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Angelo Lucifero ist linken Gewerkschaftern in Ost- und Westdeutschland und
allen, die gegen Rassismus und gegen Nazis aktiv sind, ein Begriff. 1991 ging der Sohn sizilianischer
Einwanderer und DGB-Jugendsekretär in Mittelhessen wie viele andere Gewerkschafter von West nach Ost.
In Erfurt wurde er in den 90er Jahren Landesleiter der HBV, seit der Gründung von Ver.di ist er
stellvertretender Leiter des Landesfachbereichs Einzelhandel von Ver.di Thüringen. Von jeher
engagierter Antifaschist, gibt er seit 1993 mit Unterstützung von Ver.di und der
"Bürgerinitiative gegen Billiglohn, für Gleichbehandlung" die Zeitung Karussell heraus.
Er betreut auch die antirassistische Mailingliste antira@lag-antifa.org. Sein Kontrahent ist Thomas
Voß, seit dem 17.März 2007 Leiter des Landesbezirks Thüringen von Ver.di, promovierter
Historiker und Journalist.
Thomas Voß hat Lucifero am 14.Dezember
2007 formlos von seinem Amt suspendiert und ihm Hausverbot erteilt; er betreibt außerdem ein
außerordentliches Kündigungsverfahren, gegen das der Betriebsrat jedoch Einspruch eingelegt hat
über den sich Voß aber hinwegsetzen will. Am 16.1.2008 hat die Ver.di-Landesleitung nach
seiner Auskunft seiner Rechtsanwältin die fristlose Kündigung zugestellt bei
Redaktionsschluss hatte Angelo sie jedoch noch nicht erhalten. Angelo ist zu 50% hörgeschädigt
und damit schwerbehindert, deshalb hat das Integrationsamt auch noch ein Wort mitzureden. Aber Voß ist
notfalls auch bereit, vors Arbeitsgericht zu ziehen. Er will Angelo loswerden.
Der Vorwurf: Angelo habe durch die
Herausgabe von Karussell Gewerkschaftsgelder veruntreut, "persönliche politische Arbeit" auf
Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft betrieben. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits, unabhängig von
diesem Vorwurf, ein Verfahren gegen Angelo, das die NPD angestrengt hat:
Auf einer Donnerstagsdemo des
Bündnisses für soziale Gerechtigkeit wurde Angelo nämlich wieder einmal von einem
aufmarschierenden Trupp Junger Nationaldemokraten, die sich mit einem Transparent vor die Rednerbühne
postiert hatten, geschlagen und aus nächster Nähe fotografiert. Er wehrte sich, indem er drei
Schüsse aus einer Schreckschusspistole abfeuerte. Die Polizei führte ihn ab (nicht die Nazis),
die gesamte örtliche Presse stürzte sich auf ihn (nicht auf die Nazis) und auch sein Vorgesetzter
und Landesleiter Thomas Voß distanzierte sich umgehend von ihm: "Wir können und wollen und
nicht der gleichen Mittel bedienen, wie man sie aus dem rechtsradikalen Raum kennt." Hat man schon
einmal gehört, dass Nazis Schreckschusspistolen einsetzen?
Die beiden Verfahren fallen jetzt zeitlich
zusammen zur Freude der Nazis, die die Kündigung Luciferos durch Ver.di als späte Einsicht
einer Gewerkschaft auf dem Weg zur Besserung feiern: "Während Lucifero seinem Prozess
entgegenzittert, will man bei Ver.di nun wohl Nägel mit Köpfen machen, um das Image der
Gewerkschaft nicht weiter zu beschädigen."
Thomas Voß ficht diese Lesart nicht
weiter an. Er bedauert den "unglücklichen zeitlichen Zusammenhang" mit dem Naziprozess und
behauptet, der Dissens der Thüringer Gewerkschaftsführung mit Angelo bestehe nicht in dessen
Engagement gegen Rechtsextremismus, sondern dass er gegen rechtsextreme Bestrebungen "den bewaffneten
Kampf propagiere" (Voß in Radio Z).
