Monaten bekannt wurden, bilden
sich Bürgerinitiativen gegen die Kohlevorhaben. So zum Beispiel im Umkreis von Lubmin, in Krefeld,
Neurath, Bremen oder Kiel, wo E.on und die dortigen Stadtwerke bauen wollen.
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