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Die Preise für Betriebskosten (Gas, Strom, Wasser, Abwasser) sind in den letzten Jahren
drastisch gestiegen. Mit Produktionskosten hat das nur bedingt zu tun. Zum großen Teil gehen diese Preissteigerungen auf
die Privatisierung der Versorgungsunternehmen zurück. Public Private Partnership (PPP oder ÖPP), heißt das
Modell, nach dem Anfang der 90er Jahre begonnen wurde, öffentliche Gelder an der kommunalen Selbstverwaltung vorbei in
die Taschen von Privat zu schaufeln.Die Wasserpreise in Berlin sollen im Januar 2008 um knapp 2% angehoben werden. Das hat
der Aufsichtsrat der Wasserbetriebe vorgeschlagen, der Senat muss dies genehmigen. Anfang 2007 sind die Tarife schon einmal
um 1,9% gestiegen, in den Jahren 2004 und 2005 wurden sie sogar um insgesamt 21% erhöht. Die Berliner Wasserbetriebe
gehören zur Hälfte den Unternehmen RWE und Veolia, zur anderen Hälfte dem Land Berlin.
1999 versprach die damalige Große Koalition im Berliner
Senat, in der Annette Fugmann-Heesing (SPD) Finanzsenatorin war, durch die Hereinnahme eines "strategischen
Partners" in die BWB würde der öffentliche Haushalt entlastet ("saniert"), das Unternehmen
würde "effizienter" betrieben, dadurch würden die Wasserpreise sinken. Der Wasserpreis wurde
zunächst bis 2003 festgeschrieben. Als diese Frist ausgelaufen war, wurde der Wasserpreis jedoch sofort um 15%
erhöht, bis 2005 summierten sich die Preiserhöhungen auf 22%. Wie war dies möglich geworden?
Die Teilprivatisierung der BWB geschah dadurch, dass eine Holding gegründet wurde: 50,1% davon hält die BWB,
49,9% eine Beteiligungsgesellschaft aus verschiedenen Privatunternehmen (übrig geblieben sind RWE Aqua, Vivendi, heute
Veolia). Formal gesehen ist die Holding also, ebenso wie die BWB selbst, welche das operative Geschäft betreibt, in
öffentlicher Hand. Dennoch ist alles anders als vorher.
Das Privatisierungsmodell orientierte sich an der Berliner
Bankgesellschaft, die 1994 privatisiert worden war. Das Modell läuft so:
Durch die Gründung der Holding können
Abgeordnetenhaus und Senat keinen Einfluss mehr auf die BWB nehmen, obwohl es mehrheitlich in öffentlicher Hand ist.
Bestimmend sind jetzt die Ansprüche der Privaten.
Das garantiert ein Vertrag, welcher der Geheimhaltung
unterliegt. Im Fall der BWB läuft er bis 2028. Alle PPP-Verträge sind geheim, die Stadträte oder
Landesparlamente, die ihm zustimmen, haben den Vertrag nie zu Gesicht bekommen, sie verlassen sich auf die Aussagen des
(Ober-)Bürgermeisters oder anderer Regierungsmitglieder, die jedoch befangen sind, weil sie selber in der Holding hoch
dotierte Posten bekleiden oder sonst wie auf der Gehaltsliste der Privaten stehen.
Die PPP-Verträge sind Musterverträge, entworfen
von US-amerikanischen Kanzleien: Wirtschaftsprüfer Price Waterhouse Coopers (PWC), oder Anwaltskanzleien wie Freshfield
Bruckhaus Deringer, Clifford Chance Pünder u.a. haben in diesem Geschäft die Nase vorn. Sie haben der "rot-
grünen" Bundesregierung auch den Gesetzentwurf für das im Jahr 2005 beschlossene "PPP-
Beschleunigungsgesetz" geschrieben. Sie enthalten alle eine Gewinngarantie für die Privaten damit wird das
Kostendeckungsprinzip, das die Gemeindeordnung der Bundesländer für öffentliche Leistungen vorschreibt,
ausgehebelt. "Beratungsunternehmen" machen sich damit verdient, diese Geschäfte anzubahnen und zu
organisieren. Im Fall der BWB war das Merril Lynch, häufig ist es McKinsey oder Ernst & Young). (Aber auch deutsche
Kanzleien kommen zum Zuge: Bei der Verscherbelung des Tafelsilbers von Mülheim an der Ruhr war das Heuking Kühn
Lüer Wojtek & Partner, die größte Kanzlei in NRW mit ihrer unrühmlichen Staranwältin Ute
Jasper.)
Das Kostendeckungsprinzip schreibt vor, dass die Preise,
die für öffentliche Güter erhoben werden, ihre Gestehungskosten decken müssen nicht mehr. Das
bedeutet auch: Wenn diese Kosten sinken, können (sollten) auch die Preise sinken. Mit der Gewinngarantie tritt ein
anderes Prinzip an die Stelle: Das Unternehmen versteht sich nicht mehr als Dienstleistungsunternehmen, das verpflichtet ist,
dem Verbraucher flächendeckend und möglichst kostengünstig ein öffentliches Gut anzubieten, sondern als
ein Unternehmen, dessen Ziel es ist, Gewinne in die Taschen privater Aktionäre zu erwirtschaften. Dass die
öffentliche Hand formal Mehrheitseigentümerin ist, ändert daran gar nichts der Unternehmenszweck hat
sich geändert.