Voß zieht sich auf
gewerkschaftsinterne Verfehlungen zurück. Diese Vorwürfe sind hanebüchen genug, offenbaren
sie doch ein gestörtes Verhältnis der Gewerkschaft Ver.di zu aktiver antirassistischer und
antifaschistischer Arbeit ihrer Mitglieder. Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass die Zeitung
Karussell und die antirassistische Mailingliste nicht länger gewerkschaftseigene Vertriebsnetze und
Finanzmittel nutzen dürfen, ist dies kein Kündigungsgrund, sondern Anlass für eine
politische Debatte, die von den geeigneten gewerkschaftlichen Gremien entschieden werden muss.
Die Attacke der Nazis aber: "Die
Gewerkschaft gehört uns, nicht den Ausländern!", hat die Auseinandersetzung längst auf
eine andere Ebene gehoben. Die Nazis haben ihre Mitglieder bereits aufgefordert, der Gewerkschaft
beizutreten, da ihr Hauptfeind, Angelo Lucifero, nun abgesägt wird. Thomas Voß und seinesgleichen
sind überhaupt nicht in der Lage, diesen Prozess zu stoppen, wenn sie engagierte Antinazis wie Angelo
aus verantwortlichen Positionen in der Gewerkschaft entfernen.
Die Kündigung von Lucifero ist eine
Einladung an die Nazis, die Gewerkschaft zu unterwandern. Was die Erwerbslosenorganisationen erfolgreich
während der Anti-Hartz-Proteste abgewehrt haben dass Nazis sich an die Spitze des sozialen
Protests stellen könnte der größten Gewerkschaft der Welt misslingen: Ver.di
wäre das erste Opfer eines rechtsextremen Enterungsversuchs von Organisationen der Arbeiterbewegung.
Will die Bundesleitung von Ver.di das
wirklich auf sich sitzen lassen? Will sie sich nachsagen lassen, sie habe den Nazis in Thüringen die
Tore ihrer Organisation geöffnet? Muss sie nicht alles unternehmen, um die Kündigung
rückgängig zu machen und das gestörte Verhältnis zwischen Voß und Lucifero
gewerkschaftsintern bereinigen?
Zum Glück hagelt es derzeit Proteste
von allen Seiten von innerhalb und außerhalb von Ver.di. Viele verweisen auf den Beschluss des
Ver.di-Gewerkschaftstags vom November letzten Jahres, "solidarisch mit dem von Nazis angegriffenen
Kollegen Angelo Lucifero" zu sein und "ihm jede mögliche Unterstützung, auch
juristischer Art, zukommen" zu lassen; einige fordern auch personelle Konsequenzen gegen Voß.
Der Bezirksfrauenrat Mittel-
/Nordthüringen hat am 4.1.2008 in einem Schreiben an Thomas Voß den richtigen Zusammenhang
aufgemacht:
"Ver.di ist unsere Gewerkschaft,
lieber Thomas, und darum wollen wir auch an der Konfliktbewältigung mitarbeiten. Der Zusammenhang
zwischen der arbeitsrechtlichen Maßnahme gegen Angelo und den Geschehnissen vom 15.3.07 auf dem
Erfurter Anger sowie den nun anstehenden Gerichtsverhandlungen ist für uns offensichtlich. Bereits
kurz nach den Ereignissen hattest du Angelo abgemahnt und die Kündigung angedroht ... Vielen
Hauptamtlichen in Ver.di, auch dir, kam Angelos politisches Engagement recht, musstet ihr doch selbst nicht
aktiv werden und euren Kopf hinhalten. Es braucht jedoch nach unserer Meinung mehr denn je Menschen, die
sich heute aktiv engagieren und sich politisch eindeutig links von der liberalen Mitte positionieren.
Welchen großen Wert Angelos Arbeit hat, zeigt sich in den aktuellen Äußerungen der NPD auf
deren Internetseite."
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