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Seit über hundert Jahren spielt die Braunkohle eine bedeutende Rolle in
der Lausitz. Seit 25 Jahren wehrt sich die Hälfte der Bevölkerung gegen die zerstörerische
Monokultur.Mit dem Rückgang der Tuch-, Ton- und Glasindustrien wurde Mitte des 19.Jahrhunderts die
Kohle zum "braunen Gold" für die Region. Zunächst wurden Briketts für den
Haushaltsgebrauch produziert. Im Laufe des 20.Jahrhunderts versprachen die Böden jedoch solchen
Gewinn, dass Kraftwerke zur Produktion von Strom und immer größere Tagebauanlagen errichtet
werden konnten.
Als der Bau der Mauer die DDR auf das
russische Öl verwies, und dieses im Zuge des Ölschocks der 70er Jahre im Preis auch noch
kräftig stieg, suchte die DDR-Regierung immer mehr im Braunkohletagebau eine unabhängige
Energiebasis. Nach dem Bau der Großkraftwerke in Berzdorf, Lübbenau und Trattendorf in den Jahren
19541957 entwickelte sich Cottbus und seine Umgebung zu einem der wichtigsten Energiezentren der
Volksrepublik. Immer mehr Kohlefelder wurden hier erschlossen, Tausende umgesiedelt, Dörfer und
Landschaften zerstört, bis der SED das Geld ausging.
Insgesamt wurden im 20.Jahrhundert
zugunsten des Braunkohleabbaus in der Lausitz 117 Dörfer zerstört. Bis zur Wende wurden über
25000 Menschen umgesiedelt, der Ausgleich war oftmals ungenügend. Nach der Wende schien für viele
Dörfer, die noch auf der Abschussliste standen, die Bedrohung zunächst abgewendet. Die
Bevölkerung atmete auf und entwickelte neue Initiativen. Vielerorts wurde mühsam die Bausubstanz
wieder auf Vordermann gebracht, bauten Zuzügler neue Eigenheime, mitunter wurden ganze Dörfer neu
belebt. Bis Vattenfall kam.
Vattenfall ist Strommonopolist in Ostdeutschland. Verstromt wird Braunkohle, und Braunkohle ist die
ineffizienteste, mithin "schmutzigste" Energiequelle. Die Verstromung der Lausitzer Braunkohle
ist für mehr als 60% des brandenburgischen Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Das Kraftwerk
Jänschwalde ist eines der größten Dreckschleudern Europas. Die Braunkohleverstromung ist
auch schuld daran, dass Brandenburg sein für 2010 gestecktes Klimaschutzziel, den CO2-Ausstoß auf
53 Millionen Tonnen zu reduzieren, nicht einhalten wird. Stattdessen sollen die in der Lausitz liegenden
Vorräte bis zum Jahr 2070 maximal abgebaut werden. 23 Lausitzer Dörfer stehen neu auf der
Abschussliste.
Die Landesregierung argumentiert, die
Emissionen ließen sich mit Hilfe der CO2-Abscheidungstechnologie rechtzeitig reduzieren. "Das ist
Augenwischerei", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Naturschutzbund, BUND, der
Grünen Liga, dem Lacoma e.V. und den Grünen vom 27.4.2007, die von 78 MdBs, namhaften Politikern
quer durch alle Fraktionen (Monika Griefahn, SPD; Renate Künast, Grüne; Lothar Bisky,
Linkspartei; Joseph Göppel, CSU) sowie von zahlreichen Prominenten (wie Manfred Krug, Peter Sodann und
dem Träger des Alternativen Nobelpreises Prof. Michael Succow) unterstützt wurde. "Wir haben
nichts gegen die Erforschung und Erprobung dieser Technologie. Doch ist sie noch nicht anwendungsreif und
wirft neue Probleme auf. Beispielsweise ist keine sichere Endlagerung von abgeschiedenem CO2 garantiert und
die Technik mit einem deutlich höheren Energieverbrauch verbunden. Sie wird selbst nach Darstellung
von Vattenfall frühestens 2020 zur Verfügung stehen und damit in den nächsten entscheidenden
13 Jahren nicht zur Reduzierung der Kohlendioxidemission in Brandenburg beitragen."
Die Unterzeichner der Stellungnahme sind
deshalb überzeugt, dass eine maßgebliche Reduktion der Treibhausgase in Brandenburg nicht zu
machen sein wird, ohne sich von der Braunkohleverstromung zu verabschieden.