PPP-Verträge enthalten noch ein drittes Element: Die
Steuerfreiheit, welche öffentlich-rechtliche Unternehmen genießen weil sie einen öffentlichen Auftrag
haben! , bleibt erhalten, obwohl sie diesen Zweck nicht mehr erfüllen weil das Eigentum mehrheitlich noch
in öffentlicher Hand ist. Dem Staat entgehen dadurch Steuern, die die Privaten zahlen müssten.
Zusammengefasst: Es bildet sich ein Filz
öffentlich/privat in dem Politiker (Union oder SPD) hoch dafür dotiert werden, dass sie öffentliche
Unternehmen, unter Beibehaltung der Privilegien, die diese genießen, Privatunternehmen und deren Aktionären zum
Ausschlachten freigeben.
Die vertraglich zugesicherte Gewinngarantie verhindert geradezu, dass die Preise sinken. Insofern sind solche
Versprechungen von vornherein eine Lüge. Die Formulierung, die dafür mit geringen Abweichungen in allen
Verträgen benutzt wird, lautet:
"Als angemessene kalkulatorische Verzinsung des von dem
Privaten eingesetzten Eigenkapitals gilt die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem
Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich eines jeweiligen, dem
unternehmerischen Risiko angemessenen Risikozuschlags."
Langlaufende Bundesanleihen wurden in den letzten zehn Jahren
mit etwa 5% verzinst. Was ein "angemessener Risikozuschlag" ist, bleibt offen.
Bei den Berliner Wasserbetrieben hatte der Senat den Privaten
die sog. "r+2-Klausel" zugestanden. Hier kommt zur durchschnittliche Rendite langlaufender deutscher Bundesanleihen
noch ein fester Satz von 2% hinzu. Im Fall der BWB gab das Land den Privaten 8% Gewinngarantie. Zusätzlich wurde eine
"Effizienzsteigerungsklausel" vereinbart: Demnach dürfen "Effizienzgewinne" die
zusätzlich anfallen und sich z.B. aus Einsparungen durch Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen, Verschlechterung der
Infrastruktur usw. ergeben erst nach drei Jahren über sinkende Wasser- und Abwasserpreise an die Bürger
weiter gegeben werden.
Weil die Mitglieder des Abgeordnetenhauses "über
entscheidende Feinheiten nicht informiert worden waren", zogen Grünen und PDS vor das Landesverfassungsgericht.
Dieses erklärte die Effizienzklausel wie auch die "r+2-Klausel" für unzulässig letztere aber
nur der Höhe, nicht dem Prinzip nach. Die Verscherbelung öffentlichen Eigentums an Private erhielt somit auch noch
richterliche Weihen.
Für die BWB bedeutete das nur, dass die Form der
Gewinngarantie geändert wurde. Das Land Berlin verzichtet jetzt auf den seinem Anteil entsprechenden Betriebsgewinn und
auf die Konzessionsabgabe es verschenkt das Geld also ganz real, und zwar an Private, die eh eine goldene Nase
verdienen. Für das Jahr 2004 wurden an die privaten Minderheitsgesellschafter zusammen 134 Millionen Euro Gewinn
ausgeschüttet, an den Mehrheitsgesellschafter Berlin jedoch nur 35 Millionen Euro.
Effizienzgewinne schlagen sich jetzt nicht mehr in
Kostenvorteilen für die Kommune nieder, sondern in schlechteren Leistungen, Verrottung der Infrastruktur, Entlassungen
und Gehaltskürzungen. Die Instandhaltungsaufwendungen der BWB wurden seit der Teilprivatisierung jährlich um 250
Millionen Euro gekürzt, somit halbiert; gleichzeitig wurden 3000 der vorher 7000 Beschäftigten zulasten der
Sozialkassen in den Vorruhestand abgedrängt. Das Zurückfahren der Investitionen führte zu
Auftragsausfällen und Arbeitsplatzverlusten auch bei den zuarbeitenden mittelständischen Unternehmen. Der
Wasserpreis aber stieg in sieben Jahren um 28%.
Auflagen an die Privaten in Bezug auf den Zustand der
Anlagen, Qualität und Preis der Leistungen gibt es keine. Hier gilt in den PPP-Verträgen standardmäßig
die sog. "Forfaitierung mit Einredeverzicht". Was heißt das?
