SoZ - Sozialistische Zeitung |
DDie portugiesische Presse berichtet zur Zeit viel über Risiken, die von Hochspannungsleitungen
ausgehen. Am stärksten wehren sich dagegen die Bewohner der Algarve im Süden Portugals. Durch
dieses Gebiet wird eine Leitung gebaut, die auf der einen Seite unter einer Spannung von 150 kV, auf der
anderen Seite 400 kV steht. Sie führt von Portimao nach Messines und verstärkt dort die
bestehende Leitung Tunes-Ourique um 150 kV; der andere Strang führt nach Spanien, um dort den
wachsenden Bedarf zu decken.
Bei Messines führen die beiden
Stränge in einer Entfernung von höchstens 4050 Metern an Wohnhäusern vorbei. Die
Masten haben eine Höhe von bis zu 70 Metern. Völlig unverständlich bleibt, dass die
Alternativroute, die nördlich zweier Stauseen durch unbewohntes Gebiet hätte führen
können, gleich zu Anfang von der Stromgesellschaft abgelehnt und im weiteren Verfahren nicht mehr
erwähnt wurde. Die Bewohner haben dafür nur eine einzige Erklärung: Die Nordroute wäre
nur mit Hilfe von Hubschraubern zu bauen, die Südroute ist gut zugänglich. Der Stromkonzern, der
kurz nach Baubeginn im Mai an die Börse ging, hat sich für die kostengünstigere Variante und
gegen die Bewohner entschieden.
Von dem Vorhaben, eine
Ultrahochspannungsleitung durch eine vom Tourismus noch unverdorbene Gegend quer durch bewohntes Gebiet zu
legen, erhielten die Anwohner Kenntnis, als Leute auf ihren Grundstücken Pflöcke einschlugen, um
die Stellen für die Masten zu markieren. Das Genehmigungsverfahren wurde nicht ordnungsgemäß
durchgeführt, die Bevölkerung hatte keine Zeit, Einspruch einzulegen, weil die vorgeschriebene
Veröffentlichung zu spät kam. Die erforderliche Umweltstudie scheint im zuständigen Rathaus
verschollen zu sein. Politiker und Vertreter der REN schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu.
Gebaut wird trotzdem. Es wurden bereits
Masten auf Grundstücken errichtet, wo die Eigentümer nie zugestimmt haben, es aber auch keine
andere Genehmigung gab (Enteignungsverfahren oder eine Lizenz wegen öffentlichem Interesse). Anwohner
und Eigentümer, die die Zufahrt zu einem Privatgrundstück für einen Betonlaster blockierten,
wurden von der Polizei geräumt.
Solche und ähnliche Aktionen sowie
alle Appelle ans Parlament, an verschiedene Ministerien und Behörden, verhallen im Nichts. Einzig die
parlamentarische Fraktion der Kommunistischen Partei hat Anfragen an verschiedene Ministerien geschickt und
eine Anhörung der Präsidenten der Stromgesellschaft und des Umweltministeriums beantragt
sie wurde jedoch von der sozialdemokratisch-konservativen Parlamentsmehrheit abgelehnt.
Inzwischen hat die portugiesische Presse
das Thema für sich entdeckt. Fast täglich erscheinen Artikel und Beiträge zu
Hochspannungsleitungen, über die Gesundheitsgefährdung durch Strahlung und den enormen
Geräuschpegel, die Zerstörung der Landschaft bis hin zum beträchtlichen Wertverlust der
kleinen Häuschen durch Villensiedlungen führen die Masten nicht.
Dadurch ermutigt, haben sich in vielen
Orten Gruppen gebildet, die Proteste veranstalten; vereinzelt kam es auch schon zu gemeinsamen
Demonstrationen. Alle beklagen das gleiche: keine oder unzureichende Informationen, Entscheidungen
über die Trassenführungen ausschließlich nach finanziellen Kriterien, übereilte
Genehmigungsverfahren fernab der Öffentlichkeit, und die Kollaboration oder Gleichgültigkeit der
gewählten Volksvertreter.
Starke unabhängige
Umweltverbände, wie in anderen Ländern, gibt es hier nicht. Alle lokalen Gruppen tragen in
mühevoller Kleinarbeit Fakten zusammen, die sie im Kampf für ihre Rechte benötigen. Hier
macht es sich bemerkbar, dass die sich wehrende Bevölkerung über keine Erfahrungen in
Selbstorganisation verfügt. Diskussionen verlaufen häufig unstrukturiert, oft macht man sich
Illusionen über die Wirksamkeit vereinzelter Aktionen. Ein Erfahrungsaustausch mit Personen, die mit
ähnlichen Situationen konfrontiert waren/sind, wäre sicherlich nützlich.
Dennoch gibt es Hoffnung, denn immer
weniger Betroffene lassen sich einschüchtern und sind bereit, für ihr Recht einzutreten. Ziel der
Gruppe aus Silves ist es, eine landesweite Bewegung zu entfachen. Die Damen und Herren Volksvertreter
werden sich auf regelmäßige Besuche einstellen müssen hoffentlich mit steigender
Teilnehmerzahl.
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