Am 9.Mai stellte das Wirtschaftsministerium
des Landes die Endfassung einer Studie über die Energiesicherung vor. Demnach müssen insgesamt 33
Dörfer und etwa 7800 Bewohner der Braunkohle weichen, um Brandenburgs Fördermenge 50 Jahre lang
auf dem bisherigen Niveau von jährlich 40 Millionen Tonnen zu halten.
Das schlug ein wie eine Bombe. Viele der
nun (wieder) betroffenen Orte waren erst um 1990 aus den damaligen DDR-Abbauplänen entlassen worden.
Bei einem der Kohlefelder handelt es sich um "Forst-Hauptfeld", in direkter Nachbarschaft zum
umgesiedelten Ort Neu-Horno. Bild stürzte sich denn auch gleich auf die Geschichte und brachte
groß raus, dass Mulknitz, der neue Wohnort der beiden letzten Bewohner von Horno, Werner und Ursula
Domain, beide Ehrenmitglieder der Grünen Liga, nun wieder auf der Abschussliste steht.
Für die Zeit nach 2070 empfiehlt das
Gutachten zusätzlich die Kohlefelder Calau-Süd und Crinitz-Sonnewalde. "Dies würde dazu
führen, dass die Landesregierung sämtliche langfristigen Entwicklungen in diesen Regionen
unterbinden könnte, um sie langsam ausbluten zu lassen", schreibt die Regionalzeitung der
Grünen Liga. Weitere Abwanderung der Bevölkerung wäre die Folge. "In fünfzig
Jahren kann man den kümmerlichen Rest wahrscheinlich einem Kohlekonzern zum Fraß vorwerfen."
Das nun größtenteils zerstörte Dorf Lacoma und die dazugehörige
einmalige Teichlandschaft, das über 170 seltenen Tierarten Lebensraum bietet, liegt rund 3 Kilometer
nordöstlich von Cottbus. Seit Beginn der 80er Jahre formiert sich hier organisierter Widerstand gegen
die Kohleindustrie. Der überwiegende Teil der Dorfbewohner wurde noch vor der Wende umgesiedelt.
Im Mai 1992 wurde das Dorf, das weitgehend
leer stand, von Umweltaktivisten besetzt. Über die Jahre entwickelten sich Strukturen, die vom
Besitzer Vattenfall zunächst geduldet wurden. So wurde die Kulturscheune zu einem einmaligen
Kulturzentrum für die Region ausgebaut. Auf Anordnung von Vattenfall wurde das Dorf jedoch am
16.Oktober 2003 nach elf Jahren polizeilich geräumt, fast alle Gebäude abgerissen. Wenig
später begann der Bau von Entwässerungspumpen.
Am 6.Oktober 2005 besetzten Aktivisten
Bäume am Hammergraben nahe Lacoma, um gegen die bevorstehenden Baumfällarbeiten und den Bau von
Entwässerungsanlagen zu protestieren. Am 18.Oktober wurden auch sie geräumt.
Nach Bekanntgabe der Pläne aus dem
Wirtschaftsministerium hat der Widerstand wieder zugenommen. In der Nacht auf den 17.September 2007
besetzten Umweltaktivisten erneut den Hammergraben, der den Tagebau von der Teichlandschaft trennt.
Militante Aktionen richteten sich auch gegen Vattenfall, vor der Konzernzentrale in Berlin, Chausseestr.23,
brannte ein Auto. Bisher wurde die Besetzung von Lacoma aufrechterhalten, auch wenn sich die Anzeichen auf
eine baldige Räumung häufen.
Gleichzeitig strengt die Volksinitiative
"Keine neuen Tagebaue", eine gemeinsame Initiative von Umweltschutzgruppen, den Grünen und
der Partei Die Linke, einen Volksentscheid an. Am 8.Oktober startete die Unterschriftensammlung.
Zunächst müssen bis Jahresende 20000 Unterschriften gesammelt werden, um die Sache vor den
Landtag zu bringen. Dieser muss sich dann damit befassen. Da die dortige Mehrheit aus SPD und CDU ein
Verbot neuer Tagebaue und damit den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle ablehnt, ist
der zweite Schritt die Einleitung eines Volksbegehrens. Für dieses müssen 80000 Unterschriften
gesammelt werden. Im Falle des Erfolgs würde damit ein Volksentscheid erzwungen. Im Herbst 2008 sind
in Brandenburg Kommunalwahlen, im Herbst 2009 wird der Landtag neu gewählt.
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