Forfaitierung heißt: Die private PPP-Gesellschaft (im
Fall der BWB die Beteiligungsgesellschaft) kann ihre Forderungen auf Nutzungsentgelte (Gebühren, Mieten usw.), die sie
gegenüber der öffentlichen Hand hat, an eine Bank verkaufen. Die Gemeinde oder das Land zahlen die laufenden
Entgelte dann direkt an die Bank. Der Verkauf der Forderungen an die Bank lohnt sich für die Investoren, weil sie damit
die Gesamtsumme, die sich aus den Forderungen über einen Zeitraum von 29 Jahren ergeben, auf einen Schlag erhalten; sie
brauchen keinen Kredit aufzunehmen. Das Land aber hat faktisch einen verdeckten Kredit aufgenommen, und die Bank hat jetzt
den Daumen auf der BWB.
Einredeverzicht bedeutet: Die öffentliche Hand zahlt die
Entgelte an die Bank, unabhängig davon, ob die Privaten die vereinbarte Leistung erbringen oder nicht. Erbringen sie sie
nicht, können sie aber auch nicht mehr belangt werden. Das Land hat per Vertrag darauf verzichtet, und die Privaten
haben sich durch den Verkauf ihrer Forderungen an die Bank schon aus dem Staub gemacht. Das Land kann nur im Nachhinein
versuchen, auf dem Rechtsweg einen Schadenersatz zu erzwingen. Geht der Investor pleite, geht das Land leer aus und muss
trotzdem zahlen.
Sind die Anlagen nach 30 Jahren verrottet, zahlt wiederum die
öffentliche Hand. Eine vorzeitige Kündigung der Verträge ist erst im Jahr 2023 möglich. Viele Berliner
BürgerInnen fordern das. Allerdings sieht der Vertrag vor, dass im Fall der vorzeitigen Kündigung das Land den
Kaufpreis zurückerstattet und sofort ein Schadenersatz für den entgangenen Gewinn sowie eine Rückzahlung der
Investitionen fällig wird.
Solche Verträge sind sittenwidrig!
Der Verkauf der Anteile an der BWB hat dem Land Berlin 1,68 Milliaden Euro in die Kasse gespült. Am 10.Januar 2007
räumt Michael Müller, von 1998 bis 2005 war Müller stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion,
heute Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, auf einer öffentlichen Parteiveranstaltung der
SPD ein: Das PPP-Projekt Berliner Wasserbetriebe kostet den Berliner Steuerzahler mindestens 3 Milliarden Euro. "Das ist
eben so."
Denn das Land zahlt dreifach: an die Bank leitet sie die
Gebührenentgelte weiter, statt sie selber einzustreichen; an die Privaten zahlt sie die Gewinngarantie, was ihre eigenen
Gewinne schmälert; und sie zahlt den Ersatz für Leistungen, die sie nicht erhält und für den Verbrauch
öffentlicher Anlagen. Die BWB hat seit ihrer Teilprivatisierung die Ausgaben für Instandhaltungen um die
Hälfte, nämlich jährlich um 250 Mio. Euro reduziert.
Das größte Versprechen, das mit der Privatisierung
stets verbunden wird, ist das der Entlastung oder "Sanierung" der öffentlichen Haushalte. Es ist die
größte Lüge. In Bezug auf Berlin schreibt Werner Rügemer in seinem Buch Privatisierung in Deutschland.
Eine Bilanz (Münster, 2006): "Alle Versprechungen wurden nicht erfüllt. Die gesamten Verkäufe
(Bankgesellschaft, Wasserbetriebe, Elektrizitätswerk, Gaswerk, die landeseigenen Wohnungsgesellschaften, die Kliniken)
brachten dem Land etwa sieben Millionen Euro ein. Der Landeshaushalt ist aber stärker verschuldet als vorher. Die
Verluste aus der Privatisierung der Bankgesellschaft belaufen sich bisher auf mindestens 8 Milliarden Euro. Ein Teil der
Mieterhöhungen bei den privatisierten Wohnungen muss durch Wohngeld aus der Landeskasse ausgeglichen werden. In den
privatisierten Unternehmen fielen bis Mitte 2004 insgesamt etwa 25000 Arbeitsplätze weg."
Gewinner sind neben den Investoren auch die Politiker, die
die Privatisierungen angeschoben haben und sich dann als Berater selbständig gemacht haben. In Berlin sind dies u.a. der
ehemalige Bürgermeister Dietrich Stobbe, der den Landkreis Offenbach bei der Privatisierung der Schulen berät, und
die ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Der Landkreis Offenbach muss heute doppelt soviel Geld für die
Gebäudebewirtschaftung der Schulen ausgeben als vor zwei Jahren. Seine Verschuldung hat sich seitdem vervierfacht.
Der Bundesrechnungshof hat unlängst festgestellt: PPP
ist nichts anderes als eine besonders listige und teure Form des Schuldenmachens. Teuer, weil die Gebietskörperschaften
überdurchschnittlich hohe Zinsen über unverhältnismäßig lange Zeiträume zahlen müssen.
Listig, weil die relevanten Risiken vertraglich abgesichert bei den Kommunen hängen bleiben. PPP ist die kommunale
Schuldenfalle schlechthin. Es ist der Hebel zur Privatisierung des Staates.
Verlierer sind die Lohnabhängigen: als Beschäftigte
im öffentlichen Dienst und als Bürger des Gemeinwesens.
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