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Es ist knapp vier Jahre her, dass ich begeistert war, wie Jimmy Cliff aus
seinem "Vietnam" live eine zehnminütige Anklage gegen den Krieg der "Achse der
Guten" im Irak machte. Nun, kurz vor den zu erwartenden unsäglichen Hasstriaden auf 1968
veröffentlicht der bayrische Anarcho-Marley Hans Sölllner eine CD mit dem Titel Viet Nam. Es hat
sicherlich wirklich keiner damit gerechnet, dass der Söllner Hans eine Coverversion dieses nach
Bob Dylan besten Protestsongs auf den Markt wirft. Und doch hat die CD eine Menge zu tun mit der
Anklage des Jimmy Cliff. Während dieser den Krieg auf der anderen Seite der Erde in die private ganz
intime Situation daheim einschlagen lässt, spielt Hans Söllner genau mit der Wechselwirkung
zwischen intimen, privatem und öffentlichem, politischen.
"Es gibt allwei was zu tun" ist
die Aussage im Titelsong "Viet Nam" die bei mir hängen bleibt. Aber auf einzelne Aussagen
reduzieren darf man die Lieder Söllners nicht, sonst hat man selbst bei einer Begeisterung für
die Lieder die Haltung der Staatsanwälte und Richter, die ihn für einzelne Textzeilen am liebsten
aus dem Verkehr ziehen würden. Es ist die gesamte Haltung der Lieder, gleich ob es dabei um
Neuauflagen alter Songs oder um neues Material handelt: "Ich liebe dieses Land und meine Heimat, ich
liebe diese Welt und die darauf lebenden und seienden Menschen und Lebewesen in all ihren Farben und
Sprachen und Gerüchen. Ich erkenne die Vielfalt an und alle Gewalttätigkeiten, Schmerzen und
Ängste sind ein Geschwür unserer nicht mehr im Einklang mit der Natur lebenden
Gesellschaft."
Die CD, die seiner verstorbenen Schwester
Elke "mit großem Respekt" gewidmet ist, präsentiert wieder gefühlvolle
Sinnesfreude, egal ob es Wut, Ratschlag oder Trauer ist. Das Bayaman Sissdem, das ihn zum vierten Mal bei
einer CD-Produktion begeleitet, erahnt diese Stimmung, unterstreicht sie, wo es notwendig ist und nimmt
sich ebenso passend zurück. Besonders die Wiederauflage von "Edeltraut" aus dem 92er Album
gewinnt durch die Band. Bei anderen Lieder unterstreicht die Musik die Aussage Söllners, dass er die
Gitarre nur dazu nimmt, da er keine Gedichte vortragen möchte.
Die Hits auf der CD sind sicherlich Titel
wie "Lass fliegn deine Dreads" oder auch das bis an den Rand vollgepackte
"Damaskus". Mein persönlicher Hit ist allerdings "Trostlos". Auch (oder gerade)
aufgrund meiner optimistischen Grundeinstellung hat es mir dieses Lied besonders angetan. Es folgt dem
Abschiedslied für seine Schwester, "So gern", nimmt die Stimmung auf, politisiert sie und
wendet es zum Mut, der seine Quelle in einer einfachen Begegnung findet. "Trostlose Politik, in der
der Mensch nichts zählt", ist einer der Ausgangspunkte, die immer wieder enden in der
Feststellung "Aber da gibts noch was anderes schaut einfach hin... manchmal kimmst du daher, der
einzige Lichtblick in einer trostlosen Zeit."
Das letzte Lied auf der CD, "Vorbei
damit", dauert weitaus länger als die auf dem Cover angegeben fünf Minuten. Und nach der
Pause, die die Ungeduldigen vorspulen können, nimmt Hans Söllner doch das Thema von Jimmy Cliffs
"Vietnam" auf. Hier ist es nicht der Krieg, der die Botschaft des Todes nach Hause schickt,
sondern das Zerbrechen am Schulsystem. Selbstmord ist bei Jugendlichen in Deutschland nach den
tödlichen Unfällen im Straßenverkehr die zweithäufigste Todesursache. Im Durchschnitt
versuchen täglich vierzig Jugendliche in Deutschland, sich das Leben zu nehmen, drei von ihnen
überleben den Versuch nicht. Es sei einmal dahingestellt, ob es die Lehrer sind, die als einzige
lachen am letzten Schultag aber die Kinderfeindlichkeit der Schule, bei der nur noch Pisa geschrien
wird und die Kinder potenzielles Humankapital sind, das ist die Welt, gegen die Hans Söllner ansingt.
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